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— 430 Sie unterbrach sich; man hörte vor der Tür- eine laute, Harts, Stimme, das Aufstotzen eines 'Krückstockes — Ma rias Herz klopfte doch unwillkürlich ängstlicher, als jetzt der alte Graf in Rüdigers Begleitung hereinkam, und wenige Augenblicke «danach auch eine ältere und eine junge Dame; dies war Lella, die sich umgekleidet und in ein brennend rotes, phantastisch gearbeitetes Gewand gehüllt hatte. Fremd und reizvoll sah sie aus, wir eine seltene, erotische Blume. Ottokar atmete erleichtert auf; hier erhoffte er Hilf« ' und Beistand. Bald hatte sich Maria gefaßt, und ohne Be fangenheit ertrug sie die auf sie gerichteten, musternden Blicke. Das junge Mädchen fiel ihr auf durch dis ungenierte und geringschätzige Art, mit der es- sie betrachtete; Maria fühlt« eine versteckte Feindschaft, einen beleidigenden Hochmut. Das also war Maria Wirlberger, dachte Lella, diese > blasse, verhärmte Frau mit den dunklen, stechenden Augen, in dem unmöglichen Regenmantel und dem Lodenhut! Sl« s lächelte in sich hinein; nein, diese Revalin hatte ihre junge, s gepflegte Schönheit nicht zu fürchten. Maria erwartete eine Anrede. Fest hielt sie die Hand > des Knaben in der ihrigen. Fortsetzung folgt. Vater war sehr schwer leidend, ich sagte es dir ja bereits, jetzt ist er zum Glück wieder aützrr Gefahr — aber er wollte in jener kritischen Zeit fein Haus bestellt wissen! Und da gab es so vieles zu bedenken! Ich, als der älteste Sohn, bin sein Nachfolger — mit allen Rechten und Pflichten — und es ruhen schwere und grotze Pflichten auf diesem — da ist es nun unbedingt erforderlich, daß die Frau, die dem Majoratsherrn zur Seite fleht, ebenbürtig ist, sonst —" „Ich verstehe," nickte, sie, „sonst wird er enterbt und ihm gehöft nichts mehr von dem grotzrn schönen Besitz. Nur verstehe ich nicht, datz du das früher nicht in Erwägung ge zogen, damals, als wrr uns kennen und lieben lernten — da bedeuteten dir alle diese glänzenden Aussichten nichts." „Maria ich war damals sehr jung; ich kannte das Leben noch nicht. Dazu das Künstlerblut in mir, das drängte und pochte, dem war die vornehme Enge des Vaterhauses zu drückend — leicht nahm ich den Unwillen, dis Ungnade des Dalers aus mich," mit steigender Sicherhrit hatte er ge sprochen, da er sie merkwürdig ruhig fand; er gewahrte den seltsamen Gla^ in ihren Augen nicht, die mühsam unter drückte Erregung, dis in ihrem Gesicht zitterte. „Du kennst mich, Maria, und weitzt, wie wenig mir an irdischen Besitz und Rang und Titelü liegt — ich habe dir das, denke ich, genügend bewiesen. Doch jetzt wird ein grotzes Opfer von mir verlangt. Ich hin der älteste Sohn, ich mutz unbe dingt der Familie das Majorat erhalten. Denn würde ich es nicht tun, geht es uns verloren." „Du bist aber doch nicht der einzige Sohn," sagte sie langsam. „Dein Brüher —" „Daran eben liegt es!" warf er hastig ein, „Rüdiger will nicht. Er würde lieber auf alles verzichten, als meine Stelle einnehmen — aus Prinzip! Bei ihm mutz alles nach dem Buchstaben gehen; ich bin der Aeltere, älso liegt es mir ob, die Interessen der Familie wahrzunehmen. Sein Starrsinn ist nicht zu brechen; was es mich kostet, danach ! fragt er nicht, und gerade, weil er wsitz, datz ich mit der —" ; „Ah, also an ihm liegt es." „Ja, hauptsächlich an ihm, Maria, sein Stolz kennt s keine Grenzen, er beherrscht alle, sogar den Vater; auch semc Mutter muh sich ihm fügen." „Und du?" > „Ich gleichfalls. Und noch eins, wir Allwördens sind nicht so reich. Du staunst, machst ein ungläubiges Gesicht. Nun, man kann hier den bürgerlichen Mahstab nicht anlegen. Rüdiger ist sogar angewiesen, eine reiche Heirat zu machen." „Natürlich, auch standesgemätz," bemerkte sie voller Hohn. „Möglichst aus fürstlichem Geblüt," 'er lächelte weh mütig, nachsichtig, „ah, wenn du ihn kenntest, Maria — wie er gegen dich sprach! Und darum, ich bitte dich, sieh es ein," er nahm ihre Hand', „es geht nicht anders — auch in deinem und in unserer Kinder Interesse — gib nach: Es wird für euch ausreichend gesorgt werde», und du wirst es von jetzt an gut haben, besser als bisMr." Hastig entzog sie ihm ihre Hand. / „Nern. Ich kann nicht. Eben, weil ich^an unsere Kinder denke. Wären die nicht — für mich wäre ich wahrhaftig „Das hat doch mist uns nichts zu tun!" „Du stellst dir alles viel einfacher vor, als es die Tatsachen erfordern, Maria. Glaube mir, ich habe vrel ge- zu stolz, mich hier vor dir so zu demütigen — deshalb verlange ich —" diesen Weg «inzuschlagen. Sie haben da sicher mach mehr «Hancen, als bei der Regierung!" Wortlos, verlieh Rüdiger das Atelier. „G«h, Ottokar, geh!" rief L«lla und hängte sich an ihn, „Ich will es selbst jetzt. Es ist gut jetzt, datz es endlich klar wird zwischen euch. Daß dieser Druck von dir genommen wird!"— Du wirst mich an deiner Seite finden. Denke an meine große Liebe! — Und dann, Ott, Liebster — dann kommt für uns beide das Glück!" Fünftes Kapitel Maria Wirlberger und Ottokar Allwörden standen sich gegenüber in dem Empfangssaal des Schlosses Lengenfeld. Seltsam genug nahm sich die so überaus einfach gekleidete Frauengestalt darin aus. In reinem Barockstil war de^ mächtige Raum gehalten, dem die steife, überladene Pracht der Entrichtung, die schweren, goldgestickten, rotseideizen Vor- häüge, hie zwischen den hohen Fenstern angebrachten Spiegel m reichen Goldrahmen, die Marmortische mit den verschnör kelten Füßen» die hohen Lehnstühle, ehren « überaus ferer- lichen Eindruck verlieh, ihm fast das Aussehen eines fürst lichen Audienzsaales gab. An den Wänden hingen kostbare Gemälde von Fragouard, Watteau und auch Porträts, Herren und Damen in mittelalterlicher T^cht, rn Rokoko und anderer vergangener Zeiten Kleidung darstellend. Ottokar Allwörden bot seiner Frau mit einer verlegenen Gebärde di« Hand, doch sie übersah diese. Sie suchte den Blick seiner Augen fsstzuhalten, die scheu an ihr vorbei irrten und auf Idem Sohne haften blieben. „Erich, mein Erich — une groß bist du geworden, seit ich dich nicht gesehen — beinahe so groß, wie ich," «ine überquellende Bewegung klang aus seiner Stimme. Er süßte den großen, hübschen Jungen, an die Schultern, be trachtete ihn mit nassen Augen und küßte ihn dann auf die Stirn. «Zwei Jahr« sind es fast her, daß du fortgingst!" sagte Erich, und ein schwerer Ernst stand aus seinem offenen Kna bengesicht. „Ich bin krank gewesen, mein Sohn." „Aber jetzt bist du doch wieder gesund — —" „Ich hoffe es, Erich! — Sag' mir, wie geht es Lorchen, dem kleinen, süßen Ding —?" „Gut, Papa. Am Sonntag war ihr Geburtstag." Ottokar Hötte den Vorwurf aus des.Knaben Stimme. Er wurde verlegen. „Wahrhaftig, das hab ich diesmal vergessen! Aber warte, ich werde nachholen, was ich versäumt. Lorchen soll sich mcht beklagen." Ta nahm Frau Matta das Wort. „Laß doch, Ottokar, das ist nicht so von Wichtig keit, obgleich es . mir deutlich und schmerzlich genug gezeigt hat, wie groß dein Interesse für uns noch ist. Und drei Tage danach kam dein Bruder — es war in deinem Auftrage." „Im Auftrage der ganzen Familie. Mein Vater ist leidend!" LZ -Zszz M-N-z EZL« litten." Er atmete schwer und strich sich mit einer fast koketten Gebärde das Haar aus der Stirn. „Aber an das, was ich habe leiden müssen, hast du wohl nicht gedacht — immer nur du — deine Person — doch ich bin das ja gewöhnt." Sie sprach mit tiefer Bitterkeit. „Willst du mir Vorwürfe machen?" fragte er leicht gereizt. „Nein! Deshalb bin ich wahrhaftig nicht gekommen! Ader ich will wissen, ob das wahr ist, was mir dein Bruder gesagt und was du mir geschrieben hast." „Maria, höre und lasse dir erklären —" ,^Ottok« — ia oder nein. Laß doch alle Umschweife! Gib mir kurz und bündig Antwort — weiter will ich ja nichts. . Hast du das, was dein Bruder ausgeklügelt hat, auch zu deiner Meinung gemacht — ist unsere Ehe ungültig?" „Maria, denke an Erich, der —" „— groß und alt genug ist, zu erfahren, was man sei ner Mutter und ihm antun will!" fiel sie ihm ins Wort. „Er ist verständig über seine Jahre, da der Ernst des Lebens seine Jugend so früh beschwert hat." „Ich glaube es, Maria, und bedauere es. Erich soll reichlich entschädigt werden. Lasse dir sagen, Matta: mein