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— 338 — sät mit Edelsteinen und kostbaren Spitzen. Sie war nicht hübsch, die großen, sammetweichen Augen in dem schmalen und bleichen Gesicht ihre einzige Schönheit. § Sie betrachtete Maud anerkennend und nickte dann: „Schön siehst du aus!" Maud sah auf die Uhr: „Wir haben mindestens noch eine halbe Stunde Zeit, bis die ersten Gäste kommen, Mable, komm, gehen wir m mein Zimmer." Sie legte ihre Hand auf der Freundin Arm, und die jungen Mädchen durchschritten Mauds Schlafzimmer, be traten nun ihr Boudoir und liehen sich dort in zwei Sessel nieder. Es -war dies ein entzückend eingerichteter intimer Raum mit Hellen Birkemnöbeln und lichtgrünen, seidenen Tapeten und ebensolchen Bezügen. Seegrün war die Farbe, die'Maud bevorzugte, da sie am besten zu ihrer rotgoldenen Schönheit und ihren grünen Augen harmonierte. Mable Kennan sagte mit einem leichten Seufzer: „Ja, Maud, du hast's nun erreicht. Und muht doch heute glücklich sein." „Ich bin auch glücklich," sagte das junge Mädchen, „oder sagen wir einmal zufrieden. Ich habe, was ich wollte und wünschte. Aber warum sprichst du so melan cholisch von meinem Glücke, Kleine? Du kannst «s mir doch nachmachen, wenn du willst, dich heute abend noch verloben." Aber Mable schüttelte den Kopf. „Mich will so recht keiner, mein Geld wollen sie." Es war, kein Geheimnis, dah Mable sich mit ihrer zwei ten Mutter, die ihr Vater vor einigen Jahren heimgeführt hatte, einer geborenen Vicomtesse du Montain autzerordent- lich schlecht stand, und aus diesem Grunde wunderte Maud sich, dah die Freundin, die im selben Alter stand wie sie selbst, sich nicht entschliehen konnte, das Haus der Eltern zu verlassen. „Unser Geld ist natürlich immer die Lockspeise," sagte sie, „aber darum will man uns selbst doch auch." „Deinen Verlobten lockte nicht das Geld, Maud, nur deine Person. Du hast wahrhaftig alle Ursache, glücklich und froh zu sein, weil "du Mark Tryon zum Manne be kommst." Maud war ein wenig verwundert über den warmen Ton des jungen Mädchens, und sie meinte neckend: „Es ist ja richtig, du hast schon immer ein bihchen für Mark Tryon geschwärmt." Aber nun erschrak sie leicht, denn eine tiefe verräterische Röte ergoh sich über Mables bleiche Wangen. Hatte sie da unbewußt an eine geheim nisvolle Wunde gerührt? Ihr blieb keine Zeit zum Fragen und Nachdenken dar über, denn nach kurzem Klopfen traten zwei Herren in das Bemach: William Kelsey, der Vater, und Mark Tryon, der Verlobte Mauds. Mark Tryon, der nun auf seine Braut zutrat und ihre Hand an die Lippen führte, war ein großer, breitschulte riger, gutaussehender Mann von rem englischem Typus. Sein glattes, vornehm geschnittenes Gesicht wies einen Zug kühler Unnahbarkeit auf, wie Hochmut lag es um seinen energischen Mund, blickte es aus seinen kühlen, Hellen Augen. Er begrüßte nun auch die Freundin seiner Braut, die im Gespräche mit William Kelsey stand. Der wandte sich seiner Tochter zu, musterte ihre Erscheinung, nickte dann befriedigt und voller Stolz. Maud war sein einziger Besitz, auf den dieser viel fache Millionär eitel war, sie war sein Glück, seine Freude und sein Stolz. Daß sie das schönste Mädchen Neuyorks genannt wurde und wohl auch war, war .für seine Vater- eitelkeit der höchste Triumph. Er hielt ihre Hände einige Augenblicke in den seinen, sah ihr in die meergrünen Augen, die so ruhig und klar wie stets ihm entgegenleuchteten und sagte dann kurz, wie es seine Art war: „Werde glücklich, Darling, und vergiß mich alten Mann nicht ganz in deinem neuen Leben." Tie lächelte: „Das hat keine Sorge, Pa." William Kelsssy bot Mable Kennan den Arm. „Dars ich Sie nach unten führen, Mih Mable? Wie mir mein Schwiegersohn anvertraute, hat er den Wunsch, zwei Mi nuten mit seiner Braut allein zu sprechen. Also, Kinder, kommt, bitte, in zwei Minuten nach, nicht später. Die Gäste können jeden Augenblick erscheinen." Als das Brautpaar allein war, fragte Maud liebens würdig, aber in dem gleichen Ton, in dem sie zu allen Menscken sprach: „Hast du mir etwas Besonderes zu sagen, Mark?" . Er antwortete nicht gleich. Die Maske kühlen Hoch muts, die soyst über seinem Antlitz lag, war gesunken, in seinen Zügen arbeitete eine starke Bewegung, eine heiße Leidenschaft schlug Maud aus den Hellen Augen des Man nes entgegen. Er trat dicht zu ihr heran, umschlang sie fest und be deckte ihr Antlitz, ihre Augen, ihren Mund mit heißen, ver zehrenden Küssen. Aber sie machte sich von ihm los, und sagte halb entschuldigend und halb verwirrt: „Das geht heute nicht, Mark, du verdirbst mir meine Toilette ynd meine Frisur. Ich kann doch unmöglich m derangiertem Zustand meine Gäste empfangen." Es sollte scherzhaft klingen, aber- der Mann hörte den geheimen Unterton eines Widerstandes gegen seine Zärt lichkeiten aus. ihrer Stimme. So war es. stets, wenn er mit ihr einige Augenblicke allein war, wenn er sie küssen und liebkosen wollte. „Du findest immer eine Ausrede, um mich abzuwehren, Maud", sagte er, schwer atmend und bleich vor Erregung. „Als du meine Werbung erhörtest, da glaubte ich, es ge schehe, weil du mich liebst. Warum aber, wenn du mich gern hast, find meine Zärtlichketten dir unangenehm?" Ihr Gesicht hatte sich mit einer dunklen Röte über zogen. Noch schöner erschien sie ihm so in ihrer Verwir rung. Sie lachte ein wenig nervös. „Was redest du da, Boy? Natürlich habe ich dich ge- -nommen, weil ich dich gern habe, warum denn sonst? Aber du mutzt mir Zeit lassen, mich an alles erst zu gewöhnen, nicht so ungeduldig sein, Mark! Und mm komm." ' Sie hing sich in seinen- Arm, kühte ihn leicht auf die Wange und fragte mit reizendem Lächeln: „Sehe ich schön aus heute? Gefällt dir mein Kleid?" „Ach Maud," sagte er, immer noch schwer atmend, „deine Schönheit macht mich ja toll." „Still," sagte sie schnell und ein wenig angstvoll. Und zog ihn mit fort aus dem Zimmer. Sie war immer aufs neue erstaunt gewesen in diesen Tagen über die Leidenschaft, die in diesem ftihl beherrsch-- ten und ruhig scheinenden Mann schlummerte. Daß Mark Tryon, sie liebte, hatte sie immer gewußt. Aber sie hatte nicht d.iese Glut in ihm vermutet, nicht dieses verzehrende Feuer, das aus ihm brach, wenn sie allein mit ihm war, und das sie erschreckt ... Die vier großen Prunksalons im ersten Stockwerk des Palais waren weit geöffnet. Hier wurden die Gäste emp fangen. Zwei Reporter hatten Zutritt zu dem Feste erhalten, um in vielgelesenen Neuyorker Blättern über das Verlobungs fest Maud Kelseys und Mark Tryons berichten zu können. Die Verlobung des schönsten Mädchens Neuyorks, der ein zigen, Tochter des Stahl-Kelseys, war ein gesellschaftliches . Ereignis. Die Räume füllten sich mit Menschen. Eine Pracht der ! Toiletten, ein Lurus von Edelsteinen wurde entfaltet, .wie ! nur bei ganz großen Festlichkeiten Neuyorks. Jed« dieser ! vielfachen Millionärinnen suchte die andere zu überbieten in besonders teuren oder besonders aparten Toiletten, in ; der Pracht des Schmuckes; von den weißen Schullern und : Büsten- all dieser Frauen, aus ihren schwarzen und brau- ; neu und blonden Haaren strahlte und gleißte und schim- - merte e's m buntem, tausendfältigem, verschwenderischem Glanze. Ein ungeheures Vermögen an Perlen, Brillanten . und seltenen farbigen Edelsteinen war an diesem Abend in "William Kelseys Hause versammelt. Maud begrüßte ihre Freundinnen, sah die musternden ' kritischen und meistens bewundernden, manchmal auch nei- ! dischen Blicke, die sie streiften. Sie fühlte, sie wußte: sie war wieder einmal die Schönste auf biesem Fest. Und dies i Bewußtsein machte sie froh. Ihre Schwiegereltern umstanden sie, und sie plauderte heiter mit ihnen und mit Grace Wilcor, Mark Tryons i Schwester, deren Gatt« Sekretär im Ministerium des Jn° , nern in Washington war. Das Ehepaare war heute nach Neuyork gekommen, um bie Verlobung des Bruders zu feiern. Maud stand sich gut mit Grace, deren kühle und § ruhige Blondhrit eine starke Aehnlichkeit mit dem Bruder aufwies. Fortsetzung folgt.