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8 — 438 Marin, hast du imr etwas mitgebracht?" ruf das Kind und sah sie erwartungsvoll an. als ob der stille Frieden ihres bescheidenen Heims di? über reizten Nerven etwas beruhigte. Die gefällige Flurnachvann, ein ältliches Fräulein, yatt« nicht nur Lorchen in ihre Obhut genommen, sie hatte auch schon den Tisch gedeckt und für ein Abendbrot gesorgt. Das Maria lächelte trübe. „Das hab' ich vergessen, ^ori." Beinahe verlegen zog Erich zwei schmale bunte Papp kartons aus der Tasche. „Nein, Lori, da schau her." . Sie jubelt« und griff danach . Es war Schokolade aus dem Automaten am Bahnhof. Erich hatte daran gedacht und von seinem winzigen Taschengelde geopfert, um der geworden war, jetzt war der am allerwenigsten geeignete Zeitpunkt dafür. Er kannte und fürchtet« die strengen An sichten der Stiefmutter, wenn auch nie «in ungutes Wort wischen ihnen gefallen war; sie hatte eine Art, dir Stirn zu Wasser summte nn Teekessel, runzeln, den Mund zu ziehen, dah er sofort ihre Gedanken i erriet. Ihm waren überdies die Pläne, drs sie bezüglich Lellas Schwester eine Freude zu machen. Das Glas Tee, welches Fräulein Merklich ihr beinah« aufgezwungen, hatte Frau Maria gut getan, sie etwas erquickt. Als sie das Töchterchen zu Bett gebracht hatte, wollte sie noch mit ihrem Sohne sprechen. Das duldete kernen Aufschub. Sie rief ihn an ihre Seite. „Erich, du hast gehört, welche Vorschläge man mir in bezug auf euch gemacht hat. Ich habe nachgedacht darüber und bin zu der Einsicht gekommen, daß ich meine Wünsche nicht eurem Wohl entgegensetzen darf. — Sieh, ich kann mit dem wenigen, was ich habe und verdiene, euch nicht alles zu kommen lassen, was ich gern möchte! Ueberlege «s dir reiflich, mein Bub! Sag es mir —" sie wehrte ihm ab, da er sprechen wollte, „sag es nur morgm, übermorgen — nein, nicht jetzt gleich — ob es nicht doch besser sei, daß du den Vorschlag deines Großvaters annimmst." Da schrie der Knabe auf. Brazen „Nern, nein, Mutterle, wie kannst du überhaupt nur — Na, daran denken! Ich bleibe bei hir. sie haben auch genug durchzemacht. Der ältere Sohn, der ! Graf Ottokar — wissen Sie, der so lange fort war; ich kenne § ihn schon, als er so groß war, wie der junge Herr dort. Bild- ! schön war er und rntmsr vergnügt! Maler ist er geworoen; > er soll sich auch draußen verheiratet haben — was Bestimmtes j weiß man ja nicht, geredet wird immer.viel. Vor knapp zwei i Jahren kam er krank nach Hause! Ich sehe ihn noch, Gott, zum Erbarmen sah er aus. — Aber jetzt — was fit er wieder - für.«in schön«; Mann geworden. — Di« Mädels im Dorf ! werden ganz rot, wenn er sie so mit seinen blauen Augen an- ! blitzt — ach ja Sie strich an der weibgestreiften Schürze herunter uns holte tief Atem. Sie mutzte erst mal pausieren; dann nickte ! sie Erich freundlich zu, der jetzt auch die Semmel der Mutter : verzehrte, „schmeckt's, junger Herr? Ja? Das freut mich! - Immer tüchtig essen, das hält Leib und Seele zusammen. — > Was sagt' ich denn? — — Ach, Sie kennen den Grafen Ottokar? Njcht? Er ist ganz anders, als der Graf Rüdiger. Das ist ein stolzer Herr — aber ein nobler und gerechter Herr. Das mutz inan ihm lassen. — Wissen Sie, er ist der Sohn von der' zweiten Frau. — Bef der ersten — Gott - hab' sie selig — da waren andere Zetten. Immer Lachen und Fröhlichkeit im Schloß. Ich war ja dort Mamsell, bis ich meinen .Franz kennen lernte und heiratete — 'n« schön: j Aussteuer hab' ich bekommen, ja —" Mtt betäubt ließ Maria den Redeschwall der rundlichen - Frau über sich ergehen; sie war ja so müde, so grenzenlo- müde. Nachher, als es endlich so weit war, und sie im Züge 1 saß, der sie immer weiter von der Stelle'entfernte, wo sie sich > noch die letzten Trümmer ihres Glückes hatte suchen wollen, da saß sie aufgerichtet, in der Wagenecke, krampfhaft die Hand ihres Sohnes umklammernd. Ihre Gedanken arbeiteten fast fieberhaft; sie kreisten nur um den einen Punkt, ihre Kinder! Nein, 'die ließ sie sich nicht so listig äblocken. Wie konnte man es wagen, ihr einen solchen Vorschlag zu machen! Und doch — wenn es das Glück ihrer Kinder wäre? Durfte sie da so selbstsüchtig sein? Siedend heiß überlief es sir. Was konnte sie ihnen denn bieten? Ihre Augen starrten vor sich hin. Fest lagen die Lippen aufeinander. Sie sprach kein Wort. Sie empfand nur wohltuend dir Liebkosung des Jungen, der leise ihre blassen Hände streichelte und nahm ihn fest in ihre Arme. Mit derselben Leidenschaftlichkeit umklammerte sie Lor- chrn, dir ihr fröhlich lachend 'entgegenkam, als sie endlich wieder in ihrer Wohnung stand. Srr atmete auf; es war, und Rüdigers gehegt, nicht unbekannt, unmöglich würde es ihr angenehm frin, daß er ihrem Sohne das Goldfischchen weggefangen! — — — Sech st es Kapitel. Nur mit dem Aufgebot aller Kräfte gelang es .Frau Maria, die Station zu erreichen. In dem kleinen, .einfachen Warteraum ließ sie sich «r- Rot flackerte über fern Gesicht, „inwiefern? Dadurch, daß" ich euern Wünschen nachgekommen bin, Und —" > Rüdiger sah ihn scharf an, daß er kurz abbräch und ! verlegen zu Boden blickt«. „Du weißt genau, was ich meine! — Es hätte sich wohl > auch «ine würdigere Art für all das finden lassen. „Ich brn - von eurer Handlungsweis« aufs peinlichste berührt. Wir «ine .lästige Bittstellerin hat man die Frau behandelt; nicht einmal einen Stuhl hat man ihr angeboten. Draußen ist sie halb - ohnmächtig zusammengebrochen." . ! „Die Frau hat es selbst nicht anders gewollt. Wir sind ! ihr genügend entgegengekommen," widersprach der alte Gras , heftig, „leider war sie vernünftigem Zuspruch unzugänglich." ! „Sie war gereizt durch Lellas unmotiviertes Eingreifen > und durch die Entdeckung, daß Ottokar ein« andere ihr vor- : gezogen. Doch was kümmert es mich noch Ich, hab« - in dieser Angelegenheit mein letztes Wort gesprochen." Rüdiger war außerstande, Lellas herausforderndes Be nehmen zu ertragen. Eine Flut bitterer Worte wollte sich über seine Lippen drängen; doch seine Selbstbeherrschung verließ , ihn nicht. Er schwieg und ging hinaus. ,Zella, mein Kind, komm einmal her zu mir!" sagte die Gräfin mtt ihrer salbungsvollen Stimme; kerzengerade saß sie da in dem Woarzseidenen Kleide. „Lella, sich mich an — so ist's recht. Du sagtest vorhin etwas, ich weiß nicht, ob ich s dich recht verstanden habe. Du und Ottokar?" Das junge Mädchen nickt« energisch. ! „Ja , Tantchen, du hast mich verstanden — ich lieb: Otto kar, und er liebt mich wieder." ' s Die Gräfin preßte die Lippen aufeinander. Dieses offene - Geständnis war rhr sehr überraschend und unangenehm. Da durch wurden doch mit «inemmole' alle ihre Lkeblingspläne zerstört! Diese Enttäuschung war sehr Vitter. Sie fühlte tiefe« Groll, doch dir Klugheit gebot ihr, ihren Unwillen zu verbergen. . „Ja, Kind, wie ist denn das möglich? — Und daß ich davon so gar keine Ahnung hatte! Ottokar ist doch viel' älter als du," wie eins leise Warnung klangen diese Worte, „mtt ist nie der -Gedanke gekommen." „Und doch mußt du dich daran gewöhnen, liebes Tant chen!" Lella küßte ihr schmeichelnd die Hand. „Gerade, weil Ottokar älter und gereifter ist, habe ich ihn erwählt. Einem jüngeren Mann könnte ich mich nicht so unrerordnen. Ich hoffe, daß ihr nach nun doppelt lieb haben iberdet." Ottokar war trotz Lellas klug gewählter Worte doch in Verlegenheit. Es wäre wirklich nicht nötig gewesen, daß jetzt schon fein heimliches Einverständnis mtt ihr offenbar schöpft auf dem Rohrsofa nieder. Beinahe zwei Stunden Zeit hatte sie noch bis zu dem Abgang des Lokalzuges, der ihr den Anschluß nach ihrem Wohnort vermittelte. Bei der Wirtin, drs sie. neugierig beobachtete, während sie sich im Zimmer zu schaffen machte, bestellte sie sich zwei Tassen Bouillon und zwei belegte Semmeln. Doch war es ihr nicht möglich, nur etwas zu genießen; nach dem ersten Schluck schob sie die Tasse von sich. Die Wirtin war etwas beleidigt. „Es ist gute, richtige Brühe, aus gutem Ochsenfleisch, nicht bloß, aus Knochen." „Das habe ich schon gemerkt. Doch mtt ist nicht wohl. Sie sehen, wie mein Sohn es sich dafür schmecken läßtl" Müde lehnte sie sich zurück und schloß die Augen. Doch die Neugierde der Frau ließ sie nicht ruhen. „Sie waren drunten im Dorf? Im Schloß? Es ist dort nicht mehr viel zu wollen. Der alte Herr ist gar nicht gut aufgelegt; im Frühjahr dachten alle, er würde sterben. > Ach und die alte Frau Gräfin, die Mutter vom Grafen Rüdiger, die ist so streng! — Luftig ist's nimmer.