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unser SMckfal an die grauen, waffenstarrenden Küsten der Nordsee geführt, wo wir der stolzen Truppe der Seeflieger emverleibt werden sollten. Dazu bedurft« es einer gründ lichen Neugeburt. Aus unseren verwitterten Pioniergewän- dern mutzten wir uns herausschälen und in schlanke, nagelneue Matrosenkleider schlüpfen, gleichwie blaue Schmetterlinge aus grauen Puppen sich entfallen. Elegante blaue Hosen „mit Bügelfalte", ein offener Matrosenkragen, das leichte blaue ,L«md", das kecke weitze Schleifchen am seidenen Kragentrph und die Mütze mit den möglichst unvorschriftsmätzig langen Bändern und der goldenen, heroischen Aufschrift „Seelreger- Abteilung" — welch ein« Wandlung aus dem verschwitzten, oerb.icheuen, schweren, plumpen Feldgrau heraus! Allerdings, das verführerische klein« „decollrtL" des offenen Kragens ließ noch eine verdächtige bleiche Hautfarbe sehen, und unsere allernächste Sorge war, möglichst bald uns eine rotbraun echte Matrosenbrust belzulegen. Aber dies alles war nur oie äutzere Form! Der Geist und Inhalt jedoch, der wahre Seemannsgeist, der richtig« graugrüne Nordseegeist mutzt« uns erst eingeboren werden! Denn wir waren Freiwillige, und unser Verhältnis zur Nor-see war bisher zumeist ein mehr platonisch«- gewesen und hatte sich in einigen Lurus- fahrten auf friedlichen Passagterdampfern oder in Segel booten erschöpft. Der Seefllrger aber ist eigentlich erst in zweiter Lime Flieger, in erster jedoch Seemann. Meistert er die E«ister der Luft, so ist er noch lange nicht berufen, auch über die mächtigeren Dämonen der See Herr zu werden. llebrr den unendlichen, formlosen Weiten des offenen Meeres zu fliegen, zwischen Himmel und Wasser schwebend, ist ein ander Ding als das Fliegen über Laad. Das Auge mutz geschult werden, um seine Schärfe und Erfahrung zu bekommen, die dem Seemann in dem scheinbaren Nichts immer noch irgendein bedeutungsvolles Etwas zeigt. Der Seeslreger mutz dir hohe Kunst'der Navigation erlernen. Er mutz mit Wind und Wetter genauesten Bescheid wissen und mutz in dem ewig wechselnden, tausendfältigen, furcht baren Antlitz der See von seinem gebrechlichen Luftsitz aus lesen können. Denn er mutz bei der geringsten Störung, die seine Maschine erleidet, damit rechnen, datz er sich be quemen mutz, auf dies« Wasserwüste mit dem gebrechlichen Flugzeug hlnabzuzehsn. Bei ganz ruhiger See ist das ein l«io.iches Unternehmen. Aber dir Nordsee ist im allgemeine, ein leidenschaftliches Wesen und macht es einem dünnen, aus Holz und Leinwaüd leicht gezimmerten Vogel nicht an genehm auf fthren starken, ruhelosen Wogen. Sie schlägt gierig nach seinen F.ügeln und seinen gebrechlichen Schwim mern, und wenn es ihm sticht gelingt, seinen Motorschaden zu heilen und wieder hochzulommen, so wird er, falls er nicht zufällig von einem Torpedo- oder Vorpostenboot ge- -fischt wird, nach et.ichen zehn bis zwanzig Stunden von der See kleingekriegt und versch.üngrn. —Seeftiegertod. — Gegen derlei, her nur angedeutet« Fährlichleiten also sollten wir nach Mög.ichleit gewappnet werben. Wir sollten lernen, auf See zu sehen, auflauchende Schiffe nach Art und Nationalität zu erkennen, die Seezeichen zu benutzen, das Signalwesen zu handhaben und vor allem auch erst einmal richtig seefest zu werden und die nötige seemännische Ruhe in den Leib zu bekommen. Denn die einsame, starke Se« draußen ist, zumal m Kriegszeiten, kein Kinderspiel und wirkt mit. dämonischer Gewalt auf den ungewohnten Geist. 2. An Bord eines Dorpostenbootes. Zu diesem Zwecke wurden wir Seeflugskücken, noch ehr wir überhaupt in einem F.ugzeag sitzen durften, schleunigst für «ine gehörige Zeit an Bord eines Vorpostenbootes kom mandiert. Die Vorpostenboote sind kleine Fahrzeuge, frühere Fischdampfer, jetzt mit Ieicht«r Bestückung unter der Kriegs- slagg« fahrend, um möglichst weit vor der deutschen Bucht Wacht gegen England zu halten. Si« sind also die schwim menden Lameraden der Seef.ugzsuge, die denselben Dienst m der Luft versehen. Der Dienst, den sie nun seit vier Jahren tun, ist nicht vom Glanze eines' Heldentums verklärt, das ln aller Munde ist. Jh.« Taten machen nicht von sich reden. Aber wer die Verhältnisse, unter denen dieser Dienst versehen wird, kenn, .weitz auch, datz hier nicht weniger Heldisches geleistet wird, als bei den begünstjgteren Kameraden, die sozusagen unter den Augen ihres galten Volkes in die Gefahren fremder Meere hinausgesandt werden. Alle vier bis fünf Tage sich aolösend, besetzen diese kleinen «erantw örtlicher NrdaÜarr: -ruft Böbber« in Frankenberg t.S. schwarzen Wachhund« der Nordsee ihre Vorpoftenlinien. Von den zahllosen Minen, di« dort drautzen die See verseuchen, ständig bedroht, mit einer verhältnismätzig sehr geringen Geschwindigkeit dem überlegenen Angriff viel schneller«! und stärkerer feindlicher Streitkräfte ausgesetzt, in Winter und Sommer, bei Tag und Nacht denselben einförmigen Und um .dankbaren Dienst nun seit vier Jahren verrichtend, erfüllen diese Nutzschalen in aller Sti l« ihre Pflicht gegenüber den, Vaterland«. Die Seelen Ler Männer, die die Besatzung bilden, sind im Laufe all d«r Jahre wohl verschlossen und etwae- schwer beweglich geworden, aber die Schärf« und Sicherhell ! der Beobachtung und Wachsamkeit hat nie nachgelassen. Man stelle sich nun vor, was es für eine harmlose , Landratte bedeutet, unversehens unter solchen alten Seewölfe,, ! für lange Wochen auf einem kleinen Kahn in die Nordse- -z hinausgeschickt zu werden. Wenn man annehmen würde, das, ! wir mit offenen Armen in zärtlicher Kameradschaft an Bord i empfangen wurden, so wäre das ein irrtümlicher Optimismus, s Als wir neugebackenen Blaujacken spät am Abend durch den s panzerstarrend«n Kriegshafen hindurch unsern Weg zu den, - Liegeplatz der Fischd<Mpfer gesunden hatten, lagen sie wie ! ein "Rudel schwarzer Wölf« flüster und lichtlos beieinander, ! nur von wenigen Lampen dumpf beleuchtet, in einem Rem ! brandtschen Halbdunkel. Wild und kläglich heulten Sirenen , aus ausfahrenden Torpedobooten. Ab und zu lasteten Schenr- i werfer mit ihren dünnen, langen Lichtfingern über das Gewirr ! des Hafens. Es war i'm Dezember. Eisiger Nordwest fuh: ! vom fernen England herüber über dis Stahlbrücken in die finstere, ölige Flut des Hafens. Der Gedanke an die See, die voraussichtlich morgen früh drautzen stehen würde, rief ein unbehagliches Gefühl in unseren Eingeweides, hervor. Ei» Unglücklicher unter uns hatte eine ganze Apotheke ausgekausi l nach angeblich unfehlbaren Mitteln gegen Seekrankheit, womii «r sich schon jetzt den Magen verdorben hatte. l km esgbkcder Miorllrer über kttsL- llotdringe« Eister der berühmtesten englischen Geschichtsschreiber im , 19. Jahrhundert, Edward Aug. Freemann, hat in seinen - „Ausgewählten Abhandlungen" über die elsässisch-lothringische Frage vom englischen Standpunkt aus Sätze geschrieben, die es verdienen, angesichts der französischen Propaganda mit den „natürlichen Sympathien der Elsässer für Frankreich" dem Vergessen entrissen zu werden: „Unsere Gewohnheit, all« Plätze mjt französischen Namen , zu belegen, beschönigt die Schänolichkeit des französischen i Angriffs. „Alsace" klingt, als handle es sich um «in von ! altersher französisches Land. Das deutsche „Elsaß" vermittelt ! dagegen eine ganz andere Vorstellung. „Cologne", „Mayen- > „Treves" klmgen, als wollten sie geradezu zur Annexion entladen- ebenso Liege, Malines, Louvain, und es ist kein Wunder, datz man Karl den Großen für einen Franzosen hält, wenn man sein Grab in einer so französisch klingenden Stadt wie Air-la-Chapelle sieht. Aber Köln, Mainz, Trier, s Lüttich, Mecheln, Löwen, Aachen erheben sich schon durch ihre Namen als Bollwerke gegen französische Angriff« . . . Das Deutsche Reich hat manche Zerstückelung erleiden müssen. Im 16. Jahrhundert wurden die drei lothringischen Bistümer Metz, To ul und Verdun durch ein Gemisch von Gewalt und List losgerissen. Ein Akt in diesem langen Drama aber über bietet alle anderen, nämlich der Raub Skatzburgs mitten im Frieden durch Ludwig XIV." Drese Sätze finden sich in Free- manns Essay „Die Franken und die Gallier", der vor 187l> geschrieben war. Aus demselben englischen Aufsatz führt dre „Continental Times" vom 18. Oktober auch noch d« folgende höchst zeitgemätze Stelle an: „Für jeden Angriff srnde» die Franzosen immer fein ausgeklügelte Gründe. Sie annek- trrven ein Land ^aus französischer Anwendung der Geographie, aus französischer Auslegung der Vergangenheit, aus fran zösischer Auslegung der Sittlichkeit. Vertrag« werden g«. krochen, alt« Rechte mn Fützen getreten, die Gerechtigkeit in den Wind geschlagen: ein Grund findet sich immer. 'Fran zösische Schlauheit ist in gleicher Weise geschickt, die Lehre zu beweisen, datz ein annektiertes Volk die Annexion wünschen müsse, wie die Tatsache, datz sie es wirklich wünscht. — Druck und Berio- von L. Romberg tu Frontends- i.L