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— 398 — waren in den letzten fünf Wochen, strahlten in altem Glanz. - Beseelter noch als sonst war ihr schönes.Antlitz, ein tiefer Frieden erfüllte ihre Seele, eine große Dankbarkeit. Nun würde alles wieder gut werden. Manchmal zwar ergriff sie die Angst um des Geliebten Geschick. Aber sie glaubte an sein Wiederkommen aus diesem Krieg«. So hart konnte das Schicksal nicht sein, ihn ihr nun zu nehmen, wo sie beide die Krönung des Lebens, der'Liede ! erleben sollten. Ihre Gedanken waren um ihn bei Tag - und bei Nacht, ihre guten, schützenden, zärtlichen Gedanken! Cie sollten ihm Talisman sein, > so wie er es geschrieben. . . William Kelsey sah mit Freuden, daß sefn Kind wieder dem Leben zulächelte. Ahnungslos, was in Mauds Seele vor sich ging, nahm er ihre MH-, ihre blühende Frische für ein innerliches Loslösen von Joachim von Treuendorf. Sie begann Lch mit ihrem Schicksal auszusöhnen, begann ihn zu vergessen, der viel zu lange in-'ihrem Dasein gestanden. Er war an einem Abend bei ihr. Sie sprachen von ' vielerlei Dingen. Schließlich sagt« William Kelsey: „Wir wollen die Scheidungsklage bald einreichen, Maud, je eher 'du frei wirst, desto besser für uns alle." Sie sah ihn fassungslos an. Was sprach er da? Er meinte gleichmütig: „Schwierigkeiten bietet die Sache ja nicht. Der,.Fall . liegt ganz klar." l Sie wollte antworten, da erschien nach kurzem Klopfen ein Diener, um zu melden, datz Herr Kelsey dringend am Telephon verlangt würde. So wurde Maud her Antwort enthoben, denn ihr Vater wurde eilig zu einer späten Konferenz nach Perth Amboy gerufen, wo im Betriebe irgendwelche technischen Schwierig keiten entstanden waren. > Sie konnte nun nicht mehr mit ihm über die 'Sache sprechen. Sie war nachdenklich geworden. Die Scheidung also erwartete ihr Vater mit Sicherheit, war wohl gar noch froh, den ihm stets unbequemen Schwiegersohn jetzt loszuwerden? Ob auch die anderen so dachten? Ob Mark Tryon jetzt vielleicht triumphierte? Ob ihr Vater wohl gar mit ihm von Mauds bevorstehender Scheidung ge sprochen? Eine dunkle Röte stieg in ihr Antlitz. Oh, wenn es so wäre!. Wie häßlich und klein dachten diese 'Menschen alle, die ihm stets Widersacher gewesen, von Joachim! Wie klein auch von ihrer eigenen Lieb«. ' - Sie dachte nach. Untadelhaft hatte Joachim sich in all den vergangenen Jahren benommen. Daß er Tüchtiges rm Geschäft leistete, hatte selbst widerstrebend ihr Vater an erkannt. Und war ihm doch niemals näher gekommen. Hatte hohe und unübersteigbare Schranken aufgetürmt zwischen sich und dem Mann seiner Tochter. Sie verstand plötzlich, daß das Leben für Joachim wohl doch nicht so leicht gewesen war, wie sie immer gedacht. Er hatte seine Tage, verbracht neben ihrem Vater, der ihn argwöhnisch stets beobachtete, zwischen dem alten Tryon, der ihm ein Widersacher, und Mark Tryon, der ihm ein Feind war. 'Nun, da er gegangen, um seine Pflicht gegen sein Vaterland zu erfüllen, waren sie alle über ihn hergefallen, die ihm nicht wohlwollten! Nun, sie all« sollten erleben, daß sie sich zu ihm bekannte, zu dem Erwählten ihres Herzens, im Leben und Sterben zu ihm. Und wenn Joachim nicht wieder zurück wollte in seine bisherige Tätigkeit, nicht wieder zurück zwischen diese Men schen, die sich freuen würden über seinen Sturz, so würde sie es begreifen und ihn nicht beeinflussen! Es gab ja noch andere Möglichkeiten für ihn und für sie! Wenn «r ihr nur gesund heimkehrte aus diesem furchtbaren Kriege! Sie überlegte. Sie-hätte ihr Geheimnis gern noch länger ängstlich gehütet, aber nun schien es ihr doch an der Zeit,, ihrem Vater davon zu sprachen, damit er jeden Gedanken an «in« Scheidung auf ewig begrub. Sie sah ihn nicht in den nächsten Tagen. Und suchte ihn nicht. Denn sie war ganz gern jetzt allein mit ihren Gedanken, mit den Erinnerungen, die der Vergangenheit, mit den Hoffnungen, die« der Zukunft galten. Acht Tage nach jenem Abend kam der alte Kelsey wieder zu seiner Tochter. „Höre, Pa," sagte Maud, „du sollst der erste sein, der es erfährt. Du hast früher immer mir im Scherz gesagt, du würdest noch 'einmal ein sehr stolzer Großvater sein! Nun ist es so weif! Du sollst einen Enkel bekommen, wir werden ein Kind haben, Joachim und ich!" In William Kelsys Zügen war keine Freud« zu lesen, nur fassungslos« Bestürzung. „Maud", sagte er endlich mit zitternder Stimme, „arme Maud!" „Wie nennst du mich, arm? Wo ich so reich sein werde durch dieses Kind wie niemals zuvor im Leben? Wo ich so glücklich bin!" Er glaubte ihr nicht. Sie wollt« ihn täuschen. Ueber den Kummer ihres Herzens forttäüschen. Ach, «r wußte es wohl. „Ein Kind rüird die Scheidung ungeheuer erschweren." „Pa, was sprichst du da wieder! Du erwähntest neu- ilch schon einmal so etwas! . Wer hat dich nur auf diesen wahnsinnigen und ganz unmöglichen Gedanken einer Schei dung gebracht?" Er winkte ab. „Laß doch, Maud? Du willst es nun .nicht mehr eingestehen. Aber zuerst hast auch du an die Scheidung gedacht!" „Ich, ich hätte das getan?" Sie lachte.! „Und wann und warum?" „Weil dich dein Mann verlassen hat!" „Er ist gegangen, um für sein Vaterland zu kämpfen." „Sein Vaterland ist Amerika! Er hat dich verlassen. Auch du hast es zuerst empfunden. Wir alle haben doch deine starre Verzweiflung gesehen. Laß, Kind, wir wollen nicht weiter darüber sprechen, es regt dich aus. Ich mutz nachdenken über diese Dinge." Maud tat ihm den Willen, schwieg. Hoffte, datz er zur Vernunft kommen, datz er sich doch noch freuen würde. Aber er verließ sie bald, wortkarg und unzugänglich. , Sein-armes Kind! Er kannte seine Maud, ihren Trotz, ihren Stolz. Sie wollte ihm nicht zeigen, wie es aussah in ihr, wollte nun, ida ihr eine Scheidung unmöglich schien, nicht eingestehen, daß si» zuerst daran gedacht und daß die Trennung von Joachim von Treuendorf das einzig richtige für sie war. In schweren Sorgen fuhr William Kelsey heim. Mark Tryon fiel das veränderte Wesen Kelseys in den nächsten Tagen auf. Er ging gebückt wie unter einer schwe ren Last, er sprach nur das Notwendigste, er brütet« still vor sich hin. Und da es nur Mauds Geschick sein konnte, was den alten Mann so erregte, so wurde auch Marks Interesse wach. Er fragte Kelsey nach dem Grunde seines veränderten Wesens. „Maud will sich nicht scheiden lassen," sagte er müde. Mark Tryon erblaßte. „So hängt sie immer noch an diesem . . . Treuendorf? Trotz allem?" „Nein, Mark, das ist es nicht. Warum soll ich dir di« Wahrheit nicht heute schon sagen, wo 'du sie doch einmal erfahren wirst. Maud — erwartet ein Kind." Es blieb"still nach diesen Worten im Zimmer. Eine lange Weile. Mark Tryon rang nach Fassung. So nah hatte er sich nun wieder dem Ziel seiner Wünsche geglaubt, da kam das Schicksal von neuem und zerstörte mit unbarm herziger Faust seine Hoffnungen. Ein Kind dieses Deutschen! Dieses verhaßten Mannes! Ein Kind, das ihn ewig und immer an Joachim von Treuen dorf gemahnen würde! Das konnte er nicht verwinden, das nicht. Er erhob sich schwer, wortlos ging.'er aus dem Gemach Müden Blickes sah William Kelsey ihm nach. Als Maud ihm vor Jahren sein Wort vor bie Füße geworfen, da hatte Mark Tryon sich mit der Hoffnung aus die Zukunft getröstet, drr Maud erkennen lassen würde, daß sie ihre Liebe einem Unwürdigen geschenkt, die sie doch noch einmal in seine Arme führen müßte. Dieser Zeitpunkt schien jetzt gekommen. Mark war sei ner Sache sicher gewesen, selten waren ihm Zweifel gekom- men. Er wollte nur «tst einige Monate Derstreichen lassen, ehe er mit Maud sprach Und nun dieses Unvorhergesehen«, dieses niemals Er- wartet«! Ein Kind! Joachim von Treuendorss Kind! Aber doch auch Mauds Kind! Doch auch ihres! Und dieses Kindes wegen auf seine Hoffnungen verzichten, hieß Maud entbehren für ewig! Hieß das Glück selbst von sich weisen, das'ihm jetzt, noch einmal winkte. Maud entbehren? Ein Leben ohne Maud? Nein, nie mals! Niemals! Es war. ja nicht nur der Besitz der geliebten Frau, den Mark Tryon erstrebte. Auch seine 'Eitelkeit, sein von ihr