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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Aird jeder Mitwochs, Freitags- und SörmtagS-Nummer ohne Preiserhöhung der HaupLlatteS beigegebev. Ar. 93 Mittwoch de« Kre Khre dee Utzmeudo^s. Roman von Lola Stern. 15 Nachdruck verboten .10. William Kelsey sah beim ersten Frühstück und las seine Zeitung. Er war um diese frühe Morgenstunde, «he er in die Office fuhr, gern allein, wünschte leine Bedienung ,und genoß die Ruhr und Gemütlichkeit dieser ungestörten Mahl zeit mit Behagen. So schaute er unwillig auf, als die Tür des Zimmers geöffnet wurde. Aber sein Gesicht erhellte sich sofort, als er Maud auf der Schwelle sah. Sie trat vollständig ange- kleidet fn einem losen, lichten Hauskleid auf ihren Vater Zu und küßte ihn aus die Stirn. „Guten Morgen, Pa! Eule Laune heute?" Ueberrascht und froh lächelte er sein schönes Kntd an. „Maud, was ist denn geschehen? Zu so früher Stunde habe ich dich überhaupt noch nicht in meinem Leben gesehenl Ich denke, du liegst in tiefstem Schlummer." Sie lächelte. Sie sah rosig und frisch aus, alle Ab spannung, die ihn gestern ein wenig geängstigt, war aus den schönen Zügen verschwunden, ihre Augen strahlten wie Sonnen. „Ja, Pa, es ist auch etwas Besonderes, was mich zu dir führt. Ich dachte, Zu dieser Morgenstunde sind wir am ungestörtesten. Bist du fertig mit dem Frühstück? Ja, aber auch wirklich? Nun, dann zünde dir deine Pfeife an." Er wurde immer erstaunter. Ihre Fürsorge um ihn verblüffte ihn. „Maud", sagte er unruhig, „sage mir gleich, was du von mir willst! Es kann sich nicht um eine Kleinigkeit handeln, wenn du so zärtlich und so besorgt bist." „Pfui, Pa, wie du sprichst! Bin ich nur nett, wenn ich etwas will? War ich denn nicht immer dein gutes Kind?" Sie rückte ihm nahe, lehnte das Köpfchen schmeichelnd an seine Schulter. Sagte dann ernst: „Aber du hast doch recht, es ist auch wichtig, tvas ich dir zu sagen habe. So wichtig, wie noch nie etwas für mich war. Denn es handelt sich um mein Glück." Wieder wurde Kelsey unruhig. „Was ist denn, Dar ling, dein Glück? Bist du n-ht glücklich?" „Seit gestern bin ich es," sagte sie versonnen. „Denn seit gestern weiß ich, daß ich niemals Mark Tryons Frau werden kann." „Maud, was, was sagst du da?" „Höre mich ruhig an, Pa! Ich habe Mark gewählt, weil ich glaubte, wir würden zueinander passen. Aber seit ich seine Braut bin, war ich unfroh und voller Zweifels Ich wäre niemals glücklich geworden an seiner Seite, und ich hätte ihn niemals glücklich gemacht. Darum ist es besser, ich löse das Band heute, ehe es zu spät ist." Starr vor Staunen hatte William Kelsey seine Tochter angehört. Nun fragte er, und sie erschrak vor dem rauhen Ton seiner Stimme: „Du sagst mir nicht alles. Wer steht zwischen dir und Marl?" Da richtete sie sich höher auf, „Zwischen mir und Mark fiel ''von Treuendorf!" " Maud hatte ihren Vater in ihrem ganzen Leben nur gütig und zärtlich gesehen. Sie erschrak, so sehr verwandelte sich der Ausdruck seines Gesichtes. Die Adern auf seiner Stirn schwollen an, seine Hände ballten sich, seine Stimme klang drohend: „Diesen hergelaufenen Deutschen, diese dunkle Existenz, 28. August 1918 diesen Mann, der nichts ist und nichts hat, diesen, diesen ... Ihn willst du Mark Tryon vorziehen? Willst du dein Wort brechen, willst Anstand und Sitte mit Füßen Keten, willst einen Skandal, wre er nach nicht da war, heraufbeschvv- ren? Maud, ich muß denken, du bist deiner Sinne nicht mächtig!" „Ich war nie klarer und sicherer als heute, Pa!" „Das kommt davon, weil ich zu nachsichtig war gegen dich," tobte er und rannte mit großen Schritten durch das Gemach. ^,Weil ich dir jeden Willest tat, dich verzog, ver wöhnte! Darum meinst du, du könntest tun, was du willst. Das ist der Dank für mein« Liebe, meine Fürsorge, dafür, daß ich dir die Hände stets unhA die Füße breitete, daß du «men hergelaufenen, vielleicht verbrecherischen Mann heiraten, Pflicht und Rechte mit Füßen Keten, ernsthafter Männer spotten willst!" Sie war sehr bleich, aber noch blieb sie ruhig. „Ich habe gekämpft," sagte sie, „und wenn du « nicht gesehen hast und nicht gemerkt, so ist es, weil du dich nicht um mein Seelenleben < kümmertest! Niemals! Ja, du hast mir allen Willen getan, du hast mir -Geld gegeben und schöne Kleider, aber ob ich innerlich glücklich war, wie es aus- sah in meinem Herzen, danach hast du nie gefragt!" Er war sprachlos. „Vorwürfe," keuchte er endlich, „Vor würfe zu dem allen? Vorwürfe statt Dankbarkeit!" „Keine Vorwürfe, ich will dir nur sagen, wie es war. Ich trete nicht leichten Herzens das, was du "Sitte und Pflicht nennst, mit Füßen, ich habe gerungen und gelitten, aber ich mutz tun, was ich jetzt tue! Ich mutz! Denn ich will mcht unglücklich an Tryons Seite werden, wo ich alles Glück der Welt finden kann in einem Leben mit Joachim von Treuen- 'dorf!" „Dieser Mann!" keuchte Kelsey. „O dieser Mann! Er würgen könnte ich ihn mit eigenen Händen! Er hat dir den klaren Blick geraubt und das ruhige Urteil! Verzaubert hat er dich, dieser — dieser Verführer!" In all ihrem Kummer mußte Maud lächeln. „Ein Verführer, er? O Pa, er hat sich mir fernge- hatten, er hat seine Stellung bei euch gekündigt, um nicht länger in meinem Leben zu stehen! Alle Schuld, wenn von einer solchep gesprochen werden kann, liegt bei mir!" „Das sagst du in deiner blinden Verliebtheit! Maud, höre mein letztes Wort. Ich will diese ganze Unterredung als ungesprochen bekachten, wenn du wieder zur Vernunft kommen grillst! Denn das sage ich dir: nie und nie gebe ich meine Einwilligung zu einer Heirat zwischen dir und diesem hergelaufenen Deutschen!" „So werde ich ohne deine Einwilligung sein Weib!" Ganz ruhig klang ihr« Stimme. Hoch und stolz und sicher stand sie vor dem erregten Mann. „Du wirst es dir überlegen, Pa! Das war nicht dein letztes Wort! Denn ich habe nichts mehr zu bedenken uno nichts mehr zu erwägen! Mein Herz hat entschieden! Mein Glück ist Joachim von Treuendorf! Nenne ihn, wre du willst, denke von ihm, wie du magst, die Zukunft wird dir zeigen, daß er anders ist, als du heute meinst. Wie es aber auch kommt, was du auch tust und "unter nimmst: ich gehöre zu ihm, im Leben und tm Sterben zu ihm!" Er verstummte vor ihrer Entschlossenheit, vor ihrer Ruhe. Er kannte sein Kind. Er wußte, wenn sie so sprach wie jetzt, dann war sie unbeugsam. Er sagte müde: „Ich Habs früh meine Frau verloren. Du warst mein ganzes Glück, Maud! Und nun soll icher- ' leben, daß du dich von mir abwendest, kalt und ftemd, ohne jedes kindliche Gefühl?" Er tat ihr leid, aber sre merkte doch nun, daß er ein- sagte ruhrg und fest: c meine Liebe zu Joachim