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-.es 2 rr M. 97 Mittwoch de« 11. September 1918 IS D-'A s " § Z LZ 'I LL^L! Die Herren lehnten in Korbstühlen auf dem Dachgarten des Riesenhotels, in dem sie sich verabredet hatten. Sitz hatten die Oberröcke abgelegt, schlürften Eisgetränke, liehen sich von Ventilatoren Lust zufächeln, aber die Hitze blieb unerträglich. Auch der Abend hatte kerne Kühlung gebracht. Tief, tief unter ihnen brodelte, prasselte, schwitzte New Park. Das Schreien der Zeitungsverkäufer, das Läuten der Cars, die Hupen der Autos, alle Töne der Riesenstadt drangen hier herauf nur wie ein gedämpftes und dennoch lautes und niemals verstummendes Summen der Lust. Die Herren starrten in 'das Gewimmel dort unten hin ab, sahen auf die erregten, wogenden, diskutierenden Menschen mengen, die fern erschienen und klein. Der Gedanke an den Krieg war in ihnen allen, die sich da unten bewegten. Ihm galten jetzt alle Gedanken, alle Gefühle. Vor Joachims Blicken tanzten die bunten, schreienden Reklamebilder, die hoch in der Luft von allen Seiten jetzt erschienen und die Augen quälten in ihrer grellen und aus dringlichen Helligkeit. Er schloß die Lider wie in Ermüdung, wie in Schmerz. Dann aber wandte das Gespräch, das erst stockend dahin? geglitten war, sich dem zu, was sie alle bewegte: dem Kriege, Air Khrr der Treuen-orfs. Boman von Lola Stern. Nachdruck verboten Z-Z-LS- ika isulenamLi — (Nachdruck verboten.) Aus tausend Adern blutet unsre Erde, Aus tausend Wunden rinnt der rote Saft, Viel tausend Herzen schreien laut zum Himmel, Und tausendmal stirbt Mut und Kraft. Und tausendmal wird neu geboren Des Herzens heil'ger Hoffnungsschlag; Und tausendmal wächst Muti und Stärk« An jedem neugewordnen Tag. Und tobt in Blut und Flammenmeeren Der Hölle teuflische Gewalt, Es wächst mit immer neuen 'Kräften Der Hoffnung siegende Gestalt! Die Schlangenbrut, die uns gestohlen Des Friedensengels lichten Tag, Wird tragen noch nach tausend Jahren Des Elends Fluch, der Väter Schmach! Gewiß, es wird.der Tag erscheinen, Und ist vielleicht nicht mehr so fern, Daß über Bluthund Flammenmeeren Hell strahlt des Vaterlandes Stern! Drum, wenn in langen, dunklen Nächten Der lichte Tag dir freundlich lacht, Glaub' nur des Herzens Hoffnungsschlägen, Und daß der Gottheit Wille wacht! von Willkür tausendfach zertreten, Unsterblich bleibt Gerechtigkeit In abertausend hohen Siegen, Im Meere der Unendlichkeit! Gl. Sell-Gräfe. Deutschlands Geschick. Man sprach über die Möglichkeit, ' nach Deutschland zu kommen, und keiner verkannte die Schwie- rigkeiten einer solchen Reise. . „Und doch muß es gewagt werden!" Das war der Re frain von allem, was Joachim von Treuendors sagte. ! „Und was sagt Ihre Frau dazu, Treuendors?" fragte ; Graf Bodenstein, Mary Smith' Gatte. „Man kann nicht hierhin und dorthin hören, wenn man ein Ziel fest vor" Augen hat, lieber Graf," sagte er düster, ! „meine Frau wird sich erfinden müssen mit der Tatsache, l Und die Ihre?" i Der Graf lachte. „Ich ginge ja auch gern, gewiß. Das j alte Soldatenblut regt sich in einem. Aber meine "Mary hat wie eine wilde Katze gefaucht, hat mir mit Scherung. i gedroht, wenn ich so wahnsinnig wäre, wie sie es n«Hnt, fetzt ! nach Deutschland zu reisen. Schließlich, lieber Treuendorf, ! kann man auch hier nützen. Hier mNewyork sich zusammentun und das Deutschtum hochhalten! Und wenn die englische s Presse gar zu frech wird, Artikel in die anständigen.Blätter , lancieren, die das Volk ern bißchen aüfklären, die Wahrheit ' bringen. Wir wollen doch alle nicht gern in englische Ge fangenschaft geraten, und das wäre ja doch unser Los." Als Joachim gegen Mitternacht von den Herren sich trennte, war ihm das Herz noch schwerer als vorher. Er hatte in dieser Aussprache nicht gesunden, was er 'gesucht. i Keine Gemeinsamkeit der Gedanken, des Wollens. Der eine i meinte dies, der andere jenes. Sie alle wünschten, in Deutsch- f land zu sein, aber sie all« sahen auch die Gefahren der Reise, !, hielten es fast für eine Unmöglichkeit, das geliebte Land zu erreichen. i Joachim setzte sich selbst auf den Führersitz seines Aura» und ließ dem Chauffeur im Wagen Platz nehmen. Er fuhr gern selbst, besonders, wenn er erregt war so wie heute. Er wollte die furchtbare Nervosität, das Zittern der Hände gewaltsam bekämpfen, denn schweres stand ihm noch bevor: , die Aussprache mit Maud. i Er dachte an sie mit tausend zärtlichen Gedanken. Da» war das Schwerste, ihr weh Än zu müssen, sie zu betrüben, sie zu verlassen. Aber — mußte es nicht sein? i Sie meinte, sein Platz sei an ihrer Seite, .heute und immer, aber sein Männerempfinden sagte ihm, daß sein Platz jetzt in den Reihen der kämpfenden deutschen Brüder i war. Das Auto jagte dahin, in einem unerlaubten, einem gefährlichen Tempo fuhr Joachim von Treuendorf. Seine Gedanken schweiften weitab, zu Maud, nach Deutschland. Er sah kaum noch den Weg, sah in seiner rasenden Fahrt nicht die Hmdernisse, die ihm begegneten, sah nicht das groß« Auto, das in Las seine fuhr, als er, ohne zu bremsen, in voller Fahrt um die Ecke sauste. Ein furchtbarer Krach, «in gellender Schrei aus drei Menschenkehlen: Und dann Dunkelheit, Dunkelheit und Nichtwissen. P. ° Als Joachim von Treuendors zum erstenmal mit Be wußtsein die Augen wieder öffnete, hörte er einen kleinen Schrei. Er . sah Maud, die sich über ihn beugte, und fühlte etwas Heißes und Nasses auf seine Hände fallen. Es waren Tränen der Freude, die sie weinte. „Liebling," sagte er mit schwacher und zärtlicher Stimme. Dann aber übermannte ihn die Schwäche. Er schlummerte wieder ein. „Das ist der Eenesungsschlaf," sagte der Arzt zu Maud. »Jetzt ist Herr von Treuendorf gerettet." Sie schlang die Hände ineinander, sie sank auf die Knie. „Vater im Himmel, wie soll ich dir danken, daß du ihn mir läßt." Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags« und SonntagS-Nummer ohne Preiserhöhung der Hauptblatter beigegebeu.