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Frankcybcrgcr Ersählcr MterhattmtgSbeilage zmn Arantenberger Tageblatt Ur. 116 Ssnstag Sei aenstt! Sri getrost, nicht murre oder klage, Sei getrost, nicht trau're und verzage. Nein, bet«, bete und sei still«, S' ist unsers großen Gottes heil'ger Wille. Und nahm er dir das Liebste gleich auf Erden, Sei still, es mutz doch einmal Frühling werden. Sei getrost, was auch Schlimmes dir geschah, Sei stille, stille, denn der Herr ist nah! «.,13.11.18. Ilse Mende. Vig MllwMdeus Noman von Fr. Lehne !2 Nachdruck ve^dnten Mit vollendeter Gesangskunst behandelte die Sängerin ihre Stimmittel, wenn sie auch den Jahren etwas ihren Tribut hatte zahlen muffen, an Glanz und Jugendfrische. Ergriffen, hingerissen, mit Tränen in den Augen, lauschte Lore Berger, während sie die Künstlerin begleitete; das Herz wurde ihr weit — wer das doch auch könnte! „Ist es nicht schade, dast Sie sich' so früh von der Bühne zurückgezogen haben?" fragte Lella, nachdem sie leb haft applaudiert hatte. „Anfangs ist «s mir ja schwer geworden, und man hat mir auch den Abschied nicht leicht gemacht — doch der Wunsch ineines Mannes war für mich bestimmend. Ich fügte mich ihm und hatte für das, was ich aufgab, ja ein viel reicheres, ivenn auch stilles Glück eingetauscht." Sie hatte ganz ohne Nebengedanken gesprochen; doch Ottokars Blick flog vorwurfsvoll zu feister Frau — wenn sie doch auch so denken möchte! Lella verstand wohl, was er meinte; höhnisch schürzte sie die Lippen — ja, wenn er ein berühmter Künstler wär«, von dem all« Welt redet«, dann hätte er vielleicht Anforderungen an sie stellen können! Aber so —. Ivas war er denn? Ein Nichts — «in Schwächling! Es kamen Stunden, da sie sich selbst nicht begriff: wie hatte sie sich gerade den so viel älteren Mann zum Gatten wünschen können? Frau von Matthes wandt« sich an Lore. „Ich danke Ihnen für Ihr« Begleitung, liebes Fräulein! Sie haben sehr gut verstanden, sich mir anzupassen — Sie sind s«hr musikalisch." Lor«s Augen leuchteten auf. „Ich liebe die Musik über alles, gnädige Frau." „Singen Sie auch?" Si« errötet« «in wenig. „Auf dem Seminar« hatte ich der einem sehr guten Lehrer Unterricht." „Ah, ich möchte Sie einmal hören!" rief Frau von Mat thes lebhaft, „mich interessieren so junge, bildungsfähige Stimmen. Singen Sie mir ein Lied!" Lore errötete ti«f«r. Hier sollte sie singen — hier, vor der Gräfin, die sie erst kürzlich heftig zurechtgewiefen, als sie den Kindern auf deren Wunsch einige Lieder vorgesungen? Dor der Gräfin, welch« die Musik so wenig liebte — und vor den beiden Herren . . . Sie zögerte. „Gott, Fräulein Berger, wenn Frau Geheimrat es wünscht, lassen Sie sich doch nicht so lang« bitten!" sagte di« Dame des Hauses scharf. „Singen Sie, was Sie wollen." Ermunternd klopft« Frau von Matthes dem jungen Mädchen auf die Schulter. „Haden Sie nur Mut und Vertrauen — Sie haben doch sicher einige Lieder auf Ihrem „Repertoire", fügt« sie scherzend Hinz«. Nach kurzem Besinnen begann Lor« anfangs mit zit- 17. ^lovemker 1»1» > t«rnder, unfrei«! Stimme, dann mehr aus sich herausgehend, ! das österreichisch« Volkslied: „Verlassen, verlassen bin ich." ! Erschütternd sang sie das Lied, mit einem Ausdruck, der wett - üb«r ihre Jahre ging. Interessiert,, immer gespannter lauschend, verfolgte Frau von Matthes Lores Vortrag, während die Gräfin Allwörden in einer der Mappen mit Kunstblättern herumblLtterte, dir in lhr«r Nähe lag; für d«n Gesang der Lehrerin ihrer Kinder brauchte sie wahrhaftig kein Interesse zu heucheln! Der Legationsrat wandte keinen Bäck von der jung«« ! Sängerin. Nie war ihm die rein«, madonnenhaft Schönheit ! Lore Bergers so aufgefall«« wie jetzt. Und Ottokar Allwörden — ihn durchbebte es, -reis dies« i voll«, dunkle Mädch«nftimm« an sein Ohr schlug. Er wurde i bleich bis m die Lippen, sein nervöses, unruhiges Herz klopfte in ungestümen Schlägen. Wie waren ihm diese Klänge oer- i traut, — wie oft hätte er von Maria das Lied singen i hören, während sie die Zilhrr dazu spielt«. Mächtig überkam ihn die Erinnerung. Ein kaum unterdrückter Seufzer hob seine Brust. Bei Gott, sollte er denn nie zur Ruhe kommen?! Noch «he Lori geendet, klappte Gräfin L«lla geräuschvoll ' das Buch zu, in dem sie geblättert. „Recht hübsch, Fräulein Berger, doch reichlich sentimental i — wie kommen Sie darauf, gerade dieses rührselige Lied zu singen? Fühlen Sie sich wirtlich so verlassen? Und Sie haben doch-vorhin erst «inen Brief bekommen^" j „Er war von meiner Mutter, Frau Gräfin. Und das ' Lied hat sie manchmal gesungen, wenn ich als Kind sie darum bat. Si« spielte dann Zither dazu." Graf Allwörden krampfte s«.ne Hände so fest um di« - Lehne des Segels, daß sie ihn schmerzten. Gab es denn sob i chen Zufall? — Er wurde noch verrückt darüber, wenn er das Grübeln nicht liest. Dieses Al.erweitslied — jedermann sang es im deutsch«« Süden — und so viele Leute spielten Zither. § Unsinn war es von ihm, darüber weiter nachzudenken! Er wustte doch, dast Lore Berger früh verwaist war, dah sie aus Durlach kam, und doch — und doch Frau Iakobs von Matthes ergriff impulsiv Lores Hände. ' „Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Stimme, mein liebes Fräulein! Ahnen Sie wirklich nicht, welches Kapital S« iu Ihrer Kehle haben? Dies« weichen, dunklen Stimmen sind so selten, uns dabei so sehr gesucht. Ein solches Material — was wäre daraus zu machen! Dazu Ihr Aussehen — jede Bühne würde sich um Si« bemühen." Prüfend glitt ihr Blick über das errötend«, verlegen vor ihr stehende Mädchen. Gräfin Lella lachte etwas krampfhaft. „Täuschen Sie sich auch wirklich nicht, Liebst«? Fräulein Berger ist ohnedies schon sehr romantisch veranlagt; eine der artige Aussicht könnte sie leicht verlocken, einer ungewissen Zukunft nachzugehrn." Neid auf das arme Mädchen sprach aus ihr und ebenso egoistische Sorge, diese tüchtige Arbeitskraft vielleicht zu ver lieren. „Ungewisse Zukunft! Ich garantiere Hr ein« glänzende!" In begeisterten Worten sprach Frau von Matthes — das war etwas für sie — das Bühnenblut regte sich. Lore senkte den Kopf; betäubend ging di« lebhafte Rede Frau Matthes über sie hin. Ach, die meinte es gut — die malte ihr ein« Zukunft so lockend hin, dast sie mit beide» Händen hätte zugreisen mögen — und doch — «s war un möglich; das kostet« zu viel. Sie war aus ihren Verdienst angewiesen, und noch mehr Opfer konnte si« nicht von ihrer Diutter ünd ihrem Bruder oerlangen, als sie schon für s» g«- bracht hatten. : Leis« und schüchtern sprach si« das aus. „Wissen Sie, Fräulein Berger, wie ich angefangen habe?" i sagte Frau von Matthes. „Meine Mutter war «ine ver- j witwete Hauptmannsfrau in Berlin, zwei Brüder Offiziere