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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 23.11.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-191811230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19181123
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19181123
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-11
- Tag 1918-11-23
-
Monat
1918-11
-
Jahr
1918
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W Man bekundet kein« Lust, sich von einer Reichsleitung, di« kein« Zentralregierung, sondern nur-das ausführende Organ einer terroristischen Gruppe bedeuten würde und kein Recht besitzt, sich die Macht über Deutschland anzumaß«», um die Hoff nung auf die Wiederkehr des Friedens und einer Zeit de» Wiederaufsteigens bringen zu lassen. In diesem Smne ethebt sich in der Presse immer lauter der Rus: Los »c« Berlin! Die .Münchner Neuesten Nachrichten" schreiben: Es mutz reiner Tisch gemacht werden in Berlin oder mit Merlin. Ls ist «m« würdig« Aufgabe Hr die Regierung des freien Volks- staates Bayern, durch fine unzweideutige Kundgebung di« Berliner Machthaber wissen zu lassen, datz man im Süden j des Reiches nicht gewillt ist, durch die Spielereien der Berliner Ertremisten das Schicksal des ganzen Volkes aufs Spiel setzen zu lassen. Da» FeKchcer für die Nationalversammlung r Berk», 21. 11. Bei der Reichsregierung laufen von allen Teilen des Heeres Stötze von Telegrammen ein, di« den schärfsten Einspruch dagegen erheben, datz der Berliner Ar beiter- und Soldatenrat sich anmatzt, für das gesamt« Reich zu sprechen, ohne datz die heimkehrenden Truppen gefragt werden. Aus der Fü.l« der Depeschen sek nur das folgende Telegramm des Soldatenrates Lüttich an Ebert herausge- griffen: „Der Soldatenrat Lüttich stellt sich rückhaltlos hinter die von Ihnen vertretene Regierung und ihr Programm. Er wird jeden Versuch einer Minderheit, die Regierungsgewalt an sich zu reißen, mit schärfsten Mitteln «ntgegentretrn. Die zukünftige Staatsform kann nur auf Grund des allgemeinen Wahlrechtes, nicht über den Kopf des Volkes und der henn- kehr«nden Truppen hinweg durch Delegationen willkürlicher Minderheiten festgesetzt werden. Der Soldatenrat ist der Ansicht, datz die Volksngierung hierin aus die erdrückend« Mehrheit der Armee rechnen kann, und fordert sie auf, sich nötigenfalls in den .Schutz des Heeres zu stell«». Die Kil-r Räte für d« Ausschaltung de« Bürgertum« r Kiel, 21. 11. Di« Kieler Arbeiter- und Soldatenrät« faßten gestern folgende grundlegenden Beschlüsse: 1. Di« politische Macht ruht in den Händen der Arbeiter- inkd Soldatenrät«, bis die Frücht« der Revolution tzesicherl sind. 2. Alle Banken, Grotzindustrien und der grotzagrarksche Grundbesitz werden als Nationaleigentum erklärt. 3. Es ist Fürsorge zu treffens datz alle Regierungsmatz nahmen nur auf die Sozialisierung hinarbeiten, und zwar im Einvernehmen mit den Arbeiter- und Soldatenräten, und datz hierbei dir Bourgeoisie ausgeschaltet wird. Die Resolution wurde einstimmig angenommen; auch von den Arbeiter- und Soldatenrät«», die zu gleichen Teilen aus Scheidemann- und Haase-Gruppen zusammenaefaßt sind und unter drnen sich auch Gewerkschaftsführer befinden. Der Königsberg« A^ und S.-Rat -ege» dir Svartakurleutr r Der Königsberger Soldatenrat veröffentlicht, wie die Z." meldet, einen Aufruf, in dem er hervorhebt: Nicht die Macht soll herrschen über uns, am allerwenigen die einer politischen Minderet, sondern das Recht. Laßt euch eure gute Gesinnung nicht untergraben von diesen politischen Maul würfen, die an den Wurzeln des jungen deutschen Staates nagen. Macht sie unschädlich, indem ihr sie mit Verachtung straft und sie öffentlich an den Pranger stellt. Es handelt sich in der Hauptsache Um Anarchisten, die sogen, deutschen Bolschewisten. Was Bolschewismus bedeutet, das seht ihr an euren armen Brüdern in Rußland. Gratz« Aufrsg»^ in Hamburg r Hambmg, 22. 11. Gestern abend herrschte glotze Aufregung in Hamburg. Di« Stratzen nach dem-Stadthaus sind gesperrt und verdunkelt. Am Stadthaus trafen zahl reiche Automobile mit Maschinengewehren und Munition ein. Gs verlautet, datz eine stark« bewaffnete Macht du Regierung stürzen will, um den gemäßigten Elementen zur Herrschaft zu verhelfe». t Ei« naltonalli berat« Aufruf r Im Name» des Zentralvorstandes der nationalliberalen Partei wende» sich die Herren Friedberg, Stresemann und Bogel all ihr« Parteigenossen und darüber hinaus an die breite Orffent.ichkeit. Sie betonen im Eingänge ihres Auf rufes, datz der Wunsch nach Verschmelzung der beiden liberalen ' Gruppen rollte Kreise umsatzt hatte und datz darum dem vrmäuäoir Mkcteu Kideltgebem mW geMMed-f««» Amtlich wird aus Berlin gemeldet: Die grotzen Arbeitgeberverbände vereinbaren mit den Gewerkschaften der Arbeitnehmer das Folgende: 1. Die Gewerkschaften werden als berufene Vertretung der Arbeiterschaft anerkannt. f-liMcbe kacbncbte» An da« SanitStsoerfonal Berst», 20. 11. (Amtlich.) Äon verschiedenen Seiten wird mitgeteilt, datz Angehörige des Pflege-, Warte- und Sanitätspersonals in den Lazaretten ihr« Tätigkeit und ihren Posten verlasfen haben. Lazarettzüge haben sich geweigert, in di« Etappe auszufahren, und sind nach ihrer Heimat gerollt. Andere haben die Ausfahrt von der Genehmigung de, zu ständigen Soldatenrates abhängig gemacht. Es liegt auf der Hand, datz durch «in derartige, Verhalten di« Versorgung 2. Tine Beschränkung der Koalitionsfreiheft d«r.Arbeiter und Arbeiterinnen ist unzulässig. 3. Die Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände werden die Werkvereine (die sogen. wl'rHHaftllchen Verein«) fortab voll kommen sich selbst überlassen und sie weder mlttelbgr noch unmittelbar unterstützen. 4. Sämtliche aus dem Heeresdienst« zurückkehr«nden Ar beitnehmer haben Anspruch darauf, in die Arbeitsstelle sofort nach Meldung wieder «inzutreten, die sie vor dem Kriege innehatten. Di« beteiligten Arbeitgeber- und Arb«itn<hm«r- verbänd« werden dahin wirken, datz durch Beschaffung von Rohstoff«« und Arbeitsaufträgen di«s« Verpflichtung m vol lem Umfange durchgeführt werdest kann. 5. Gemeinsame Regelung und paritätische Verwaltung des Arbeitsnachweises. 6. Dre Arbeitsbedingungen für all« Arbeiter und Arbeite rinnen sind entsprechend den Verhältnissen des betreffenden Gewerbes durch Ko.lektivvereinbarungen mit den Berufsver einigungen der Arbeitnehmer festzusetzen. Die Verhandlungen hierüber sind ohne Verzug aufzunehmen und schleunigst zum Abschluß zu bringen. 7. Für jeden Betrieb mit einer Arbeiterschaft von min destens 50 Beschäftigten ist «in Ärbeiterausschuß einzusehen, der diese zu vertreten und in Gemeinschaft mit dem Betriebs unternehmer darüber zu wache» hat, -atz die Verhältnisse des Betriebes nach Maßgabe der KollektivverernLarungen ge regelt werden. 8. In den Kollektivvereinbarungen sind Schlichtungs- ausschüss«, resp. Einigungsämter vorzusehen, bestehend aus der g eichen Anzahl von Arbeitnehmer- und Arbeitgeber vertretern. 9. Das Höchstmatz der täglichen regelmätzigen Arbeitszeit wird für all« Betriebe auf 8 Stunden festgesetzt. Verdienst schmälerungen aus Anlaß dieses Verkürzung der Arbeitszeit dürfen nicht stattfinden. 10. Zur Durchführung dieser Vereinbarungen, sowie zur Regelung der zur Demobilisierung, zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens und zur Sicherung der Eristtnzmögltch- keit der Arbeitnehmerschaft, insbesondere der schwer Kriegs beschädigten, zu treffenden weiteren Maßnahmen wird von den beteiigten Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Organisationen «m "Zentralausschuß auf paritätischer Grundlag« mit beruflich gegliedertem Unterbau errichtet. 11. Dem Zentralausschuß obliegt 'ferner di« Entscheidung grundsätzlicher Fragen, soweit sich solche namentlich bei der kollektiven Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse er geben, sowie die Schlichtung von Streitigkeiten, di« m«hr«r« Berufsgruppen zugleich betreffen. Seine Entscheidungen haben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindliche Geltung, wenn sie nicht innerhalb einer Woche von «inem der inLrag« kom menden beiderseitige» BeriMperbände angefochten werden. 12. Dies« Vereinbarungen treten am Tage der Unterzeich nung rn Kraft und gelten vorbehaltlich anderweiter gesetz licher Regelung bis auf weiteres mit einer gegenseitigen drei monatigen Kündigung. , Dies« Vereinbarung soll sinngemäß auch für das Ver hältnis zwischen d«n Arbeitgeberverbänden u»d den Ange- stellt«nverbänd«n gelten. Diesen Vertrag veröffentlichen wir mit dem Ersuchen an die Leiter der Reichsbetrieb«, sein, Bestimmungen in den von ihnen g«leit«ten Betrieben zu beachten. Den Leitern der Landes- und kommunalen Betriebe wird das gleiche emp fohlen. Berlin, den 15. November 1918. Der Rat der Bolksbeauftragten. Ebert. Haase. Zentraloorstand, der eigentlich am 17. November Latte zu sammentreten sollen, auch schon «in Antrag der nattanal liberalen Reichstagssraktion vorliege. Dann heißt e» w«it«r: „Die Auffassung der Fortschrittlichen Volksoartei, daß di« Vereinigung sich auch auf die neu« demokratische Partei be ziehen müll«, könnt«» wir nicht teilen, da die Forderungen dieser Partei sich nach unserer Auffassung mit der Ueberzeu- gung unserer Wählerschaft nicht deckten. Das stellt dre natkona.'liberal« Partei vor ^ie Aufgabe, selbständig zu blei- ben und auch selbständig rn «inen eventuellen Wahlkampf «inzutreten." Ler Rnf »ach einer sächsischen v»lk«»ertret»»g r Der Landesvoiftond der soztaldewotralistden Partei Sachsen» erlässt einen Aufruf an sie Parteigenossen, -gr- nossinnen, Soldaten und Arbeiter und verlanat darin u. a. di« Einberufung einer sächsischen Nationalversammlung. Er er. klärt: -In politischer Brziehuna ist unser Ziel die demokratisch» Republik. Wir oertreten die Einberufung einer konltituierendep V-sammlung, die, hervorgrgangen au« dem demokratischen Wahlrecht, allein brruien ist der R publik im Namen de» Volke« ibre innere Form ,u geben. Al« demokra' iche Soria- lüen lehnen wir mit aller Entschieden hei» die Diktatur einer Minderheit ab. Gleiche« Recht für alle Staatsbürger war immer ms« Ziel, und an dem vrk-nntn», zu ehrlicher Demokratie konnte n"ck» di» Revolution nickst» Andern.* k Wie», 21. 11. Im Festsaal des Kriegsministerkums fand gestern in feierlicher Weise die Ernennung der ersten Offizrere der deutsch-österreichischen Volkswehr statt. Di« zwölf ernannten Volkswehrleutnants entstamm«» durchweg dem Mannschaftsstande. Nr trge l» Nklma Dor dem Sturz der Bolschewik? ru Zuverlässig« Nachrichten von der Sowjet-Regierung melden, datz das Kriegsschiff „Aurora" in der Newa-Mündung stets unter Dampf gehalten wird. 14 Kommissar« beab sichtigen im Falle der Gefahr mit dänischen Pässen nach Kopenhagen abzureisen, falls dort «ine Landung unmöglich sein sollte, wird die Weiterreise nach Brasilien geplant. Eine Begründung erfährt die Meldung dadurch, datz viel« Führer der russisch«» Bolschewik ihre Familien und ihr Vermögen schon bei den sozialrevolutionären Putschen im Juli in das Ausland, besonders in die Schweiz, geschickt haben. Abbruch der Beziehungen zwisch.-n Deutschland und Rußland ru Die deutsche Regierung hat gegen das Auftreten der Russen d«n deutschen Konsulatsbeamten gegenüber in Moskau «inen scharfe» Protest erhoben. Das Verhalten der Sowfir- regierung ist um so unverständlicher, als die neue deutsche Regierung von ihr ausdrücklich anerkannt ist. Noch vor wenigen Tagen hat Tschitscherin Telegramme nach Ber.in ge schickt, worin er der neu«» deutschen Regierung namens der russischen Sowjets den Brudergrutz entbietet. Außerdem war der russischen Regierung ebenso wie allen anderen neutralen Regierungen amt.ich nntgeteilt, daß dre bisherigen Vertretun gen Deutschlands als Organe der neuen Regierung vorderhand weiter funktionieren würden. Das Auftreten der Russen hat jetzt dazu geführt, datz die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland als abgebrochen zu betrachten sind. Neue BLultatM in Rußland ru Aus Moskau wird der „Kraßnaja Gazeta" gem«ld«t, daß die ehemaligen Mitglieder des russischen Reichsrat«s Senator Neidhardt sowie der Bischof Lawrentz in Moskau erschossen worden sind. „Uusi Suometar" erfährt aus Petersburg, datz dl« Bolschewik! in diesen Tagen «inen Massenmord ehemaliger russischer Offizier« veranstaltet haben. Als Henker waren Chinesen gedungen, denen 50 Rubel für jeden Mord bezahlt wurden. § Im Wafferwinkel , , Ein Dorftoman von P. Redlich (Stachdruck verbot«».) 2. Herr Anton F«st«gang traf die Familie Mochan beim Abendbrot. Sie saßen am ungedeckten rotgestrichenen Tisch« hinter einer Schüssel „Ganzen" (Pellkartoffeln) und einer anderen Schüssel voll einer sonderbaren weihgelben Masse, die er nicht kannte und mit Mißtrauen beäugelte. Es war der beliebte, mit frischem Leinöl angerührte Quark. Sonst war außer «in paar irdenen Tellern auf dem Tische nichts zu entdecken. Herr Festegang ritz die Augen auf. Er war bisher stets in Städten gewesen. Bei einem ländlichen Abendbrot hatte ihm so etwas vorgeschwebt wie Spiegeleier mit Speck, Riesenschinken, meterlang« Schlackwürste und goldgelbe Butter nebst fettem Käse. - Und überhaupt — na, das war doch alles sonderbar. Schon allein dieser merkwürdig« Geruch hier: ein bißchen nach Hering, ein bißchen nach Haaröl, nach dem Kuhstall, nach Rauch, nach muffigen Kleidern, nach Schmiersnefeln, nach Sauerkraut. Nein, die Mischung war geradezu raffiniert. Und wir sah denn das hier aus? War das wohl ein Zimmer für «in« der reichsten Fami.ien des Dorfes? Rohgezimmert« Bettstüh«, wackelige Tisch«, an der Wand ein ratgestrichenes Spind, zwischen den Fenstern als Glanzpunkt «ine Nutz- baümkommode mit «in paar Goldrandtassen daraus, zwischen denen «in paar vergessene Kämm« lagen! Sonderbar auch, datz die Leutchen, di« dort am Tische saßen, sick so gar nicht stören ließ«» und mit gleichgültigen Mienen ruhig weitertafel ten. Kaum, datz sie auf sein verbindliches: „Schönen guten Abend wünsch' ich" «in verdrossenes „Schön Dank auch" sanden. Wasser-Mochan, der kn Hemdsärmeln und Holzpantof feln war, hatte ein nicht unschönes, regelmätzig geschnittenes rotbraunes Gesicht und dichtlock:ges «isengraues Haar. Aber es war fast steinern in der hart«» Unbeweglichkeit der Züge. Hochmut und Selbstgerechtigkeit hatten feste Limen um di« Mundwinkel gegraben. Die Hausfrau hatte ein wohlerhaltcnes rundes Gesicht chen mit verkniffenen ängstlichen Zügen, so wie sie wohl die langjährig« tägliche Sorg«, datz im Haushalt zuviel ver braucht werLen könnt«, gemodelt haben konnte. Nun, eben kein« besonders anzkhend« Persönlichkeit. Aber da war die Haustochter, die Olga: dr« neben dem Knechte, «inem halbwüchsdM Jungen. saß. Sv war es» Jahr , bei „"Pfarrsch" in Stellung gewesen wegen des feimren Schliffs Und hatte sich «ine gewisse einnehmende Freundlichkeit und ! Höflichkeit angeeignet, die sie besonders bei der männlich«» Jugend Lagkwi«ses sehr beliebt machten. Mit gutmütigem Lächeln auf dem «twas breiten Gesicht stand sie jetzt auf und stellte Herrn Festegang einen Stuhl hm. i „Ich wollte mir erlauben, mich den Herrschaften als Nachbar vorzustellen," sagte er mit einer eleganten Verbeu gung. „Ich habe mich hier etabliert, wie Sie wissen werden." Wasser-Mochan antwortete mit keinem Blick und mit keinem Wort. Der «iskatte Ausdruck seines Gesichtes schien anzudeuten, daß er ein so läppisches Unterfangen, wie Herrn Festegangs Etablierung, überhaupt keiner Bemerkung wert hielt. Olga wurde rot. Sie hatte das Gefühl, datz jetzt «twas Höfliches gesagt werden müsse, und meinte freundlich: „Sie sollen so schöne Bücklinge haben." Der Knecht kicherte und erwürgte seinen Heiterkeitsaus bruch mit einer Kartoffel, die er in ihrer ganzen Größe auf dis Gabel spießte und in den Mund schob. „Ich werde mir erlauben," sagt« Ant an Feftegang erfreut, „Ihnen morgen zur Probe «knig« zu senden, natürlich gratis, nur M Probe." Frau Mochans Gesicht wurde so ängstlich, als sähe ft« bereits die Bück ing« in langen Reihen anmarschiert kommen und nach ihrem Geldbeutel schnappen. „Nee," sagte sie, „nee, so was kaufen wir nicht." „Vielleicht, verehrte Frau Mochan, weil Ihnen bisher noch nichts wirklich Feines und Gutes geboten worden ist." Jetzt nahm der Hausherr langsam und gewichtig das Wort: „Das Beste ist immer nur das, was man selbst hat. Das kann man essen, da haben kein« Ratten «»geknabbert." Es entstand «ine kl«,»« Paus«. Herr Festegang sah diesem unhöflichen Manne verwundert ins Gesicht. Wie unan genehm sah doch dieser Wasser-Mochan aus! Wie der Pha- r^äer in der Bilderbibel. Und- so unverschämt hochmütig, gerade als ser er, der uxitumhrrgekommen« und gebildete An ton Aestegang, «in Trottel und Fastnachtsnarr. Nein, «s war schon am besten, diese bornierten Leut« sich selbst und ihrem Kartoffilfutter zu überlassen. So erhob er sich würdevoll, verbeugt« sich nach der Richtung, wo Olga saß, und ging hlnaus, erhobenen Hauptes und wippenden Ganges. Er Mittelte den Staub von seinen Füßen. Nein, das waren ja ganz unmöglich« Leute. Gan- un glaublich schien man hier in der Kultur zurück zu sein. Der Gedanke, durch volkstümliche Vorträge «tfklärend zn wirken, p«St« ihn mehr und mehr. Es war ihm, als er an dem Schaufenster seines Kernen Ladens vorbeiging und sein Auge an dem kunstvollen Ausbau der Konserven erfreute, als husche drinnen hinter der Theke ein Schatten. Aber das mußte natürlich «in Irrtum sein; er trug ja b«id« Schlüssel «um Laden m der Tasche, auch den, der von der Stube aus hmeinführte. Er ging um das Haus herum, um durch die Hintertür zunächst auf einen Keinen Flur und von da durch di« Küche in das große Zimmer zu gelangen, das ihm zugleich zum Schlafen und Wohnen dien». Nach vorn heraus lag dann noch dH geräumig« Putzstub«, zu der man auch durch den Laden kommen konnte. Eine ander« Haustür gab «s äußer der zum Laden führenden nicht. In der Stube fand er die alte Heinemann vor, die ge- schäfiig den Tisch deckt«. S« war eine Frau um di« Sechzig herum, geschmeidig noch in ihren Bewegungen und leidlich sauber angezogen. Es fiel Herrn Festegang auf, daß sie zwer knallrot« Back«» hatte und «twas aufgeregt hin und her fuhr. Km» das mußt« sie sich noch abgewöhnen, das hastige Wesen. Das mochte er nicht. .Lab' schon alles fertig!" rief sie ihm entgegen. „Ich denk', es wird Sie schmecken. Na,ja, wenn »»an sieben Jahr bei ein- und derselben Herrschaft Köchin war. »Berte, sagte die Frau Doktor immer zu mich, ,^in solches Mädchen krieg' ich niemals wieder, die so kocht und so verläßlich ist. Wenn du auf meine silbernen Löffel aufpassrn tust, da» ist besser, als sieben Schlösser." Na ja, meine Mutter sagt« immer: „Kinder, nur immer ehrlich, nur ehrlich! Wer «in Ek nimmt, stiehlt auch ein Pftrd." Bert« Heinemann hatte während dieser Reden alle» hübsch geordnet: Rührei mit Bratkartoffeln und Mettwurst. Sir zögerte Noch «kn wenig mtt d«m Hinausgehen. „Wenn ich fragen darf, Herr Festegang, Sie waren "doch wohl nicht drüben bei Wasser-Mochans? Nee, aber sowasl Die Leute passen doch gar nich für Ihnen, die sind doch sa verhungert, wissen Si«. Die knabberten ja ihr eigene» Fell ab, wenck's wieder nachwachs«» täte." , Aber Herr Festegang war nicht zu vertraulich«» Mit teilungen aufgelegt. Er hatte Hunger. 'Mit «lner seiner groß artigen Handbewegung«» schnitt er die Unttrhaltung ab und fitzt« sich, während di« Alte hinausschlüpft«. Der funkelstde Blick fuhr zuvor blitzschnell über sämtliches«-G«rät in der Stube, mit einem sonderbar gierigen Ausdruck, so etwa wie ein oaar Wolftaugen funkeln mögen, wenn «in Schaf rn lFntMng fttzt.)
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