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LS A-« K »LN « L »LN- o «.c — 37S — ,Rrrum, rrrum, rrrum — wie wenn ans einem Haustor heraus eine Meute wütender Hunde einen Vorüber gehenden anfällt, geifern die Granaten rechts und links der braven Essenholer. „Los, los!" ruft an der Spitze der Ge freite, „300 Meter weiter ist die Schlucht!" Der Schlamm hält nicht mehr die Stiefel fest, die Finsternis hemmt nicht den strauchelnden Futz. Mle rennen «m ihr Leben. Laut und mißtönend klappern die Koch geschirre aneinander. Ein Häuflein schweratmender, schweißgebadeter Menschen sammelt sich in der Schlucht. „Sind alle-da? Ist keiner verwundet?" fragt der Ge freite durch die pechschwarze, verregnete Nacht. Und sie halten Glück. Alle sind da. Keiner ist verwundet. Zehn Minuten vergehen. Langsam, knurrend verebbt das feindliche Artilleriefeuer. Nur ein schweres Kaliber zieht noch von Zeit zu Zeit rasselnd über die Schlucht hinweg. Die Essenholer stapfen weiter durch den unaufhörlich fließenden Regen. Immer wieder ruft es von hinten: „Nicht so rennen! Nicht so rennen!" Plötzlich ein dunkles Gewirr und dumpfer Lärm von 'Menschenstimmen, knarrenden Wagen rind stampfenden Pfer den. Die Straße ist erreicht. Ein Volltreffer hat einen Mu nitionswagen zerschlagen. Artillerie, Munitionskolonns, Mi nenwerfer stauen sich auf der schlammbedecktsn Straße, wie »in Eisenbahnzug, der gegen einen Prellbock fährt. Und zu beiden Seiten der Straße brüllen die Einschläge der Granaten, zerreißen ihre beiden Blitze für Sekunden den schwarzen Mantel der Nacht, als ob die Tür zu dem hellerleuchteten Inneren eines in tiefer Finsternis liegenden Hauses augen blicksschnell auf- und zugeschlagen würde. Die.Essenholer hasten sich zwischen Fahrzeugen, Menschen und Tieren auf der Straße weiter. Wer nicht folgen kann, muß zurückbleiben. Hier kann es keinen Aufenthalt geben. Nach einigen hundert Metern wächst ein niedriges Ge fährt, aus dem eine kurze Röhre aufragt, aus der Straße. „Ah, die Küche!" „Küche der 4. Kompanie?" ruft der Gefreite. „Hier 4. Kompanie!" tönt es aus dem Regenschleier zurück. Die Essenholer eilen hin. „Aber das sind doch nicht unsere Pferde?" Wirklich. Es ist die Küche der 4. Kompanie eines Vliese, Sie ib« nickt elleickte« Die geistvolle Schriftstellerin, die uns vor Jahren ihren Roman uirter obigem Titel bescherte, spricht von Briefen, i die ihren Empfänger nicht mehr erreichen konnten. Der Ge neralpostmeister der Vereinigten Staaten aber mußt« nach der Zeitung „San Francisco Traminer" von amerikanischen Briefen sprechen, die zu Tausenden von ihren Absendern re klamiert wurden, nicht weil die Empfänger nicht zu erreichen ? gewesen wären, sondern . . . weil sie infolge von Der- > senkungen der Post mitführenden Schiffe durch U-Boote ver- ! lorengegangen waren. Eine schwierige Aufgabe für den Post- Minister eines großen Reichs, dessen Regierende immer wieder i behaupten, die U-Boots-Gefahr wäre nunmehr überwunden. Nach der genannten Zeitung gingen mit dem von New- - york nach Haiti bestimmten Dampfer „Fjel" 7150 gewöhnlich; ! Briefe unter, autzerdem viele Pakete und eingeschriebene : Sachen. Mit dem Dampfer „Duca di Genova", der am s 18. Januar von Newyork nach Gibraltar und Genua ab- - ging, sanken 312 Säcke mit Post in die Tiefe, und der Untergang des Dampfers „Caledonia", der Ende Juni 1917 s 8 anderen Regiments. Noch mehr Feldküchen tauchen auf. Ein Mildes Geschrei hebt an: „Hier Regiment X., hier Minear Werfer, hier Maschinengewehrkompanie". s Endlich nach einer halben Stunde finden sich unsere Essen holer unter fortwährendem Rusen zu der Küche ihrer Kom panie. Sie werden schon lange sehnsüchtig erwartet. Nun aber schnell! Die Kochgeschirre, die Feldflaschen werden jn der dicken Dunkelheit rasch und mit der Sicherheit von Blinden gefüllt. Ein Feuerüberfall, der dicht dabei em- schlägt, zuckt gespenstige Lichter über die eiligen Menschen. Di« Pferde scheuen und steigen. Äber: „Nur zu, nur zu!" Di« Feldküchen sind kostbar und das Essen für die hungern den Kameraden nicht weniger. Man lädt sich die Säcke mit Brot aus die Schultern, greift nach den vollen Kochgeschirren und Feldflaschen. -Kommt gut hin!" ruft der Koch und schwingt sich schon auf seinen Sitz. Di« Essenholer aber stapfen und waten, schwerbeladen, wieder zurück. Der Regen rinnt rieselnd und unablässig. Den Kopf unter dem schweren Stahlhelm geneigt, suchen sich die Essenholer durch Nacht und Artillerisfeuer ihren Weg. Hier fällt einer mitsamt seinem Brot in einen .Granat trichter und muß das Brot aus dem Wasser heraushvlen. Dort drohen einem anderen die Kochgeschirre zu entgleiten. Schon ist eines halb leer. Fieberndes Warten der. übrigen Leute. Weiß man doch, es handelt sich nur um Glück, nur um Glück. Ob der Feind eine Minute eher oder später lvslegt gegen die Stelle, wo man sich gerade befindet. Endlich wieder weiter. Leuchtkugeln, die der Regen zu Nebelstreifrn verwischt, zeigen die Richtung. Eine halbe Stunde, noch eine. Man hört leise Stimmen, sieht da und dort ein mattes, metallisches Schimmern am Boden. Di« Kompanie! Nach vierstündigem Marsch sind die Essenholer Lieder zurück. Naß bis auf die Haut. Die Zunge Nebt ihnen am Gaumen. Ein freudiges Raunen geht durch die Kompanie. „Das Essen ist da!" Das Brot ist zwar aufgeioeicht und voller Lehms das Essen fast kalt. Aber jeder setzt sich in sein Loch und, itzt schnell und gierig. Dann gibt er das Kochgeschirr seinem Nachbar. Darauf wird die Zeltbahn wieder über den Kops ge zogen ünd Posten gestanden. Die von Schweitz dampfen den Essenholer zittern vor Kälte. Ihre Blicke richten sich prüfend zum Himmel. Kcine Hoffnung auf besseres Weiter. Als der Morgen in grauen Schleiern über den Graben ' schleicht, aus dem müde, übernächtige Augen brennend nach dem Feind starren, flieht der Regen noch immer mit nieder drückender Melancholie. Jeder von der Kompanie holt ein Stückchen aufgeweich ten Brotes aus schmutziger Tasche. Es klebt an den Zähnen. Aber alle wissen, was es gekostet hat, dieses wasserdurch tränkte Stück Brot in den vordersten Graben Zu bringen, und darum schmeckt es so guk, wie manchem Daheimgebliebenen nicht sein Frühstück im behaglichen Ehzimmer. Hauptmann Engelhardt, Offizierkriegsberichterstatter. kllendoler <K. M.) Aus dem Felde wird uns geschrieben: Unaufhörlich strömte der Regen und verwandelte das Gelände nordwestlich von Bapaume in einen zähen, dunkel farbigen Morastbrei. Menschen, Tiere und Wagen glitten, versanken wie in Kuchenteig. Zwei Schritte vorwärts und »iner zurück. Und die feindlichen Granaten schlugen dazwischen. Die.Gräben standen kniehoch voll schlammigen Wassers. Die Grabenwände rutschten klatschend hinein. Vorbei sind die Heilen, wo man die Feldküchen fast vergessen hatte im Reichtum der erbeuteten Lebensmittel. Nackt für Nacht muh das Essen wieder kilometerweit herangeholt werden. Mürrisch dehnte sich der Abend über das kalte Sumpfseld. Da hallte wieder die Schlammzeile des Grabens entlang, den die 4. Kompanie besetzt hielt, jener Ruf, der viel« mehr erschreckt als ein plötzlicher Angriffsbefehl. Die Essenholer melden sich um 7 Uhr 30 beim Kompanieführer. Pünktlich zur bestimmten Zeit arbeiten sich aus jeder Grupp« zwei Mann mit Kochgeschirren und Feldflaschen dreck bedeckt n,ach dem Platz des Kompanieführers. Alle sind versammelt. Der des Weges am besten kundig ist, setzt sich in Bewegung. „Los!" Im Gänsemarsch hängen sich die übrigen an. Die Füße in den lehmverllebten Stiefeln gleiten. Trotzdem geht cs sreiweg. Alle kennen die gefähr lichen Stellen. Jede Sekunde kann einen Feuerüberfall brin gen. Noch ist es ziemlich ruhig. Nur ab Ujnd zu fällt «in Schutz. Aber niemand täuscht sich über das Trügerische dieser Ruhe. „Rennt nicht so! Man kommt ja nicht mit!" ruft einer keuchend am Schlutz. „Halt! Halt —!" schreit es aus einem tiefen, halb mit Wasser gefüllten Eranatloch, in das ein anderer gestürzt ist. Alles wartet. Aber: „Vorwärts! Vorwärts!" drängt jeder. Es ist vollkommen dunkel geworden. Die Zeit der Feuerübersäile ist da. Mit klopfendem Herzen stapft man weiter.