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— 455 — wundert, wie großartig sie alles eingerichtet hat. Sie utünMt . es so und so wird es auch ausgesührt. Und dieses fori- ! währende Aufstacheln, daß ich «in Bild wollen soll, das meinen > Ruhm in alle Lande trägt, das alles überflügelt! Dieser i Gedanke verzehrt sie fast; sie ist ehrgeizig bis zum Wahnwrtz. ! Und daß ich sie.darin enttäuscht, kann sie mir nicht vergeben. Ich kenne die Grenzen, die meinem Können gezogen sind." Es war das erste Mal, daß er sich in dieser Weis« aus sprach, und Rüdiger ließ ihn gewähren; er sagte nichts dazu. Für Ottokar war es eine Wohltat, sich das vom Herzen zu reden, was ihn seit vielen Jahren quälte. „stnd das Schlimmste, Rilliger, ich habe keine Au-dauer, ich mutz es mir selbst eingestehen — keine Energie. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren! Da sieh, die vielen Ent- f würfe! Und nichts ist darunter, was mich befriedigt, 'mich mlt schöpferischer Begeisterung erfüllt — nach kurzer Arbeit bleibt alles liegen." Mit einer fast verzweifelten Gebärde fuhr er sich durch das Haar. Er sprach mit ungewohnter Erregung. „Da, sieh das und dieses —" An den Wänden lehnten Entwürfe, alle zeigten als Hauptfigur Lella.: In den verschiedensten Stellungen und Kleidungen, mehr oder weniger ausgesührt. Der Legations rat schüttelte nur den Kopf. Er hob das Tuch von einem sich auf der Staffelei be findlichen Bildnis. „Was soll das werden?" Es war ein fast vollendetes Bild, eine Klosterzelle dar stellend; ein junger Mönch mit hageren fanatischen Zügen kniete auf dem lahen Steinboden, pretzte einen Todeyschädel an seine Brust und starrte mit leidenschaftlich glühenden an seine Brust und starrte mit leidenschaftlich glühenden, verzückten Augen nach einer nur erst angedeuten Frauen-- gestalt, die den dämmerigen, -dürftigen Raum mit lichtem Glanz zu erfüllen schien. - - . „Ach, nichts — wieder nichts. Latz das!" sagte Ottokar errötend. „Der Vorwurf ist so oft schon dagewesen — ich habe mal wieder, wie üblich, daneben gehauen! — Ich fühle es — ich bin fertig!" Mit einem trostlosen, verzweifelten Ausdruck starrte er auf die Mätzig grotze Leinwand. „Vision" oder „Verklärung" wollte ich es nennen, fand aber für die himmlische Erscheinung nicht das richtige Mo dell. Lella bot sich zwar an — aber ihre Schönheit konnte ich hierfür nW gebrauchen. Ihr fehlt im Ausdruck bas Ueberirdische, Verklärte." „Dann findest du vielleicht ein anderes Modell; denn ich teile deine Ansicht, daß Lella sich dazu nicht eignet! — Das Bild ist gut gemacht; es wäre schade, wenn du auf.die Voll endung verzichten wolltest." ' . ,-,Jch wüßte woHl jemanden," bemerkte Ottokar zögernd, aber diesen Gedanken durfte ich nur einmal laut werden lassen — Fräulein Berger, die Erzieherin unserer Kinder." „Ah, sie will nicht?" „Sie weiß gar nichts von diesem Wunsch. — Lella will es nicht! Sie duldet neben sich kein anderes weibliches Mo dell. Sie will nur ihre eigene Schönheit von mir verewigt sehen. Das hast du ja bereits an all diesen Tafeln beob achten können." Rüdiger nickte. „Ja, die junge Lehrerin ihrer Kinder ist' sehr schön, und ich begreife dein Verlangen, sie zu malen. Ein so wunder volles Gesicht täglich zu sehen, ist wie ein Geschenk." „Mir kommt sie so vertraut vor, als Hätte ich sie schon einmal gesehen — eine Ähnlichkeit mit jemandem" — be merkte Ottokar unsicher und blickt« dabei den Bruder ängst lich forschend an. „Auch mir geht es so," versetzte Rüdiger, „ich habe sogar darüber schon nachgesonnen." Er brach ab, denn die. von der man eben sprach, kam herein, um den Kaffee anzubisten. Interessiert betrachtete Rüdiger die hohe, schlanke Er scheinung des Mädchens. Er stand mit dem Rücken gegen das breite Fenster. Der Lichtschein des trüben Dezembertages fiel voll auf ihr Gesicht, während sie die Tasse von dem silbernen Tablett nahm, welches der Diener trug, und ihm reichte. Unter seinem forschenden Blick errötete sie und schlug di« Augen nieder, so daß die langen, seidigen Wimpern auf d«n Wanger, lagen. Wie ist sie schön! dachte er wieder, und dann, aus «ine« unbestimmten Gefühl heraus: Schade! Schade! Umständlich bediente er sich mit Rahm und Zucker. Der Diener verließ auf einen Wink Ottokars den Raum. „Fräulein Lore sehen Sie mal, was ich gekonnt habe!" rief Cäcilie jetzt aus' ihrer Ecke heraus, in der sie still und emsig gezeichnet hatte. Lore kniete sich neben sie und betrachtet« das Kunstwerk des Kindes. „Sissi, die Bäume und das Haus hast du ja großartig getroffen!" sagte sie halblaut, „du kannst ja alles besser, als ich!" . Ossi kam jetzt herbeigelaufen und schmiegt« sich an Lore; es schien, als ser er Neidisch auf die Zärtlichkeit, die der Schwester galt. Die beiden Herren betrachteten die liebliche Gruppe. Heiß und schmerzlich stieg es in Ottokar auf — dieses ! Mädchen — und seine Kinder — —! Doch er woll^ ! nicht denken; nicht forschen —- da waren Linien in Lora ' i Bergers Gesicht, die ihm so bekannt, so vertraut vor- kamen . . . Als Ossi jetzt sein Gesicht an Loris Wang« s lehnte, da sah er eine Ähnlichkeit der Züge, die ihn beinahe ! verwirrt. - . Warum mußte gerade dieses Mädchen in, sein Haus kom- ! men, das durch ihr Aussehen die Vergangenheit wieder heraufbeschwor? Reue erfüllte ihn, fast Selbstverachtung, ' daß e? -sich damals so feige, so unmännlich gezeigt. Und warum? Nicht aus Familienrücksichten, wie er sich in jener Zeit selbst- vorgeredet hatte — nein, nur aus Schwäche, aus verblendeter Leidenschaft für «in Weib, das sich des Opfers gar Nicht wert gezeigt hatte! — Daß er in der Ehe mtz Lella Flotmann, um die er kaltlächelnd das Hlüä eines reichen Frauenherzens zertreten, mit sich selbst zerfallen und unglücklich geworden war, — das war nun di« Straff die gerechte Strafe für seine grenzenlose Erbärmlichkeit! Lella war oberflächlich und egoistisch; er fühlte es schmerz lich, nachdem der Rausch der ersten Jahre geschwunden war. Sie besaß kein Zartgefühl; täglich gab sie ihm zu verstehen, daß er nichts ohne sie sei. Lella trieb ihn an, 'zu ar beiten, seinen Ruhm von neuem zu befestigen — sie wollt« doch die Frau eines berühmten Künstlers sein! Aber ihr« Art hinderte ihn in jeder Weise, nahm ihm alle Stimmung. Und folgt« er ihren Wünschen, ihren Vorschriften nicht, gab es Szenen ... Leise war in den letzten Jahren die Sehnsucht nach sei nem früheren, ärmlichen Heim aufgetaucht? Wie war er selbst da reich gewesen — voller Hoffnungen und Pläne! Und die Sehnsucht nach Maria Wirlberger, der einfachen Eastwirtstochter, war wieder da, iwgte an ihm, ließ sich nicht verscheuchen. Sie war die Sonne seiner Jugend gewesen — jetzt war alles öde und tot. Und ihre und stine Kinder! Ost beschäftigten sich seine Gedanken mit ihnen. Was mochte aus ihnen geworden sein? Sicher brave und ordentliche Menschen — ihrer Mutter wür dig. Doch nähere Nachforschungen anzustellen, das war ihm unmöglich. Eine geheim« Scheu hielt ihn davon ab. Nein, lieber nichts wissen. — Feige verschloß er sich vor einer vrel- leicht bösen Gewißheit. Er sah Erich, seinen Sohn, vor sich, den halberwachsenen Knaben, der so stolz alle-, was vom Vater kam, verschmähte, so steu zur Mutter Helt! Reim solcher Mensch ging nicht unter — der hatte sich einen Platz im Leben erobert! Ganz sicher! Wozu also so spät noch Unruhe in ein vielleicht fest gefügtes Leben bringen? Damit tröstete und beruhigte "er sich. Und er chatte ja noch drei Kinder, die Lella ihm geschenkt — zwei Töa. er und seinen herzigen Buben — seinen Erben! Und « ließ es weitergehen, wie es ging, müde und aufgerieben von all den heimlichen Kämpfen. Unwillkürlich suchte er jetzt mehr Anschluß an den Bru der, dessen küh e Sicherheit ihm einen gewissen Halt gab. Doch wurde weder fetzt noch später die Vergangenheit zwischen ihnen erwähnt. Die war tot. Nur nicht für Lella. Si« warf ihn in den häufigen Szenen sein flacheres Leben vor — die schonte ihren Mann nicht. Ach, Segen, Glück, Frieden hatte die Verbindung mit Lella Flotmann dem nervösen Künstler nicht gebracht. Gleich gültig gingen die beiden nebeneinander her, schon seit Jahren. .(Fortsetzung folgt.)