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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage znm Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs», Freitag-- und SomttagS»Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblatter betgegrbeu. M. 98 Sonntag de» 15. September 1918 klmraavir Du gabst uns unser täglich Brot Du halfest uns aus aller Not, Du hast bas Land gesegnet; An jedem Morgen ist uns neu , Barmherzigkeit und Güt 'und Treu Don Dir, o Herr, begegnet. Vernimm denn, Herr, wie diesen Tag Dir unsrer Herzen Heitzer Schlag In Dank entgegenwallet; Laß Dir gefallen, daß der Mund Am Erntefest Dir Stund' um Stund' Das Lob- und Danklied lallet. Blick, Herk, auch auf das Erntefeld, Auf dem der Tod "jetzt Ernte hält, Wo Blut und Tränen flietzen, Und laß aus Blut- und Tränensaat Nach Deinem weisen Liebesrat 'Viel Segensfrucht entsprießen. Die Ehre der Teeuendorfs. Boman von Lola Stern. Sv - Nachdruck verboten Joachim von Treuendorf wurde es dunkel vor den Augen. Er wankte. Sein Schwiegervater stützte ihn. Im Privatkonto! erst fand er sich wieder. „Du mutzt dich wohl doch noch schonen," sagte der alte Kelsey, „nun, du hast ja auch genug zu tun in der City, brauchst nicht in dem Lärm und der Hitze der Werke zu arbeiten." Ach, nicht Hitze, nicht Lärm hatten ihn niedergeworfen. Die Empörung, daß dies alles sich vor seinen Augen vollzog, sich vollziehen durfte, Latz hier Waffen geschmiedet wurden gegen sein Vaterland und er verdammt dazu "sein sollte, es mit anzusckhen, das hatte ihm Kraft und Besinnung geraubt. Und so wie hier war es überall. Joachim ließ sich schweigend von. seinem Schwiegervater von den Lieferungen berichten, die Amerika übernommen und schon ausgeführt. Ein gewaltiger Strom roten Goldes wälzte sich über das Meer, floh durch die Vereinigten Staaten. Die großen Fabriken in Pennsylvania hatten von.den enormen Lieferungen der Entente den grötzten Teil über nommen. Neue Fabrikanlagen mutzten geschaffen werden, Ar beiter schufteten Tag und Nacht. "Ganze Arbeiterkolonien waren entstanden mit Wohnungen und Verkaussläden, mit allem zum Leben Notwendigen. Und immer neue Aufträge überschwemmten das Land. Immer neue Möglichkeiten, sre auszuführen, wurden ersonnen. Joachim sagte: „Ohne diese Lieferungen lägen die Feinde Deutschlands lange am Boden. Ohne sie wäre der Krieg schon beendet oder würde in allernächster Zeit doch entschieden werden. Amerika lädt eine ungeheure 'Blutschuld auf sich durch diese Kriegslieferungen." Dem alten Kelsey entfiel seine Pfeife. Redete sein Schwie gersohn irre? Aber er machte keinen kranken Eindruck mehr. Er fragte testend: „Fühlst du dich schlecht?" „Danke, nein, ich bin ganz gesund. Und ich freue mich, datz ich es bin, dah ich nun wieder sehen kann, sehen, was hier vorgeht." „Dich freuen die Aufträge nicht?" „Freuen, wo jeder gegen mein Vaterland gerichtet ist, wo alles und alles hier bestrebt ist, dieses Land LU zerschmettern, zu zertrümmern, zu Boden zu zwingen? Freuen, -wo ich ein Deutscher bin?" „Bist du es immer noch? Ich dachte, du wär^t Ameri kaner geworden?" „Datz ich es der äutzeren Fornt nach einst ward, auch das bedaure ich heute! Aber innerlich war ich immer Deutscher und werde es bis an mein Lebcnsende bleiben." Der alte Kelsey zuckte die Achseln. „Ich habe keine Zeit für theoretische Erörterungen, Jo achim," sagte er kühl und sachlich, „ich habe zuviel geschäft liche Dinge zu bereden." „Aber nicht mit mir!" „Nicht mit dir? Ich verstehe dich nicht!" „Und du hast wirklich geglaubt, ich würde weiter hier arbeiten, selbst mithelfen an dem Verderben -meines Vater landes? Das hast du von mir glauben können? Der Ge danke ist schon eine Beleidigung für mich!" „Mäßige dich! Du vergißt dich!" „Nein, ich vergesse mich nicht. Du aber hättest an mich, an den Mann deiner einzigen Tochter denken müssen, der doch nun einmal der verhaßten Nation der Deutschen angehört, hättest mit Rücksicht aus mich diese Lieferungen niemals über nehmen dürfen!" Der alte Kelsey starrte ihp noch immer wie entgeistert an. „Joachim, ich zweifle an Äinem klaren Verstände! Seit wann nimmt man im geschäftlichen Leben Rücksicht auf Senti ments? Ich hätte diese Aufträge nicht annehmen dürfen?" Er lachte schallend auf. „Mir Millionen entgehen lassen, damit ein anderer sre 'in die Tasche steckt? Für einen so hirnverbrannten Dummkopf hast du mich gehalten? So ein Geschäftsmann bist du also! Nun, heute freue ich mich, daß ich dich noch nicht zu meinem Teilhaber machte, daß du keine Stimme hast und keine Macht in den Werken." ' Er hatte sehr laut gesprochen, geschrien fast, die Tür des Nebenzimmers hatte sich geöffnet. Auf der Schwelle standen die Tryons, Vater und Sohn. Wuchtig,, zufrieden, sicher, so standen sie da, 'die "Pfeife im Munde, kühl und spöttisch die Aussprache der beiden Männer anhörend. „Dort stehen meine Mitarbeiter," rief der alte Kelsey, „meinst du, wenn ich mich leiten ließe von deinen sentimentalen Forderungen, diese Männer würden es sich gefallen lassen? Entmündigen würden sie mich als Geschäftsmann, oder in ein Narrenhaus bringen lassen, wohin ich in solchem Falle gehörte." „Ob wir liefern oder eine Konkurrenzfirma, das ist für Deutschland dasselbe, Blister Treuendorf," sagte der alte Tryon bedächtig. „Wenn Deutschland könnte, glauben Sie nicht, daß es uns auch Munition bestellen würde? Aber die, Waren können Deutschland nicht erreichen, das -ist das Aus schlaggebende bei der Sache. Und das ist Deutschlands Pech. Was aber kümmert es uns?" Joachim von Treuendorf hatte sich erhoben. Noch schlan ker als sonst war er nach seiner Krankheit geworden. Hoch, sehnig, vornehm stand er vor den drei Männern. „Ich kann Sie nicht zwingen, anders zu handeln, als Sie es tun," sagte er beherrscht, „ich habe keine Macht hier und keine Stimme, obgleich ich William Kelsey der Nächste sein sollte. In dieser Stunde habe ich gesehen, daß ich chm immer noch der Fremde bin. Ich kann es nicht ändern." Wie rch über diese Art der Waffenlieferungen "denke, über diese Art der amerikanischen Neutralität, habe ich be reits gesagt. Ich habe für sie nur Verachtung!" „Oho!" rief Mark Tryon. Aber Joachim ließ ihn dicht zu Worte kommen. Er fuhr fort: „Ich kann nichts dazu tun, daß diese schändlichen Liefe rungen eingestellt werden, aber auch Sie können mich nicht zwingen, hier länger zu arbeiten, diesen Verrat ckn meinem