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__ 442 — Wertes Fräulein Berger, sen und hätte ternerkt. Ach, ja, wer die Wahl hat, hat di« Qual! — Hier, Bruder sie gewähren, freuten sich, wenn sie ihr fröhliches Lachen Herten, wenn sie das anmutsvolle Wesen in jugendlicher Schöne vor sich sahen. Denn schön war Eleonore. Hoch und schlank gewachsen wie eine junge Tanne, stand sie dem Bruder nicht viel an Gröhe nach. Dunkle Asugen leuchteten aus dem schönen Gesicht mit den klassischen Zügen', und in dem schweren, kastanienfarbenen Haar hatten sich wohl Sonnen strahlen gefangen, daß es darin aufleuchtete wie lauteres Gold; wie E oldglanz lag es auch in ihrer weichen, dunklen Stimme, mit der sie die Menschen unwillkürlich für sich einnahm. Und doch lastete es schwer auf Maria, wenn sie an die Zukunft der Tochter dachte. Diese Feiertage nach so langen Arbeitsjahren hätte sie ihr am liebsten für immer gegönnt. Aber sie muhten doch ein Ende nehmen, denn Lore war darauf angewiesen, sich ihr Brot selbst zu verdienen. Sie sprach auch schon davon, daß sie sich nun bald um ein« Stelle be mühen wolle, ehe sie sich an einer staatlichen Schul« anstellen lieh, wollte sie ein oder zwei Jähre in einer Familie als Erzieherin tätig sein. Sie inserierten in einem vieigelesenen Blatt, und Lore war nun voller Erwartung. Erich brachte mehrer« Tage später vom Postamt des Dorfes Steinsurt «in Päckchen Briefe. mit, di« sie all« zusammen lasen. Unter diesen Briefen war einer, der Frau Marias Herz schlag stocken lieh: er kam aus „Schloß Lengefeld" und wär unterzeichnet mit „Gräfin Lella Allwörden". In spitzigen, dünnen, maniriert grohen Buchstaben stand auf dem zart grauen, lila umrandeten Bogen zu kesen: Seit drei Wochen waren Frau Maria und ihre Tochter Hausgenossen des jungen Försters. Jeden neuen Tag empfingen di« beiden Frauen wie ern köstliches Geschenk — der Mutter war es so wundervoll, dieses Ausruhen nach so vielen arbeitsreichen Jahren, und für Lore gab «s nichts Schöneres, als das sorglose Herum streifen im Walde. Immer hatte sie etwas Neues gesehen . und zu berichten, alles fesselte ihr Interesse. Eine so herrliche mit tödlicher Sicherheit von der Gräfin kommen werden?" „In keiner Stellung bleiben ihr solche erspart. See wird sie auf Lengefeld auch picht schmerzlicher fühlen als anderswo. — Doch genug, mein Bub. Wir wollen uns weitere Wort« darüber ersparen. Ich wiederhole, dah ich da» als von Gott gewollt betrachte. Lori wird ja nie etwas erfahren." Frau Berger hatte ihren Willen durchgesetzt. Trotz der heimlichen Hoffnung Erichs, dah die Wahl der Gräfin Ml. würden vielleicht nicht auf Lorr fiel, wurde die Schwester engagiert und am 14. September reiste sie ab. arg beschäftigt mit ihren Brie- sonderbares Verhalten gar nicht diesen Sommer bleiben wir zusammen." „Sobald als möglich kommt ihr zu mir!" wiederholte Erich. „Diese Wohnung wrrd , aufgegeben, und Muttchen sorgt für mich; dann spare ich «ine Haushälterin — und auch eine Frau! Die kann ich noch nicht ernähren." Er lachte, dah die weihen Zähne unter dem dunklen Bärtchen blitzten. ,^Lore verdient auch eine Belohnung, weil s» ihr . Cramen so gut bestanden hat — ich hätte es- ihr gar nicht zugetraut, dah sie so gescheit ist!" scherzte er. .„Ach, wenn Papa das alles noch erlebt hätte," meinte Lore sinnend, „wie würde er sich über uns gefreut haben! Nun jist er schon so lang« tot und ich kann mich gar nicht auf ihn besinnen." Die Blicke von Mutter und Sohn trafen sich und ver ständnisvoll nickten sie sich zu; so sollte es bleiben. Nur Lor« ahnungslos lassen! „Sie muh sich doch erst einarbeitrn und muh mit der s Kundschaft bekannt werden! Sie hat einen anständigen Preis : gezahlt." I „Und nun ruhst du dich aus, liebes Muttchen!" rief das s junge Mädchen, „ich suche mir «ine Stelle." „Das eilt nicht so, Kind. Jetzt erholst du dich erst — ! ! Weihnachten wiedersehen." s Das junge Mädchen fiel ihr um den Hals. „Ach, verzeihe Mama. Ja — suche du mir aus. Was ! denkst du?" ! Zum Scheine las Frau Maria nochmals alle "Schreiben ; der Reihe nach durch — ihr Entschluß war längst gefaP. > Sie reichte der Tochter den zartgrauen Bogen mit.dem KI« ! Äand. „Dies halte ich für das Richtigste." „Mutter, du wolltest —" rief Erich erschreckt, doch e> unterbrach sich rechtzeitig. > Lore sagt«: „Ach, Schloh Lengefeld — wo liegt das eigentlich?" Sie suchte den Poststempel. „Ach, bei einer kleinen Stadt, warum soll ich gerade dahin?" „Das will ich dir sagen, mein Kind. Weil ich mir denke, dah Schloh Lengsfeld ein Herrensitz ist. Du wirst ! dort sicher viel im Freren sein, in guter Landluft, treibst - vielleicht Sport mit den Töchtern, hast gut« Verpflegung ! — alles, was deiner Gesundheit zuträglich ist. Du hast manches darin entbehren müssen — siehst du, darum wünsche ich es." ! „Und du Llaubst, Mutterle, dah Lore dah alles gerade auf Schloh Lengefeld finden wird?" fragte Erich mit Be- s tonung. „Ja. Und sollte es- wirklich nicht so sein, kann sie ja s jederzeit wiederkommen." Er war mit dem Beschluß der Mutter gar nicht einver- . -standen. In der eschwester EsLenwarl konnte er aber nicht ! dagegen reden; doch nachher, ais er die Gelegenheit fand Zeit hatte sie, das Stadtkind, das nur immer hatte lernen müssen-, ja noch nie erleht. Lächelnd liehen Mutter und , Mutter, du beabsichtigst etwas." o„Nein. Nichts," entgegenete sie mit unheimlicher Ruhe, ich bm nicht abgeneigt, Ihrem Angebot näher zu treten, „warum soll Lori denn nicht das Haus ihres Vaters," ihn "" " ' - - - „«m selbst und ihre — Geschwister kennen lernen." Und du willst sie dort Demütigungen aussetzen, dre ihr nach England, zu einer deutschen Grotzkaufmannsfamilie, das wäre —" „Nem, Lvri, auf keinen Fall lasse ich dich ins Ausland, wengistens.jetzt noch sticht!-' unterbrach Frau Maria sie, „ich muh mich erst allmählich an den Gedanken einer Trennung gewöhnen. So besteht doch die Möglichkeit, dah wir uns Mein« drei Kinder find zu unterrichten, zwei Töchter dreizehn und zehn Jahren, sowie ein Knabe von sieben Jahr«n. Wollen Sie mir gefälligst Ihre Gehaltsansprüchc milteilen, sowie rhre Zeugnisse und Photographie ein senden. Eintritt würde 15. September erfolgen." Dieses Schreiben schob Frau Maria unbemerkt ihrem Sohne zu. Der las «s durch, preßte die Lippen aufeinan der und schüttelte den Kopf. Sie nickte trotzig, ihre Auaen glühten, das Gesicht war bleich. und allein mit ^hr war, machte er kein Hehl aus seiner Meinung. „Ich gebe das aus keinen Fall zu Mutter!" „Ich wünsche es aber, mein Bub! — Ich betracht« es als eine Fügung Gottes." „Ich nur als einen Zufall, dem man am besten ans dem Wege geht. Warum willst ou die Vergangenheit nicht ruhen lassen? Es hat keinen Zweck — was willst du denn?" „Das weih ich selbst noch nicht. Vorerst nur, daß Lor, in das Haus ihres Vaters kommt . . . Erich, dre, Kin der hat er, und darunter e.nen Buben einen ^-ohn, Erich!" Erich verstand d:e Mutter sofort — hatte sie wirklich den Gedanken noch gehabt, daß — — Er schüttelte energisch den Kopf. „Mutter, was gehen mich diese Kinder an? Und wenn es drei Söhne wären, mich kümmerte es nicht. Aber Lorr soll nicht dahin gehen. Bedenke, was daraus entstehen könpte." „Was fürchtest du, mein Bub? — Wir haben doch nichts zu befürchten!" Sie lächelte in eigener Weise. „In dem ein fachen Fräulein Lora Berger wird niemand die Komtess« Eleonore Allwörden vermuten,? die Lore im Grunde doch ist!" „Mutter, wir find doch sonst in allem rmmer einer Mei nung gewesen — so gib mir doch hier nach! Mrr widerstrebt es, Lore da «ine doch immerhin untergeordnete Stillung einnehmen zu sehen, wo ihr doch von rechtswogen ein gai* anderer Platz zukommt." „Es ist ja nicht für immer, Erich!" Er sah sie scharf an. Ja, feit erstem Mai ist Mütterchen Rentnerin! Wre , stolz das klingt! Ast das Nichtstun hat sie sich aber in den , vier Wochen noch gar nicht'gewöhnen können. Täglich ist !