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— 4 Mit einer fast schmerzlichen Innigkeit schloß Frau Maria sie Tochter beim Äbschreo in die Arme — es war ja die erste Trennung ... >< 7 „Du schreibst mir gleich, Lore, hörst du? Verschweige mir nichts!" flüsterte'sie mit erstickter Stimme, „das Ge- rmgste aus deiner Umgebung hat Interesse für mich — auch das, was dir wohl kaum der Beachtung wert erscheint. Ich will mir genau im Geist vorstellen können, wo du weilst, wie die Menschen sind, mit denen du zu tun hast." Und Lori nickte, unfähig, «in Wort zu sprechen, mit tränenüberströmtem 'Gesicht. Daß ein Abschied so schwer sern konnte! Das Herz wollte ihr fast brechen. Immer und immer wieder wandte sie sich um nach der gelsebten Gestatt d«r Mutter, bis sie ganz ihren Blicken entschwunden war. Erich begleitete sie nach der Station; ihm war selbst das Herz schwer- und in seinen Augen schimmerte es feucht, als ihm der Zug die Schwester «ntfübrte. (Fortsetzung folgt.) -«Gr-- Ms Mts MmS M kiWe m seilt TM« Im Felde 19. 8. 18. .... Während Du durch die schone Heimat fuhrst, di: unberührt in tiefstem Frieden dalregt, und wo eine reiche, gottgesegnete Ernte nur auf die Schnitter wartet und auf die nötigen fleißigen Hände, um sie vor dem nicht ganz günstigen Wetter zu bergen — und wo deshalb und wegen i der anderen Sorgen unsere „Deutschen", deren orele sich ost s so herrlich düntten, schon murren und die Köpfe hängen lassen ; und auf Gott schimpfen gleich einem verzogenen Kinde, das , die Mutter oder der Vater endlich mal die strafende, bes- § serndr Hand fühlen läßt und ihm den Spiegel vor dir Nase rückt — da hatte ich ein anderes Bild und wohl gewünscht, i man könnte es mal all den Mißvergnügten, den Undank- j baren und Kleinmütigen daheim in all seiner grauenhaften s Wirklichkeit vor Augen halten! Vielleicht würden sie selbst mit hungrigem Magen zerknirscht auf die Knie sinken und > beten: „Herr Gott, verzeih Meine Undankbarkeit, mein frevel- ' Haftes Tun und Denkens Laß die Mauer, die Du um uns ! gebaut, nicht fallen, laß den Feind nicht siegen und Herrin- j brechen über uns!" Nordsrankreich! das reichste und frucht- I barste Gebiet dieses Landes, ist eine Wüste. Nur Disteln und Dornen wachsen auf den öden Feldern — die Wälder, Gärten, die Parks, ja alle Lhausseebäume sind längst niedergeschlagen und abrasiert — wo Dörfer standen, sind nur noch niedrrgr Schutthaufen unter Brennesseln sichtbar — und die Städte und Städtchen sind nichts als Trümmerstätten: Noyon, Roye, Nesle, Ham, Peronne, Craonne, Bapaume, Arras, Armen- lieres, Montdidier, Laon. St. Quen.in, Cambrai, Lille usw. — Was zurückkommt, ob aufs Land oder in die Stadt, es findet die Stätte nicht mehr, di: ihn einst beherbergt, sein Glück einst ausmachte. Die Fabriken, Molkereien, die Kir chen pp. sind nur noch, kenntlich an dem Rest der hohen Schornsteine und der Türme — die Schlösser und Eutshäuser! Ja — suche sie — ihre Steine sind verbaut in Schützengräben und zu kleinen „Hütten", in denen der deutsche Soldat haust wie das Tier auf dem Felde! Jeder Besitz ist auf Menschen alter hinaus von Grund aus entwertet. Hunderte, Tausende von tiefen Gräben durchziehen wie ein Netz, das man darüber gebreitet, all die einstigen Weizen-, Rüben- und Roggenfleder — wo die Wälder standen, sind dichtes Brombeergestrüpp, Kaiserkerzen und über mannshohe, armdicke Disteln zu einer unentwirrbaren Wildnis zusammengeballt. Das ist das Land! Und die Einwohner — die Menschen alle, die da mal glücklich und unglücklich lebten, die dahinein alle ihre Wünsche, ihre Hoffnungen, ihre ganze Lebensarbeit setzten — niemand ist mehr da. Sie leben von Almojm in der Fremde, und wo sie werter rückwärts noch sich finden, da hungern sie mehr als die „Deutschen" über dem Rhein — da müssen sie arbeiten für den Eroberer, für den gehaßten Feind, ihre Kinder wachsen wild und zuchtlos auf inmitten tiefsten Elends, tiefster Erniedrigung, mancher Härt« und in namenlosem Schmutz! Wer schafft ihnen Kleider, Schuhe, Wäsche, Seife, wer pflegt sie in der Krrmkheit, wer unterrichtet sie, wer bringt ihnen Nachricht von Angehörigen, Freunden usw.? Wer schützt sie oor den wüsten Bombenwürfen der eigenen Landsleute? — Das ist das Elend, das ist vielleicht Grund genug, an seinem Gott zu verzweifeln und zu murren. Aber Deutschland? Es ist knapp da, sehr knapp — die Arbeitskräfte mangeln an allen Orten und Enden — gewiß! Die köstliche Ernt« steh» draußen und kann nicht schnell, vielleicht gar nur halb ge borgen werden — aber sie steht doch im Sonnenglanze mif den unberührten Feldern, die Scheuern stehen doch und sind bereit,' sie zu empfangen, die Wagen find ikicht verbrannt und die Ackergeräte zertrümmert. Die Menschen wissen doch, wo sie ihr Haupt niederlegen, wofür sie arbeiten, worüber sie sich noch freuen, noch sorgen können — das Leben geht ernen schleppenden Gang, aber es geht doch ruhig und friedlich weiter! In Frankreich aber denkt noch niemand daran, mutlos und feig« dir Waffen niederzulegen — in Deutschland wühlt dagegen der. Kleinmut uns. der Armee, den Boden unter den Füßen w«g! Pfui Teufel! Und die Armee! Wie wars an dem Tags, als Du durch die friedlich sticken und glücklichen Auen und Städte Deutschlands auf fröhlichen Besuch fuhrst? Wir hatten 6 Wochen lang in schwerster Lage und Stellung gestanden — kein Auge konnte des Nachts -sich schließen draußen rm Schützengraben, weil gerade des Nachts der Feind seine lleberfälle mit Artillerie, Gasminen, Bombengeschwadern un ternahm, um uns zu zermürben — und so schwach 'waren unsere Linien geworden, daß wir alle Leute im Tiestst halten mutzten —. Wir hatten nicht die Möglichkeit, Reserven in Ruhrquartiere zu legen, damit sie dort sich erholten bis zur Zeit der Ablösung ihrer abgemüdeten Kameraden vorn. Da endlich kam die Stund«, wo man uns herauszog. Todmüde, nur den einzigen Wunsch auf den Lippen, „endlich mal Rühe, endlich Imrl schlafen, endlich mal nichts hören, nichts sehen!" Das war am 6. 8. Am 8. 8. kam der grckhe, übermächtige Ansturm der Engländer und Franzosen — sie wollten es erzwingen init Hunderten von TaAks, mit weit überlegener Artillen: — sie kamen im Nebel und überraschend heran — sie hatten einen großen Erfolg, doch nur anfangs, das Resultat ihrer Tanks, ihrer Artillerie und der Ueberraschung. Jeden falls wankte unsere Front auf einer langen Strecke. — Wir wollten schlafen, endlich mal schlafen seit 6 langen Wochen. Da klingelte um 4 Uhr morgens am 8. 8. (also am zweiten Tage dieser Ruhe) der Fernsprecher: „Marschbereitschaft" und um 8 Uhr vormittags „Gefechtsbereitschaft" — um 10 Uhr sausten die Autos der Stäbe schon voraus zur Front, zu einer ganz fremden, und hinterdrein auf Lastautos unsere dünnen Bataillone. Am Abend waren sie da. Ein großes Loch, ein wichtigster Punkt war zu stopfen, der siegreiche Feind drang ein! — Der Kampf begann am 9. früh — wir s warfen ihn zurück — wir standen und hielten, wurden zurück- ' gedrängt.und sprangen wieder an und schmissen ihn zurück und standen und hielten bis zum 12., — wo Tu, mein Herzenskind, durch dis friedlich schöne, aber ach so undankbar« Heimat auf Besuch fuhrst. — Manch heißes, tapferes Herz war still geworden — still aber auch der Feind — er sah, es ist umsonst.... Vie vom Znakeubsu Aus dem Felde wird uns geschrieben: Wochenlanger Regen hat alle Straßen aufgeweicht. In Pfützen und Lachen steht das Wasser nun auf den Wegen. Knöcheltiefer Schlamm liegt als zähe Masse über allem. Gleich endlosen bunt getüpften Schlangen kriechen die Kolonnen über die Heeresstraßen, die zur Front lausen. Last autos schnauben vorüber und keuchen in schwerer Arbrst. Marschierende Abteilungen trotten in einförmigem Takle nor- bei. Zwischendurch winden sich dir Kraftfahrer und Personen autos wie schnelle Motorboote im geschäftigen Treiben «ines Seehafens. Man spürt die Nähe der Front ad all d«m wirren Durcheinander, das doch gesetzmäßig und nach einem wohlgeordneten Plane sich aüroltt. , Am Straßenrande stehen Reihen von Soldaten mit Schaufel und Hacke in der Hand. Es sind die stillen Helden der Landstraßen: die vom Straßenbau. Sie kennen nicht den Ruhm und die Ehren des Front soldaten, der unmittelbar an den Erfolgen sieht, was er getan hat. Keiner weiß, was alles sie leisten, und wie wichtig ihr Dienst ist. Sie sind eben da, weil es so sein muß, wett rrgendwie die Wege in Ordnung gehalten werden müssen, und doch sind auch sie ein Glied in der goldenen Kette deut schen Heldentums! Der Regen hat die Fahrbahnen der Straßen zermürbt und unterspült. Die unzähligen Kolonnen und Autos, der