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— 440 — Na- Berantwortücher ZiedaLeur: Ernst Roßberg in Frmckenberg i.S. — Druck und Lerlaz von E. V. Roßberg in Frankenberg t.L skSdlicde Kriegrreiifur vor iss Zadre» - (Aus einem soeben bei F. A. Brockhaus, Leipzig, erschei nenden Buche von Prof. Dr. Houben, „Hier Zensur — wer dort? Antworten von gestern aus Fragen von heute", das in einer Füll« epigrammatisch zugesprtzter Anekdoten die Ent stehung und Entwicklung der heute so viel berufenen Zensur in Deutschland und Österreich vom Zeitalter Friedrichs des Großen bis zum Ende der Freiheitskriege darlegt.- Höfische und militärische, politische^ religiös« und moralische Zensur decken ihre Karten auf uno zeigen, mit wieviel — Verstand die Wett regiert wird. Das Buch, zu dem der Simpl^issrmus- zeichner Th. Th. Hein« einen reizenden Umschlag geliefert hat, kostet 3.60, geb. 5 M. Das „L-edlei« nach der Leipziger Schlacht" Hatte da zur Feier der Leipziger Völkerschlacht ein ano nymer Berskünstler, wahrscheinlich ein damaliger „Feldgrauer", in oder um Königsberg, «in kräftiges Liedlein gedichtet, das durch seinen volksmäßigen Ton in Verbindung mit einer bekannten Melodie bald auf allen Etappenstraßen des preu ßisch-russischen Heeres gesungen wurde. Es Hub an: Es ritt ein Reiter wohl 'aus Paris. Trarah! Aus dollen Backen ins Horn er blies. Trarah! , Er eignet« fremde Taten sich an verMcbtei ' Die Verlegung drr Prager deutschen Hochschulen. Für die Verlegung der deutschen Universität und der deutschen technischen Hochschule aus Prag, worüber dieser Tage , dl« Professoren-Kollegirn mit Rücksicht auf di« politische Ent wicklung berat«» haben, kommt, wie verlautet, ausschließlich di« deutsche Stadt Außig in Nordböhmen in Bettacht. Und pries nur sich selber den Tatenmann. Trarah! Trarah! Trarah! und glossirrte so in vierzehn Strophen den Feldzug —poleons nach Rußland, die klägliche Rückkehr der großen - Armee und die endgültige Niederlage des Korsen bei Leipzig. 8000 Mann Landsturm hatten es unter Begleitung von Kriegsmusik gesungen, als dir Kaiserin von Rußland auf Das Hurra der fünf Sachsen fand ein mächtiges Echo. Die ganze rückwärtige Linie nahm es auf und stürmte gegen den Feind. ! V Da erhob sich die lange Reihe «r Engländer wie ein Mann aus den Aehren. Zahllose Rasisrbeckenhelme wogten über der kostbaren Brotfrucht. .Zn wilder Flucht suchten die Engländer das Weite. Sächsische Spitzkugeln verleideten manchem das Laufen. Wie der Teufel wareit die Zittauer und di« Chemnitzer und dir Freiberger hinter den Angelsachsen her. .In glänzender Stim mung! Itur ungern kehrten sie in ihre Granytlöcher zurück. Der Feind ließ seinen Aerger noch ein« Leitlang in wildem Artilleriefeuer gegen die Sachsen aus, dem auch zwer der tapferen Begleiter des Leutnants Schuster, der Vizefeld- webel Scholze und der Unteroffizier Weintritt, zum Opfer sielen. Stille und Sonnenglut brüteten wieder über dem golden leuchtenden Feld. Zwischen den Aehren aber stöhnte der Schmer starrte der Tod- Hauptmann Engelhardt, Offizier-Kriegsberichterstatter. In Königsberg war man ob jener Berliner Verfügung denn auch nicht wenig verblüfft. Das dortige Milttärgou- vern«m«nt von Zastrow und von. Dohna legte den Sach- verhatt mit einer höchst ironischen Wendung dem Staats kanzler von Hardenberg vor. Das Militärgouvernement von Pommern erklärte ebenfalls, hier müsse wohl «in Mißver ständnis vorliegen: das Lied erhalte seines Erachtens nichts Anstößiges und Bedenkliches, gehöre vielmehr zu den Lie dern, die, der Fassungskraft und dem Geschmack des Volkes angemessen, bei diesem ein« „heitere und enthusiastische. Strm- mung" erzeugten, deren es „bei den forkwitienden enormen Anstrengungen noch sehr bedürfe", i Auch .das Militärgou vernement von Schlesien fand die Maßregel „kleinlich". Graf von der Goltz aber blieb auch hier hartnäckig bei seiner Meinung und antwortet« dem Militärgouverne- ment, das Lied sei „wegen der Schimpfworts und anderer Anstößigkeiten verwerflich befunden worden". Vielleicht habe nnan, fügte er hinzu, in Pommern «inen andern Tert, oder man könne nist „einigen wesentlichen" Veränderungen „etwas Besseres" daraus machen; dann möge man ihm den „ver besserten Entwurf" gefälligst einsenden. Dieser redaktionelle Auftrag kam dem Militärgouverneur Stutterheim und dem pommerschen Zivilgouverneur Beyme doch wohl allzu komisch vor; sie legten ihn ohne Antwort ad acta und ließen die Soldaten das „Liedlein nach der Leipziger Schlacht" weiter so singen, wie der Dichter es in einer glücklichen Stunde hinausgeschmettert hatte. Tapfere Opfer (KM.) Aus dem Felde wird uns geschrieben: Durch unser Ausweichen vor starkem Druck des Feindes sind nun eine Reihe weiterer Ortschaften in den Bereich des feindlichen Artilleriefeuers gerückt worden. Ihre Be wohner kennen die Rücksichtslosigkeit des Engländers, der — als Träger der Weltkultur und des Weltgewissens — jede Ferme und jedes Dorf, gleichgültig ob es von den Insassen geräumt ist oder nicht, zusammenschießt. So ver lassen sie in wilder Hast ihr Heim und wandern ostwärts. Langen Zügen dieser Unglücklichen begegne ich auf den Straßen hinter der Front. Meist im schwarzen Sonntag staat, ernst und still vor sich hinblickend, machen sie den Eindruck einer Leichenprozession; denn nur wenige hatten Zeit, im Henkelkorb oder Handwagen das Notdürftigste mit zunehmen. lleber ihnen allen steht das Wort des alten Mannes, mit dem ich sprach: „Nous sommes sacrifies" — wir sind geopfert! Kein Weinen und Jammern, — auch unter den Frauen nicht; ich sah kaum eine Träne. Sr« fassen dieses Opfer groß auf: Wir leiden, damit das Vater land lebe! „O, mein Herr," sagte mir der Alte, „40 Jahr« habe ich hort oben auf meiner Ferme gesessen, die Töchter haben sich verheiratet, mein Sohn ist Soldat geworden, mein Ein ziger, — und ich habe nichts mehr von Ihm gehört. Für dw Kinder habe ich gearbeitet, und nun muß ich selbst fort und uni Barmherzigkeit betteln. Abe« mein Junge ist wohl tot und da will ich auch gern als Opfer sterben, wenn nur Frankreich lebt." Eine junge Frau weint still vor. sich hin; mit der Linken führt sie ihren sechsjährigen Buben, mit der Rechten schiebt sie einen kleinen Kinderwagen: darin di« kleine Leiche ihres Jüngsten. „Es war seit drei Tagen krank und ist heute Nacht, als wir herausmußten, .gestorben, schluchzt sie aus. . l. Wie sähe es m Deutschland aus, wenn wir vor dem Ansturm des Feindes von Haus und Hof müßten? Würden auch wir des Dichterwortes gedenttn: „Deutschland muß leben — und ob wir sterben müssen!" der estraße von Braunsberg nach Mühlhausen vorüberfuhr, und es hatte der Kaiserin, einer ehemaligen Prinzeß von Baden, so gut gefallen, daß sie bald mehrer« Strophen aus- j - wendig konnte und di« sie begrüßenden Landesdeputierten ; bat, ihr doch ja mehrere Eremplare des Tertes zu ver- I schaffen. Daraufhin war dies ,Lieblein nach der Leipziger Schlacht" in Königsberg mit Zensur des dortigen Müi- tärgouv«rnements gedruckt worden, und daL Militärgouver nement in Pommern war eben im Begriff,gleichfalls einige hundert Eremplare Herstellen zu lassen, als der Minister von der Goltz am 26. Januar 1814 sand, daß der Teil des Liedes „wider eigene Würde und wider allen Anstand" verstoße, und dem Ostpreußischen Regierungspräsidenten den Auftrag gab, den Königsberger Zensor „über di« richtigen Grundsätze von Anstand und Würde zu instruieren"! Ebenso erklärte der Zensor Renfner das Gedicht für „äußerst un anständig". Es wird ewig unerfindlich bleiben, was in den lustigen Versen das Anstandsgefühl d«s Grafen so sehr verletzte. Nicht di« geringste Unanständigkeit ist darin; Napoleon wird ein «mziges Mal „das Untrer" genannt, und die derb ste Strophe des Liedes lautet: Des Krieges Sichel er ruchlos wetzt. Ei! Ei! Die Niemens Welle den Fuß ihn netzt. Ei! Ei! Hoch trug er die Nas' als hin er ging, Doch bald erfroren die Nas' ihm hing. Ei! Ei! Ei! Ei! Ei! Ei