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— 362 gedenken Sie meiner auch fernerhin freundlich, wenngleich ich Sie heute enttäuschte, wenngleich ich nicht so bin, wie Sie mich gedacht." , Sie antwortete ihm nicht mehr. . Seine Worte hatten fast wie ein Abschied geklungen. Sie aber wollte ihn Wieder sehen, ehe sie über ihr zukünftiges Glück entschied. Sie entzog ihm die Hand, neigte ernst den Kops und schritt eilends der Strah« zu. ' Er folgte ihr nach, sah sie ein Auto heranwinken, ein steigen und fortfahren. '> Er blieb allein. Sah dem davonrasenden Auto nach, wie seinem entschwindenden Glück. Und hatte das Gefühl, sich benommen zu haben wie ein Tor. Ein Tor, der nicht nahm, was das Schicksal ihm gnädig reichte. Lange stand Joachim von Treuendorf unbeweglich auf demselben Fleck. Um ihn war das Getriebe des Newyorker Abends. Eilende Passanten rempelten ihn. Hoch über seinem Haupte funkelte, glitzerte, flammte die hundertfältige Licht reklame der Riesenstadt. Schilder, Ziffern, phantastische Bil der in bunten Farben tanzten, flimmerten vor seinen Blicken. Und aus allesi Bildern, aus allen Zahlen schienen ihn Mauds meergrüne Augen anzublicken, traurig und voll Enttäuschung, weil er so anders war, als sie geglaubt. 8. An diesem Abend sah Joachim von Treuendorf lange Stunden, in qualvolles und dumpfes Brüten versunken, 'in dem bescheidenen, armseligen Zimmer, das er kn Newyork bewohnte. Er rang und kämpfte um einen Entschluß, um eine be freiende Tat. Denn ir fühlte mit voller Deutlichkeit: etwas muhte geschehen. Es ging so nicht weiter. Maud Kelsey war in sein Dasein getreten, .hatte ihn gewaltsam aus der Zurückgezogenheit, in der er gelebt, ge rissen, hatte Sonne und Anmut, Lachen und Wünsche in sein Leben getragen. Und Sehnsucht. Heihr Sehnsucht, die unerfüllbar bleiben muhte. Er hatte sie nicht gesucht. Immer wieder war sie zu ihm gekommen. An ihr lag die Schuld, wenn sie beide nun rangen und kämpften und sich quälten. Aber das war nun gleich. , Nicht, was. geschehen Par, sondern was zu geschehen hatte, daran mutzte er denken. Mit Entzücken und Qual hatte er am heutigen Abend erkannt, datz Maud verwandelt worden war durch ihn. Eine andere geworden durch seinen Einflutz. Aber — kein Glück hatte er ihr gegeben, nur Leid. Sie, dir ruhig und sicher ihres Weges bisher gegangen, sie kämpfte nun, sie zweifelte an allem, was ihr sonst recht und richtig erschienen »ar, sie wuhte nicht mehr, wohin sie sich wenden, was sie beginnen sollte. Im Zwiespalt war sie mit sich selbst, die so sicher immer gewesen war. Er hatte sie in diese Lage gebracht. War es nun nicht seine Pflicht, sie wieder zu befreien aus der Qual» m der sie jetzt lebte? Mutzte er nicht alles tun, um ihr dir Ruhe zurückzugeben, die «r ihr genommen? , Mutzte er nicht verschwinden aus ihrem Leben, gleich, sofort verschwinden, damit sie sich wieder zurückfand, damit sie einsah, datz ihr Schicksal Mark Tryon hietz, dem sie sich anverlobt, und nicht Joachim von Treuendorf? Der einsame Mann stöhnte auf. Ach, keine Lügen jetzt mehr und keine Beschwichtungen! Er war allein! Warum sich selbst also noch belügen und betragen? Warum die Komödie vor sich selbst fortsetzen, die er am heutigen Abend vor Maud Kelsey gespielt, als er anders,' ganz anders zu ihr gesprochen, als sein Herz empfand. Jetzt konnte er sich dis Wahrheit nackt und büllenlos eingestehen. Nicht, um Maud die Ruhe wiederzugeben, wplltr er verschwinden aus ihrem Dasein, nein, er mutzte es, wenn er überhaupt weiter leben und arbeiten wollte. Er mutzte es tun für für sich selbst. Denn er fühlte, er konnte nicht länger leben in ihrer Nähe und doch ihr ewig weit! Er würde nicht wieder die Kraft uer Beherrschung finden wie am heutigen Abend, wenn sie ihm noch einmal tzegenüberstand. Mit schier übermenschlichem Milieu hatte er sich heute zurückgehalten, war er korrekt geblieben. Aber er wutzte, er würde es nicht ein zweites Mal können. Denn er liebte Maud Kelsey. Seine Sehnsucht, sein Begehren, "sein Wille zwang ihn zu ihr, die die Braut eines anderen Mannes war, die ihm fern bleiben mutzt«, ewig fern, selbst wenn sie dieses andere« Weib nicht würde. ' Joachim von Treuendvrf erkannte in diesen stillen stun den, in denen er sich Rechenschaft gab über seine Gefühle^ datz «r nicht länger die Kraft haben würde, in Maud Kelseys Nähe zu leben, sie zu sehen, ihre Blicke, ihr Lächeln zu sehen und ihr dennoch zu entsagen. ... Er machte sich alles klar. Ja, er würde sie entbehren in Zukunft und mit ihr alles Schöne und Lichte und Leichte, was nun doch wieder in sein trauriges Dasein gekommen war. Mit ihr schied dir''Lonne, schied aller Glanz. Dunkel würde es um ihn'sein, ganz dunkel in Zukunft. Aber wenn er blieb? Nein, er konnte er durste nicht bleiben. Als Mann von Ehre nicht. Maud Kelsey würde 'ihn vergessen, würde vielleicht an ihn denken wie an «inen schönen Träum, wenn er jetzt aus ihrem Leben verschwand, und würde sich langsam wieder zurückfinden in ihre alte Welt. Und er? Nun, vielleicht würde auch er mit der Zeit verwindend Heute freilich, heute glaubte er es nicht. Nur sie nicht Wiedersehen, nur sie nichr wieder sprechen, Denn dann würde er ihr und seinem xGefühl verfallen, rettungs los ... . Der einsame Mann trat ans Fenster, prehte den Kopf an die Scheibe und starrte hinaus in die dunkle Nacht. Flüchtig gedachte er an seine geschäftliche Position. 'Ja, er hatte gehofft, in seiner neuen Stellung weiterzukommen. Nun war es wieder nichts. Nun kam wieder einmal 'das Schicksal hart und -unerbittlich zu ihm und schleuderte ihn fort von dem Platze, auf dem er stand. Aber das war ja gleich. Irgendwo würde er schon eine neue Anstellung finden, irgend etwas würde sich ihm bieten. Lichtlos und freudlos würde es sein wie sein ganzes Leben.-. „Maud!" flüsterte er vor sich hin. „Maud!" Er schloß die Augen, träumte sie an seine Seite» sah ihr schönes, ihr entzückendes Bild. x Nein, es blieb keine andere Wähl für ihn. Und kein anderer Weg. Joachim von Treuendorf setzte sich wieder an den Tisch und schrieb den Brief, der ihn auf ewig scheiden sollte von Maud Kelsey. Dann verlieh er sein Haus und steckte den Brief in den -Kasten. Mitternacht war vorüber, als er sein Zimmer meder erreichte. Nun war er den Weg gegangen, den seine Ehre, seine Korrektheit, sein Stolz ihm befohlen. Er hatte ge tan, was er für das einzig Richtige erkannt. Und was ihn dennoch mit hoffnungsloser Verzweiflung erfüllte. Mark Tryon fuhr am nächsten Tage mit seinem Schwie gervater zum Lunch in die Fünfte Avenue. Er hatte ferne Braut seil drei Tagen nicht mehr gesehen, ihre Kopfschmerzen würden doch eintnal besser sein. Sie muhte ihn doch endlich wieder vorlassen. Maud empfing die Herren auch, aber bei ihrem bleichen Aussehen und den dunklen Schatten unter ihren Augen glaubte man die Kopfschmerzen, über die sie klagte. Die beiden Männer ahnten ja nicht, dah die heute so müde scheinenden, schmerzenden Augen des Mädchens in der Nacht geweint, stundenlang geweint. Sie war sanfter als seit langem, aber still und müde. Blieb auch still während der Mahlzeit und lietz die Herren fast allein die Unterhaltung führen. Als sie beim Dessert sahen, meinte Mark Tryon oben hin: „Ja, Darling, das wird dich auch interessieren. Mein Sekretär hat mir heut« gekündigt und mich gebeten, ihn so bald als möglich zu entlassen." Es gelang ihr nicht, ihr furchtbares Erschrecken zu ver bergen. Schneeweih ward ihr Gesicht, und die schlanke Ge statt durchlief ein Zittern. » lleber ihre bebenden Lippen aber kam nur tonlos das eine Wort: „Warum?" „Das weih ich nicht," sagte Mark, den die Erregung seiner Braut aufs tiefste verstimmte. „Er hat mir Le schrieben, dah es Gründe rein privater Natur seien, die ihn um seine Entlassung bitten liehen. Gefragt habe ich-natürlich nicht. Denn wenn ein Angestellter fort will, so halte ich ihn nie." Maud antwortete nicht. Gewaltsam nahm sie sich nun zusammen. Sich beherrschen, beherrschen um jeden Preis, schwarzen wie so si