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— 454 — ,1, „Ich bin der Frau Gräfin , sehr, sehr dankbar dafür." Lores Augen strahlten, und aus ihrer Stimme klang eine nur mühsam gebändigte Freud«. „Ah, Sie freuen sich darauf?" fragte Graf Ottokar.. „Ja, es ist die erste Wagner-Oper, die ich hören darf!" Gräfin Lella verzog spöttisch den Mund, solche Begei sterung erschien ihr naiv, kindisch. „Kannst du uns vielleicht für heut« abend einen recht annehmbaren Vorschlag machen, Rüdiger? Zu Hause bleibe ich auf keinen Fall! — Ich muh gestehen, dah ich ins „Deutsche Theater" möchte: das Programm ist vielverspre chend, auch treffen wir bestimmt Sannows dort. Der Baron sagte es mir gestern. Und nachher bei ,-^Schleich" — möchtest du telephonieren, Ottokar?" Eine verdrießliche Falt« erschien zwischen dessen Augen. „Dein Programm gefällt mir nicht, Lella." „Willst du mich ganz einsperren, Ottokar?" versetzt« sie gereizt, „in Lengefeld habe ich gar nichts gehabt, und Hier geht es mir beinahe ebenso. Also, bitte, setze dich mit San nows in Verbindung — ich wünsche es! Wenn du nicht mit kommst, gehe ich allein." Ottokar gab, innerlich seufzend, nach. Rüdiger lächelte ein kleines,spöttisches Lächeln. Lella erhob sich. Die Herren folgten ihrem Beispiel. „Ich möchte jetzt etwas ruhen. Fräulein Berger, .lassen Sie den Kaffee servieren. Ich verzichte, da ich etwas an gegriffen bin." Sie winkte leicht mit der Hand. „Also adieu! Bis nachher." * Die Herren kühlen ihr die Hand. „Wünscht der Herr Graf den Kaffee gleich?" fragte Also gut! Worauf, Kleines?" Fräulein Lor«," rief sie über den Tisch, „helfen Sie Onkel Rüdiger soll doch verlieren!" Sei doch nicht so laut und aufgeregt, Sissi!" schalt n Lella, und hielt ihre kleinen Hände vor die Ohren, ,chemühe doch Fräulein Berger nicht darum. Du wirst selbst schon etwas find«»." Cäcilie wurde rot über den Tadel. Kleinlaut sagte» sie dann: ' - „Vor dem Abendbrot müssen wir, ehe wir Platz nehmen, Mns die Hand reichen und sagen: „Ich denke daran" und wer «rs hergibt, hat verloren." .„Sehr geistreich, in der Tat," spöttelte Thekla, die wir «rne kleine Dame in koketter Haltung dasah und mit spitzen Fingern ein Stück Konfekt aus der Staniolumhüllung „Weiht du etwas Besseres? Dann sage es mtr." Thekla, zuckte die Achseln, „Ich hab' ja kein Vielliebchen mit Onkel Rüdiger ge gessen!" „Kleine Sissi, .das ist sehr fein und schlau ausgedacht, und ich werde sicher verlieren," meinte Rüdiger. „Aber nicht absichtlich,» Onkel! Sonst macht es mir keinen Spatz." „Haben wir eigentlich die Absicht, heute den ganzen Tag zu Hause zu bleiben?" fragte Gräfin Lella, dabei ein leichtes Gähnen unterdrückend. Diese Sonntagsmahlzeiten nur im Familienkreise waren ihr unsagbar langweilig. Ungeduldig- klappten ihre Führ, die m weitausgeschnittenen Lackschuhen steckten, ' den Fust- boden. Ein übellauniger Zug entstellte ihr hübsches, pikantes Gesicht. Sie. nnHt« Menschen um sich haben, Gäste, die ihr huldigten, sie bewunderten. „Du weitzt, Lella, datz ich am Sonntag gern mit den Kindern zusammen bin — ich habe sie selten genug!" ent gegnete Ottokar, „wie denkst du, Rüdiger? Du bist doch Sonntags ebenfalls gern b«i uns rn der Familie, nicht wahr?" Der Legationsrat überhörte die leise Bitte in der Stimme d«s Bruders. „Ich möchte ^urch meine Aniqesenheit euch durchaus nicht in euren Plänen stören! Da ich euer Haus auch als das meine betrachte» soll, wie ihr das in liebenswürdiger Weise gewünscht habt, nehmt bitte, auf mich .keine Rücksicht! — Vielleicht hat Lella besondere Wünsche .für heut« abend? Geht ihr nicht in die Oper?" „Eigentlich wollten wir. Doch „Die Meistersinger" sind mir zu anstrengend. Auch habe ich Fräulein Berger für heut' abend meinen Platz überlassen." ein« Importe an. Das Atelier war prunkvoll mit echten Teppichen Ke lims, alten Waffen, Bronzen misgestattet, durch das breite Fenster schweifte her Blick über den englischen Garten hin. „Gut hast du es hier!" sagte der Legattonsrat. Sein Bruder stand neben ihm und beide sahen belustigt zu, wie sich Thekla und Ossi auf dem grotzen, weichen Teppich zu ihren Fützen balgten. „Hier können sich die Kinder wenigstens austoben! Lella liebt das gar nicht ick der Wohnung. Lengefeld fehlt ihnen." „Für Ossi gibt es gar nichts Gesünderes! Der Bub' mutz ein ordentlicher Bub' werden, muh mit andern Kindern spielen! Ihr wickelt ihn ja förmlich in Watte, das ist nichts." ,gedenke, Rüdiger, wie zart er ist. Wir müssen ihn sorgfältig behandeln." „Aber trotzdem nicht verweichlichen! Ihr tut dem Kinde damit wirklich keinen Gefallen. Immer mutz er im Zimmer bleiben — Lella entzieht ihm ja ganz die frische Luft! Wie soll das später werden? Sieh, wie ihm das Herumtoben mit Titi gefällt!" Der Knabe jauchzte, seine Bäckchen glühten, die langen, blonden Locken wehten ihm um oas erhitzte Gesicht. Er klammerte sich jetzt an Rüdigers Knie; der nahm ihn hoch und lieh ihn darauf reiten. „Na, Bubi, was willst du mal werden?" „Soldat, Reiter!" rief er und legte seine Arme um des Onkels Hals. Rüdiger wurde das Herz warm und weHt, er kühte den frischen Kindermund, der liebkosend «n feiner Wange lag. „Ich hätte nicht gedacht, Rüdiger, dah du solch' ein Kinderfreund sein könntest," sagte Ottokar. „Warum heiratest du eigentlich nicht? In deinem Alter wird es Zeit." Der Legationsrat streifte die Asche von feiner Zigarre. Ja, warum —? Ich habe wohl schon daran gedacht — mehr als einmal. Aber ich habe die eine noch nicht gefunden, die ich suche." „Stellst du so hohe Ansprüche?" „Vielleicht. Ich weih es selbst nicht. Nur — ich möchte mir meine Freiheit und Selbständigkeit bewahren." Auf Ottokars Gesicht erschien ein gequältes Lächeln. „Ah, du wirst anzüglich, mein Freund." „Pardon! Ich habe ganz ohne Absicht gesprochen. Aber da du diese Frage selbst anschneidest, — ich muh mich aller dings wundern, wie sehr du dich von Lella beherrschen lassest und ihr in allem nachgibst." „Hast du einmal Bellas Nervenanfäll« erlebt? Nein? Nun, dann würdest du anders redend Ich will meine Ruh«, meinen Frieden haben — mein künstlerisches Schaffen leidet darunter." Lange sah Rüdiger den Bruder an. „Solche Nervenanfäll« würde ich niemals meiner Frau gestatten oder ich würde sie ihr bald abgewöhn«»! Du bist Lella gegenüber ein Schwächling, Ottokar." „Rüdjger!" fuhr der auf, er war dunkelrot geworden. „Ja, ja, verzeihe, dah ich es vergah — ich genieste eure Gastfreundschaft. Glaubst du aber, ich habe nicht bemerkt, wie nervös du geworden bist? Es ist zum Erschrecken. Wenn einer von euch nervös ist, so bist du «sl Lella ist nur launen haft und weist nicht, was sie will. Gib acht, wie glänzend sie heute abend in Stimmung sein wird! — Du mütztest die Kandare straffer halten " „Damit ich zu hören bekomme, dah es ihr Geld ist, von dem wir hauptsächlich leben! Du hast dich ja selbst ge- > „Bitte, in einer halben Stunde und im Atelier," ent gegnete er freundlich, und dann zu den Mädchen gewandt: ! „Kommt Kinder!" , . . Rüdiger schwenkte Ossi durch die Luft und nahm ihn dann auf den Arm, während die beiden Mädchen ihren Vater unterfatzten. Für di« »sinder war es das gröhte j Vergnügen, wenn ihnen erlaubt wurde, im Atelier zu spielen. Für Cäcilie gab es «in stilles Eckchen, in 'dem sie emsig ° nach den Vorlagen zeichnete, die ihr der Vater gab. Sie hatte dafür ein großes Talent, das er liebevoll förderte. - Darüber vergast sie ihre Gebrechlichkeit, die ihr sonst doch ! manche Träne erpreßte. Was ihr an Mutterliebe abging, suchten ihr Vater und dessen Bruder durch verdoppelte Zärt lichkeit zu ersetzen. An beiden hing sie auch mit schwärmeri scher Innigkeit. ! Rüdiger hatte sich in einen der weiten, bequemen Sessel gedrückt, schlug ein Bein übe rdas andere und brannte, sich