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2 U-L K LZ 8 iSOi«. ^L"^IZZ§<!) -« Ä3r-^^ ^8- 2-"§8v«DL Frankenberger Erzähler ««terhaMtugsbeilage ,«m Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags- und SonntagS-Nuumrer ohne Preiserhöhung des HauMatteS beigegeben. n Mittwoch de« 31. AM 1918 SleicbM; Ein kluges Kind zum Vater sprach: „Warum mutz wohl das Volk entbehren Soviel an jedem neuen Tag? —" „Das kann ich dir, mein Kind, erklären: Der Baum im Sonnenbrände hier, Der leicht im Morgenwinde schwankt, Gibt seiner edlen Blütenzrer Nur wenig Nahrung, — doch sie langt! — Gab er in Mengen seinen Saft, Die vielen Blüten zu entfalten, — Erschöpft wär seine ganze .Kraft: Er könnt' nur wenige erhalten! Genau so stehts mit unserm Land. Auch Einteilung ist sein Bestreben! Wär' uns Entbehrung nicht bekannt: Gefährdet müßten wir dann leben! —* - - Hans Jesora» -«Kx» Vie Ehre der Treueudorfs. Boman von Lola Stern. S Nachdruck verboten Joachim von Treuendorf hatte nicht gesetzt. Er wollte das Schicksal nicht herausfordern. Er hatte sich eines aber gläubischen Gefühls nicht erwehren können. Für ihn ging es ja auch um mehr als um Verlust oder Gewinn einiger Hunderter oder Tausender. Für ihn war dies Rennen hier der letzte Hilferuf an das Schicksal. Versagte es hier — dann war es aus. - Auf beide Pferde waren Unsummen gesetzt worden, aber auf den Gaul des Leutnants von Walden, der als Favorit galt, doch noch mehr als auf „Puppt", die nicht so bekannt war wie der Rappe. Neben Joachim sagte eine heisere Männerstimme, hie entstellt Elana von Angst und Leidenschaft: „Dje vorletzte Hürde!" Da sah er auf. Ritz das Glas an die Augen, sah wie Erich sein Pferd mit Peitsche und Sporen wie ein Wahn- finniger antrieb. Hinüber! Jetzt ritten die beiden Reiter fast Schenkel an Schenkel. Erich von Treuendorf drückte dem blutenden Pferd die Spo ren in die Weichen, er lietz die Peitsche niedersausen auf den mißhandelten Rücken des Tieres, er spornte die Stute mit allen Mitteln, dir ihm zur Verfügung standen, zum Letzten, zum Aeußersten an. Er ritt wie ein Verzweifelter. Auf den Tribünen war das Rufen und.Toben der Mxnge, einzelne Zurufe erreichten die Reiter, Schreie der Mut, Schreie des Beifalls. Aber jetzt hatte der Rappe wieder einen Vorsprung. Erich von Treuendorf sah es, mit keuchendem Atem, mit letz ter, wahnsinniger Kraft ritz er sein Tier vorwärts. Er ritt wie einer, für den Leben oder Sterben vom Siege abhängt. Die Stute tat ihr Aeutzerstes. Aberder Vorsprung des Rappen wurde größer und größer. Mit letzter, versagender Kraft ritt Erich von Treuendorf. Und nun — dicht vor dem Ziel — die letzte Hürde. Der Rappe sprang hinüber! Und dann plötzlich ein wjld aufbrausender Schrei der Tausende! Die Stute sprang, bäumte sich hoch auf, brach zusammen, Ehren Reiter in wei tem Bogen aus dem Sattel werfend. Einen Augenblick später jagte der Rappe durchs Ziel. Ein ungeheurer Tumult entstand. Die anderen Reiter kamen heran, ein fast unbekanntes ! Pferd, auf das kaum gesetzt worden war, gewann nun den zweiten Meis. Diener, Jockeis eilten über das Feld, beugten sich über >. den reglosen Mann, hoben ihn auf, schafften ihn hinweg, i 'Schutzleute kamen hinzu. Joachim von Treuendorf stand in der- Mauer der wild > erregten Menschen, hörte ihre Ausrufe, sah hier das Lachen befriedigter Eier, "dort den Zornesausbruch über das oer- > kehrt gesetzte, verlorene Geld. Er wollte durch die Menge, seine Kräfte verließen ihn. > Da fühlte er sich an den Händen ergriffen, hörte Stimmen, ! vernahm Worte, ohne ihren Sinn zu 'begreifen, sah in be- ! kaimte Gesichter. Freunde seines Bruders, eigene Bekannte umdrängten ihn, schafften.ihm Platz, blieben an seiner Sette. Und hinter sich vernahm er em Raunen, ein Wispern . und Flüstern: „Das ist der,Bruder des Gestürzten!" . Dann stand Joachim von Treuendorf vor seines Bruders ' Leiche. Der Arzt.- saß neben dem Ruhebett, auf "das man "ihn ' getragen. Joachim stellte sich vor. Der^ Doktor gab ihm > die Hand. ! ' „Der Todeskampf hat nur wenige Minuten gewährt. : Und er war gleich ohne Besinnung. Als ich kam, röchelte ; er noch, aber die Agonie hat sofort eingesetzt. Das Sterben ist ihm nicht schwer geworden." - Dann wurde es still in dem kleinen Raum, in dem der Tote lag. Die Herren, die mit Joachim gekommen waren, umstanden ihn schweigend, ergriffen, voll Mitgefühl mit diesem jungen und glänzenden Leben, das nun so jäh und so tragisch geendet Hatte. Joachim von Treuendorf sah lange in das bleiche, leb lose Gesicht des Toten. Sah auf diesen Mund, der sich nie mals mehr öffnen würde zu leichtsinnigem, sonnigem Lachen, zu wilden, verzweifelten Klagen. Er hatte ausgelebt, ausgelitten. Hatte mit seinem tragischen Tod seine Schuld gebüßt. Kein Gedanke des Hasses, der Empörung, der Wut gegen den Toten sand in dieser Stunde Raum in Joachims Brust. Er fühlte nur die Liebe, die er dem Bruder im Leben gegeben, und die erst das Geschehen -er letzten Tage zu ersticken gedroht. Und er dachte auch an die Mutter. Hatte er gehalten, was er ihr in der Todesstunde versprochen? War er dicht doch zu schroff gewesen an jenem Tage, an dem er alles er fuhr? Und hatte seine Schroffheit, seine Härte den Bru- . der vielleicht bewogen, das Leben von sich zu werfen, als i das Schicksal ihm heute auch die letzte Gunst versagte, die letzte, verzweifelte Hoffnung nahm? Denn Joachim glaubte an keinen Zufall. Als Erich sah, daß er das Ziel nicht erreichte, da hatte er in der Ra serei seines Schmerzes ^ein Pferd bis aufs äußerste gereizt ' und es selbst getrieben zum falschen Sprung, zum Bäumen i Und Stürze^ . . .. Joachim von Treuendorf wandte sich wortlos -von dem ! toten Bruder, ging hinaus, sah nach dem Pferde. s Man hatte dem Tier den Gnadenschuß gegeben, da es mit- gebrocheuen Gliedern gelegen. Joachim tritt zu „Puppi" : heran. Da lag sie, das schöne, seidenglänzende Fell schweiß- ! bedeckt, blutüberrieselt» mit starren, gebrochenen Augen. Zu schanden hatte ihr Herr sie geritten, jetzt hatte der Schuß sie von ihren Qualen erlöst. Und Joachim dachte: „Arme Kreatur! Du und dein Herr, ihr habt beide dran glauben müssen. Du warst fein«