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«8« ZS — 410 — —- -... bar! Drin Kind und mejn Kind! Ich kann es kaum fassen! Ein Wunder dünkt mich alles, was ich heute erlebe! Und in Deutschland willst du bleiben, Maud?" „Ja," sagte.sie ernst, und ihre Stimme zitterte vor Be wegung, „ich werde bleiben, solange du willst! Und wenn es dein Glück bedeutet, für immer!" Vie Lischt an der klbemündiing Watt und Neuwerk Mitten im Wattenmeer, etwa acht Kilometer von der Küste entfernt, liegt ein« kleine, flache Insel: Neuwerk. Ein unscheinbarer, stiller, aber doch wichtiger Vorposten unserer Küstenwacht. Im Frieden ein bekannter Wegweiser für du der Elbmündung zustrebenden Schiffe, hat" der am Südende der Insel stehend«, gedrungene, Hohs Leuchtturm heute andere Aufgaben für unsere Marine zu erfüllen. Den knapp hundert Einwohnern hat sich bei Kriegsausbruch eine kleine Marine abteilung zugesellt, die hier m mehr als spartanischer Ein fachheit ein Kriegsdasein führt. Helgoland hat ne .igstens noch fast alltäglich Dampferverbindung mit dem Festland. Die fällt hier gänzlich weg. Nur zur Ebbezeit kommt zuweilen ein Wagen durch das trockene Wattenmeer von Cuxhaven gefahren und bringt Post, die lang unü Heist ersehnte. Im' übrigen sind die Einsiedler auf^Hteuwerk auf sich allein an gewiesen. Eine Fahrt durch das zur Zett, des Niedrigwassers trocken fallende Watt ist überaus reizvoll. Das gewaltige Meer ist dann weit nach Norden zurückgstreten, und nur in Sielen kleinen Wasserläufen, den sogenannten Prielen, sickert noch das salzige Nah und bahnt sich in kleinen Löchern einen WeL durch das. aus Schlick und Muschelkalk bestehende Watt. Ungeheure Mengen von Krustentieren, Würmern uckd an deren Seelebewesen bevölkern dann das trocken liegende Mee resbett, und fast ebenso graste Scharen nahrungsuchender See- vögel wählen sich zur Ebbezeit dies« Insel zu ihrem Tummel platz. Seehunde sonnen sich trüge auf dem Watt in der Nähe des offenen Wassers, damit sie bei der geringsten Gefahr sofort in ihr nasses Element flüchten können. Kein Wunder, dast dieses Vogeleldorado auch häufig das Ziel waidgerechter Marinejäger ist, denen das Nimrodglück ihrer zuweilen in reichstem Maste lächelt. Wilde Schwär« sind keine Selten heit, Wildenten häufiger, Krabbentaucher, Austernfischer und Strandläufer tagtägliche Beute, ganz zu schweigen von den Möwen, deren Fleisch wach Entfernung dec tranhaltigen Haut gar nicht übel schmecken soll. Entenbratenecsatz! Mir wird erzählt, dast ein Offizier mit einem einzigen Schuh zweinnd- vierzig Vögel zur Strecke brachte. Ich bin zwar «Iwas leicht gläubig, doch bei dieser Erzählung kann ich einen gewissen Verdacht an eine gewisse mit Jägerlatein bezeichnete mensch liche Schwäche nicht unterdrücken. Meine Zweifel werden aber beseitigt, und so gibt dieses Beispiel. einen Begriff für den ungeheuren Reichtum von Vögeln auf dem Watt zur Ebbezeit. Nicht nur der Jäger, sondern auch der Fischer kommt "zur Ebbezeit im Watt auf seins Kosten. Die bei ablaufendem Wasser in den Pritlen zurückgebliebenen „den Anschluh ver- paht habenden" Fischs bieten sehr lohnende Beute. Deshalb kommen unsere Matrosehartilleristen von den Küstenforts aus das Watt hinausgewandert und liegen hier dem Fang der beschuppten Meeresbewohner ob. Ihr reiches Ergebnis wird dann an Land gebracht, geräuchert und möglichst gerecht verteilt. Der schwere Wagen schüttelt über das Watt und hält nach ll/2 Stunden vor Neuwerk. Es ist ein eigenartiges Gefühl, über das endlose Meerbett zu fahren, von dem man weih, dah es in wenigen Stunden, zur Zeit der Flut, wieder von der See überschwemmt sein wird. Und dieses ewig gleiche Spiel des sechsstündigen Wechsels zwischen Ebbe und Flut ist neben den vorbeifahrenden Schiffen fast die einzige Ab wechselung, die sich vor den Augen unserer Neuwerker Marins- leute vollzieht. Jagd und Fischfang füllen di« wenigen, nicht dem Dienst geweihten Tagesstunden aus. Für Eremiten und menschenscheue Sonderlinge mühte deshalb das Kriegslebei, auf Neuwerk verlockende Reize bieten und dürfte ihnen als Paradies erscheinen. Di« hier liegenden Mariner denken aber anders darüber. Ihre lebensfrische Jugend findet sich nicht leicht mit dieser Weltabgeschiedenheit ab. Um so gröher di« unfahbare Freude, wenn der Urlaub Gelegenheit gibt, di« Schritte nach der prächtigen Alsterstqdt, dem stolzen HLttd« gelangt waren. Ach, diese Sehnsucht, diese nimmer rastende Sehnsucht nach ihr! Seit er krank war, allein lag und nichts zu tun hatte als an sich zu denken, quälte ihn der Trennungsschmerz. In den letzten Monaten hatte «r zu wenig Zeit gefunden, um sich Gefühlen, die ihn selbst betrafen, hinzugeben. Da hatte jeder Gedanke dem Vaterland gegolten und seiner Pflicht. Joachim von Treuendorf. war sofort herausgekommen, als er sich in Deutschland stellte und es ihm gelungen war, sein« Persönlichkeit feststellen zu lassen. Und er hatte sich ausgezeichnet' in den Kämpfen, er hatte seinem alten Namen, seinem alten Geschlecht neue Ehre gebracht. Bei einem Sturm hatte er die Verwundung erlitten und muhte nun hier liegen und warten, während doch alles in ihm zitterte mkd fieberte von Ungeduld nach neuen Daten. Sein Oberst hatte ihn besucht, als er noch im Feldlazarett lag, hatte ihm selbst das Eiserne Kreuz an die Brust geheftet, hatte ihm eine baldige Beförderung in Aussicht gestellt. Dann war. das Fieber mit neuer Macht gekommen, Joachim hatte alles ver gessen. Bis nun die Genesung kam. Nun aber war er wach, und seine Gedanken gingen immer denselben Weg, fanden immer das eine Ziel: Maud, Maud, «nd ihr quälendes Schweigen. . . Die Tür des Zimmers wurde leise geöffnet. Die Schwester trat an sein Bett. In ihren Händen trug sie einen grasten Strauh dunkelroter, langgestielter Rosen. Die legte sie dem Kranken auf die Decke und sagte lächelnd: „Sie sollen Besuch bekommen, Herr Leutnant,' und als ersten Gruh schickt die Dame ihnen die Rosen." Er nahm die schönen Blumen und wollte sie ihr zurück reichen. „Es muh ein Irrtum sein, Schwester, ich kenne keine Dame." Aber die Schwester nahm die Rosen nicht. „Ejn Irr tum ist ausgeschlossen, Herr Leutnant! Warten Sie. ich lasse die Dam« herein." * Er sah unruhvoll und gespannt nach der Tür. Es muhte doch eine Verwechslung vorliegen. Wer sollte zu ihm kommen? Die Schwester verlieh das Zimmer, er hörte sie drauhen sprechen. 'Und dann öffnete sich wieder die Tür. Eine Dame stand aus der Schwelle. Er starrte sie an. Maud . . . Nein, ihn täuschten seine erregten Sinn«, sein« Nerven gaukelten ihm ein Spukbild vor. Es konnte, konnte nicht möglich sein. Groher Gott, sie bewegte sich, lächelte ihn an. Sie war es wirklich, in Wahrheit! Ein Wunder war zu ihm gekommen, ein Wunder des Glücks. „Maud," sagte der Mann mit versagender Stimm«, „du, d« kommst zu mir!" Da war sie an seiner Seite, sah auf dem Rand seines - Bettes, umschlang ihn mit beiden Armen und barg das Haupt an seiner Brust. Ganz still blieb sie, ganz still und glückselig, nun sie wied«r bei ihm war, an dem einzigen Platz war, an den sie gehörte. Lächelnd, selig, reglos lieh 'sie seine Liebkosungen über sich hingleiten, vernahm sie seine gestammelten, fassungslosen, trunkenen Worte d«s Glücks. Ja, er liebte sie! Wenn er auch von ihr gegangen war, wenn er sie auch verlassen, er liebte sie dennoch! Nie hatte sie es klarer gefühlt als in dieser Stunde des Wiedersehens. „Mein Wunder," sagte der Mann, „dah du gekommen bist! Zu mir gekommen!' Maud, ich danke, danke, danke dir!" Und nun fand auch sie endlich Worte in ihrer Bewegung. Beliebter, du, Einziger!" ,Olhne Groll und ohne Zorn bist du gekommen, Maud?" Sie lächelte. „Ich habe gegrollt und gezürnt, aber ich kann nicht sein ohne dich!" „So groh war die Sehnsucht, Geliebt«, so ti«f, dah du gekommen bist?" „Ja, Achim, so groh! Aber noch um etwas anderes bin ich gekommen." Sie schwieg einen Augenblick, schmiegte sich dann noch fester in seine Arme unV sagte leise und selig: „Ich kam auch, u^il ich will, dah unser Kind in Deutschland ge boren wird, und weil du mir nahe sein sollst zu dieser Zeit,- wo die Erfüllung unseres Lebens, unserer Liebe uns wer den soll." Er konnte sein Glück kaum fassen, sprachlos sah er sie an. Aber ihr Lächeln, der strahlend« Glanz ihrer Augen gab ihm den Glauben. Maud! Maud! Wie reich machst du mich, wie dank