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451 Es war fast, als atme der Graf, über diese Auskunft erleichtert auf. Spöttisch verzog Lella die Lippen — mein Gott, was konnte das doch für Interesse haben, solche kleinen Leute. Ottokar fühlte wohl gar die Verpflichtung, das Mäd chen mit in die Unterhaltung zu ziehen." „Wird Rüdiger kommen?" fragte sie. „Wahrscheinlich in acht Tagen. Du Kannst ihm dann noch deine speziellen Wünsche sagen, damit er dafür sorgt, daß bis zum fünfzehnten November alles zu unserer lleber- siedelung bereit ist. Die Wohnung in der Prinzregsntenstraße ist sehr schön und wird dir sicher gefallen. Rüdiger wohnt gar nicht weit von uns; er hat gleich in der Wiedemayer- straße an der Isar seine Wohnung." „Bis fünfzehnten November noch? Ich glaubte, daß wir spätestens am ersten November abreiscn könnten," sagte . die schöne Frau verdrießlich; sie war augenscheinlich etwas verstimmt geworden. „Aber Lella, es ist doch noch so schön hier — was willst du jetzt schon in der Stadt?" „Es wird mir hier auf die Dauer langweilig. Ich sehne mich nach Abwechslung und freue x.ich auf München." „Ich auch, Papa! Was ist denn hier noch los?" rief Thekla. „Berklins gehen schon nächste Woche nach Frankfurt. Asta schwärmt sehr von der neuen Villa, die ihr Vater gekauft hat. Im Sommer, für ein paar Wochen, ist es ja ganz schön Hier — ich möchte aber nun auch mal was anderes sehen!" / „Papa, wollen wir denn fort von unserem schönen Lenge feld? Ja, warum denn?" (Fortsetzung folgt.) ,Jch bin von Durlach gekommen, Herr Graf. Meine ... Mxjn "Pater Mutter hatte dort ein Handarbeitsgeschäft. ist sehr früh gestorben, ich kann mich gar nicht auf ihn besinnen." I« Zimm uns Net Don R. v. Stosch 1. Der blanke Hans ' ' Im Nordwesten braut es sich zusammen. Eine ^schwarze Wand kriecht herauf und legt sichwie ein schwärzer Vorhang vor die sinkend« Sonne. Das Wetterglas fällt. Auf den Halligen und weiter unten auf den friesigen Inseln, schauen sie besorgt nach dem nahenden Unwetter aus. Noch liegt der blanke Hans ruhig. Aber bald wird -das da drüben ihn packen und aufscheuchen aus träger Beschau lichkeit. Wie es in d/n Lüften heult, wie die grauen Wogen neugierig die Köpfe heben, höher und höher, bis die Sturm braut gewaltsam ihnen die Schaumkronen in hie Stirnen drückt. Da jagen sie dahik mit weißen Häuptern, hochge- peitscht von denk Verfolgs«, der ihnen im Nacken sitzt und ' hohnlachend über sie'wegbraust. Die grünen Leiber -stemmen sich trotzend gegen die unsichtbaren Gewalten; ohnmächtig brechen sie zusammen. Aufbrüllt de?" Sturm. Don neuen, reißt er sie empor, daß die Schaumkronen' zerbrechen und wie weiße Schleier von nackten Schultern wehen. So jagen Büf fel und Mustang jm wilden' Westen vor der Urgewalt der züngelnden Flammen, so. die Seen vor dem Sturm dahrn, die Wellenleiter des Meeres. Nun braust es hin über Deich und Marsch und fällt schwer in das Land. Ein Höllenkonzert bricht los. , Der Deichvogt und seine Getreuen sind a-f der Hut. Sie kennen den blanken Hans, seine Lastnen §und Tücken. Oft hat er ihnen den Deich, zerschlagen, ihr Hab und Gut in die Tiefe gerissen, oft auch, als wollte er die Beraubte» versöhnen, reichen Strändsegen gespendet. Das ist lange her; die Seefahrer meiden das Meer, wo das U-Boor herrschst s Wagt dennoch ein fürwitziger Schiffer dem Tode zu trotzen ! — gnade Gott seiner Seele! ! In dem Heulen des Sturmes verklingt der Abend glocken Geläut. „Gott schütze unseren Strand," so beten sie jetzt, seit der Fluch des Strandrechts von ihren Küsten ge- nommen. „Gott schütze unseren Strand," betet der Pfarrer am Sonntag und meint die Hallig und das weite Land dahinter, dessen Söhne an den Grenzen stehen, ein eiserner Wall zu Wasser und zu Lande. Und die Gedanken wandern hinaus zu den Kämpfern, die der Schlachtenlärm umtost, und zu jenen, die' still hinaus ziehen, Tag für Tag, d«ii Männern mit den seezerfressenen Fäusten und dem trotzigen Zug um den Mund. s Trutz' dir, blanker Hans! Der junge Offizier auf dem Minenboot hatte auch das Fallen des Wetterglases beobachtet. — Erst fertig werden! — Das bißchen See wird nichts schaden. — Seit Wochen arbeiten sie schon an der Sperre, die der Engländer heim lich nächtlicherweile gelegt. Meilenweit hatten sie den Weg gesäubert, wieder und wieder die Strecke befahren, Db die j Suchieine doch noar em- vergessene Mine enrdeckte. Nu» waren sie am Ziel. „Weg nach Norden ist frei," meldete der Führer befrie digt durch Funkspruch der Heimat. Die Bewegungen des Bootes sind heftiger geworden. Achtern arbeiten sie noch, um das Suchgerät einzuholen. Es hakt etwas. Die Schraube ist unklar. Hart holt das Boot über, wenn die See gegen die Bordwand klatschst In Kleidern schwer von Seewasser hängen sie an der Ree ling. Sie achten der Spritze nicht, die sie immer wieder durch nässen. „Holt fast, Jungs!" keucht der alte Minenmaat, 'selbst der erste am Werk, und wirfl sich mit langen Armen zurück, , daß sein volles Gewicht die Stahlleinc strafft. „He . . H . . o zugleich! — He kümmt Jungs! — Zu—ungleich!" Da — ein furchtbarer Knall, Ein gel lender Schrei verweht im Wind. — Sekundenlang flammt es auf — Rauch und Qualm. — Die^ Stätte, wo das Boot gelegen, ist leer. Eine schwarze Wolke fliegt über das Wasser, schneller und schneller, bis die Dämmerung sie verschlingt. Mit äußerster Kraft schießt das Rottenboot heran. Holz- und Korkreste, ein paar Schwimmwesten zerfetzt und leer, sonst nichts. Seemannslos! 2. Von der Fahrt in das Sperrgebiet nicht hejmgekehrt . Die NaAt bricht herein. Die Kameraden haben das Eäcilie, die sich an seinen Arm hängt«. Als sie ihrer Er- zieherrn ansichtig wurde, rief sie erfreut: „Ach, Papa, schau! Da ist Fräulein Lore!" Er wandte sich um. , , „Ah, Fräulein Beiger, unsere neue Hausgenossin, die «uch ich willkommen " Doch die liebenswürdigen Worte kamen nicht zu Ende. Ev verfärbte sich. Aschfahl wurde sein Gesicht, als er in Lores große braune Augen blickte; er wankte.beinahe — das war doch — -f- Maria, dis da vor ihpr stand. » - Er strich mit der Hand über die Stirn, wie um etwas Lästiges, Quälendes davonzujagen, er schloß die Augen — doch als er sic wieder öffnete, stastd die Gestalt noch vor ihm. Mein Gott, träumte er denn, noch ehe es Nacht war? °Er trat näher an Lore heran. Heiser vor innerer Bewegung klang seine Stimme, als er sagte: „Also Sie sind Fräulein Lore Berger. Mein Töchterchen hat mir schon erzählt, wie gern es bei Ihnen lernt. Auch Ossi hat schon vom Fräulein gesprochen." Lore errötete etwas; es war reizvoll, zu sehen, wie die Nöte langsam in ihre Wangen stieg, bis hinter die kleinen, zierlichen Ohren. „Es macht mir auch Freude, SM zu unterrichten. Sie ist ein talentvolles und gutes Kind," entgegnete sie. Da hört, er auch ihre Stimme. Diese tiefe, ruhige, klangvolle Stimme kam wie eine liebe, längst verklungene Melodie, die nur manchmal noch leise in ihm'nachtönte. Er sah sie an. Wie war das Mädchen schön! Wie ein herber, klarer Vorfrühllngstag, der tausend Verheißungen birgt. Sein Künstlsrauge erfaßte die edlen Linien dieses wundervollen Körpers. Das schmale, reine Gssicht, belebt von den dunklen, schöngeschnittenen Augen, überwölbt von feingezeichneten Brauen — er glaubte noch nie etwas so Vollkommenes gesehen zu haben. — Doch, einmal schon — aber das war sehr lange Her — — Lore fühlte sich von diesem Ansiarren seltsam berührt; s sie wurde fast verlegen. Sie konnte ja nicht ahnen, welche Erinnerungen ihre Person in dem Grafen weckte. Do betrat Gräfin Lella mit den beiden andern Kindern den Speisesaal. Man nahm Platz. Lore kümmerte sich um Sissi, da der Platz neben dem Nater von Thekla und Ossi beansprucht wurde. Im Gegensatz zu seiner Frau wandte sich der Graf verschiedentlich an Lore, nur um sie — sprechen zu hören. Er fragte nach ihrem Heim.atsort, nach ihren Eltern. .... -