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— 458 — kar auf. hochmütigen Zug, mit dem er alles Lästige von sich wies. Lellas Art, solche Szenen um nichts heraufzubeschwören, war ihm im höchsten Grade peinlich. Hochgeboren ist nicht immer hochgesinnt! Und er dachte, daß seine Mutter ihm diese Frau als Lebensgefährtin ge wünscht! Tiefunglücklich wäre er geworden. Sein Gefühl, das ihn vor Lella gewarnt, war richtig gewesen! — Doll mühsam unterdrückter Erregung, die Hände am Rücken verschlungen, ging Ottolar auf und ab. Alle- in ihm kocht«; er hätte irgend einen Gegenstand nehmen mögen und xu Boden schmettern, um auf diese Weise eine Erleichterung zu finden. Es wäre auch nicht das erstemal gewesen. Doch die Gegenwart des Bruders hinderte ihn daran, sich so un beherrscht zu zeigen- Ein schwüles Schweigen war zwischen den dreien; keiner sprach ein Wort. Lella hatte — als Ausfluß ihrer, schlechten Laune, wi«-* der einmal ihren Giftpfeil verschossen und war nun etwas beruhigt. Ossi stürmte herein, nachdem er heftig die Tür auf gerissen. „Fräulein sagt, ich solle jetzt zu Bett gehen, und es ist noch nicht einmal sieben!" rief er weinerlich, „und ich mag noch nicht." ' Lore stand draußen in der hell erleuchteten Diele. Ossis Eigensinn war ihr peinlich; doch sie konnte nichts da für. Sicher würde er ihr wieder eine Rüge von der Gräfin erbringen! Sie trat näher und wartete auf Lellas Acußerun-g. „Wenn Fräulein das sagt, Ossi, so hast du auch zn gehorchen!" sagte der Legationsrat da in so bestimmtem, ernstem Tone, daß der Knabe ihn beinahe erschreckt ansah; er rSar nicht gewohnt, daß man so mit ihm sprach! — „Also, gute Nacht, mein BübcheNl Schlafe gut! Na, willst du Pap« Und Mama nicht auch g'eich gute Nacht' sagen?" meinte er,- als Ossi trotzig ohne weiteres das Zimmer wieder verlassen wollte, „du siehst, sie warten daraus!" „Ach ja, Fräulein Berger, hier ist ein Bries für Sie! Beinahe hätte ich es vergessen!" Freudig errötend nahm Lore ihn in Empfang; Lella lächelte spöttisch ausdrucksvoll, während ihr Blick auf die Männerhandschrift fiel. „Und dann, wenn Ossi im Bett ist, können Sie sich um kleiden. Sie essen heute abend mit uns —" Lieber mochte die Erzieherin die Lücke am Tisch aus füllen, als daß sie allein mit den Herren saß. Da wurde die Gräfin ans Telephon gewünscht. Ange regt, lächelnd, kam sie zurück. „Frau Geheimrat M-ttthes wird in einer halben Stunde hier sein! Sie fragte an, ob ich'Lust hätte, zu einem Plauder stündchen zu ihr zu tommen; statt dessen hab' ich sie zu uns gebeten. Ich denke, die Herren haben nichts dagegen?" Ottokar nickte; ihm war alles recht. „Wer ist Frau Geheimrat Matthes?" fragte Rüdiger. „Die Dame habe ich neulich auf' dem Basar kennen gelernt. Seit einigen Jahren ist sie Witwe; sie wohnt iu der Königinstraße. Eine gescheite Frau, lebhaft, geistreich, schick." Ottokar stimmte Lellas Worten zu. Sehnsüchtig erwar tete er die Dame, deren Anwesenheit ihn vor den Nadelstichen seiner Frau schützte, gegen die er wehrlos war. Pünktlich erschien die Erwartete.' Es war, als ob ihr Kommen Heiterkeit, Sonnenschein mit sich brachte, so bele bend wirkte ihr ganzes Wesen. , „Ich bin nun wirklich so „sans fasson" hier hereinge schneit. Hatte heute Abend Sehnsucht nach Menschen, nach Unterhaltung." „Und wir sind glücklich, daß wir dieser Sehnsucht Ihre Gegenwart zu verdanken haben!" sagte Ottokar, der viel Sympathie für die große, schlanke, nicht mehr junge Fra« mit dem klugen, ausdrucksvollen Gesicht hatte. Man ging bald zu Tische. ' Die ovale Tafel in dem modern eingerichteten Eßzim mer war reich mit Kristall und Blumen geschmückt. Das von dem orangefarbenen Seidenschleirr gedämpfte Licht der elektrischen-Lampen fiel blendend auf das seidig schimmernde Damasttuch und spiegelte sich in dem Silber wieder. Als Lore hörte, daß Besuch bekommen, hielt sie sich, bescheiden zurück, was Gräfin Lella ganz in Ordnung fand. Komtesse Thekla, die mit zu Tisch saß', begrüßte den East ihrer Eltern mit zierlichem Knir. „Nun, Komtesse, was haben Sie sich denn beim Christ kindl bestellt?" fragte Frau Jakobe von Matthes. „Einen Selbstfahrer! — Papa meint aber, dazu bin ich noch zu jung," schmollte sie. „Vielleicht hat der Herr Papa nicht ganz Unrecht, Kom- tesserl." „Im Sommer kann, sie fahren, so viel sie mag, wenn wir wieder in Lengefeld sind " „Ach ja, Ihr schönes Lengefeld! Wie beneide ich Sn darum! Herrlich muß es'' dort sein." Man kann auch «ine andere Ansicht darüber haben, Der Legationsrat saß ganz unbewegt da, als ob ihm das alles nichts anginge. Sem Gesicht trug den verschlossenen, - Gräfin Lella war deswegen in schlechter Laun«. Das konnte ein schöner Abend werden,' mit Mann und Schwager! Sie verbarg ihr« Verdrießlichkeit darüber gar nicht. -Sw saßen im Wohnzimmer,' und während Lella in einem Buche blätterte, sprachen die Herren über gleichgültig« Dinge.^ Ottokar blickte z«weilen scheu nach seiner Frau. " . Der Diener bracht« die letzte Post. Ein Bries an „Fräu lein Lore B«rger" befand sich darunter. Neugierig drehte ihn die Gräfin einen Augenblick in der Hand und warf ihn dann gleichgültig zurück auf das Tablett. Ottokar wurde unwillkürlich blaß — er sah dw Hand schrift an — dych, die er vermutet, gefürchtet hatte, war es nicht. — Ein Blick hatte genügt, ihm zu zeigen, daß die Adresse von einer ihm völlig fremden, energischen Männer- Hand geschrieben -war. Lächerlich war es von ihm, sich solche Gedanken -u machen. Von draußen, von der großen Diele her, klang das Lachen und Jubeln der Kinder. Lella und die Herren lausch ten darauf. „Der gestrige Spaziergang r'm Schnee hat Ossi anschei nend doch nickls geschadet," bemerkt« Rüdiger mit feinem Spott. „Weil ich vorgebeugt habe!" entgegnete Lella scharf. „Wenn ich mich nicht um alles kümmerte! Die Perger ist wirklich-unzuverlässig. Ich weiß nicht, ob ich sie noch 'lange behalte. Man kann ihr ja nicht einmal ruhig di« Kinder anvertrauen!" „Meine Ansicht ist, daß eure Kinder wohl nirgends besser aufgehoben sind, als bei dieser jungen Dame." Lella firierte in spöttisch. „Ah, wohl weil sie so hübsch sein soll, — wie wenig stens Ottokar behauptet. Hast du das auch gesunden?" „Ich habe mir keine Mühe gegeben, das h.-rauszufinden. Die augenfällige Schönheit dieses Mädchens spricht ja für sich selbst. Und sie ist eben so gut wie schön, so daß sie nur den besten Einfluß auf die Kinder hat. — Mir ist es wirklich nicht gleichgültig, von wem die Kinder, die ich lieb habe, erzogen werden!" „Ah, das ist sehr schmeichelhaft für mich, lieber Rüdiger!" L«I!a legte die Fingerspitzen gegeneinander und sah ihn lächelnd an. „Es sind doch meine Kinder! Ottokar hat ja noch zwei — nicht wahr?" wandte sie sich an ihren Gatten. - > Der wurde dunkelrot. und seine Hände ballten sich zu Fäusten. " . . - , „Lella," stieß er zornbebend hervor. „Nun, ja, weshalb ereiferst du dich, mein Freund? Ich trage es dir doch nicht nach,' das weißt du ja! Nur freue ich mich, daß Rüdiger sich so sehr für meine Kinder interessiert, während ihm die deiner ersten Frau doch ein Dorn im Auge waren." < Ottokar sprang so heftig auf, daß der Sessel, in dem er lehnte, aus dem glatten Parkett ein Stück zurückflog. Die Adern auf seiner Stirn schwollen dick an, in seinem Gesicht arbeitete und zuckte es. ,Kella!" rief er noch einmal, „Lella, hüte deine Zunge!" i Sie wandte ein wenig den Kopf nach der Seite, ohne sich ! lveiter zu erregen^, sie blieb kalt. „Was sicht dich an, mein Freund? Willst du eine Szene provozieren? Freue dich doch, daß ich so gelassen über «ine Episode in deinem Leben denke, die andere Frauen mit Unruhe und Eifersucht erfüllen würde. Wer bürgt mir d«nn dafür, daß du nicht hinter meinem Rücken die alte Verbin dung hast wieder erneuern wollen?" „Lella, bist du wahnsinnig?^ Mein Ehrenwort muß dir genügen, daß ich nie den Versuch gemacht habe!" fuhr Otto-