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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 08.08.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-191808086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19180808
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19180808
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
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Jahr
1918
-
Monat
1918-08
- Tag 1918-08-08
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Monat
1918-08
-
Jahr
1918
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auf diese Weise hem Militarismus eine neue Galgenfrist zu geben. Wir künnep nicht versuchen, den Greueln des Krieges zu entgehen, indem wir die Greuel unseren Kindern aufsparen. der Weltkrieg mit Glockengeläut und Fahnenschwenken zu Ende geht. In dem Gespräch der Heerführer mit den Kriegs berichterstattern wird ja auch darauf Hingewiesen, das; das Hinzuströmen amerikanischer Hilfskräfte zu den Gegnern nicht unterschätzt werden dürfe. Das klingt auch wieder ganz anders, als die Versicherungen, die uns früher von nichtoerantwort- kicher Seite gegeben worden sind, Amerikas Eingreifen in den Krieg sei nur ein Bluff, kein Amerikaner werde euro päischen Boden betreten, der Eintritt Amerikas in den Krieg sei nur ein lächerlicher Schwindel ... Sprechen wir es aus, daß die Gesamtlage Deutschlands von einem großen Teil der Presse und in vielen öffentlichen Reden falsch dargestellt wird. Es ist nicht so, wie man es uns vier Jahrs lang erzählt hat, daß wir nur noch fünf Minuten vor dem letzten zerschmetternden Endsieg über un- . frre Feinds stehen. Deutschland kämpft auch heute noch einen entsetzlich schweren Verteidigung skampf. Die Staatsmänner auf der anderen Seite, die den Krieg nicht beenden wollen, weil sie mit ihrem Sieg über Deutsch land rechnen, werden sich täuschen — aber die kompletten Narren, als die man sie hier zu Lande hinzustellen beliebt, sind sie durchaus nicht. Ihre Rechnung wird sich sicher als falsch erweisen, wenn sich das deu tsche Volk derGröße der Gefahr, in der es schwebt, bewußt wird. Noch imm'er ist auch der letzte Mann im Lande bereit, zur Verteidigung oie letzte Kraft herzugeben. Aber gesagt muß ihm werden, daß man seine Kraft braucht, und daß die Dinge ernst sind. Jetzt, wo wit unsere Hand am Werke haben, müssen wir bis zum Ende fortfahren, bis eine gerechte, dauerhafte Lö sung erzielt worden ist. Dann köynen wir sicher sein, baß die Welt vom Kriege befreit wird. „Haltet fest!" — (Diese Verdrehung der Tatsachen ist echt englisch.) Im Atlantischen Ozean trachtete die „Karlsruhe,, danach, es der Emden gleichzutun. Ejn neidisches Geschick hat ihren Nuhmeslauf vorzeitig abgebrochen. „Die Nordsee ist versiegelt!", so lautet ein großmäu liges Schlagwort aus britischem Munde. Nun, die „Möwe" hat zu zweien Malen im schnittigen Fluge das Siegel' er brochen, ist tief in den Atlantischen Ozean notgedrungen und mit reicher Beute heimgekehrt, sie und ihr Prisenschiss, die „Parrowdale". ' ' ' Was hat den Wolf" das Siegel geschert? Seine grimmigen Bisse haben den feindlichen Handel der halben Welt getroffen. Aeber ein Jahr hat er aus der Weide britischen Weltverkehrs gehaust, kein Wächter hat seiner hab haft werden können. Das alles' sind Taten — wir wissen, es wären noch viele würdig, genannt zu werden; erinnert sei nur an den Dampfer „Marie", der unseren wackeren Ostafrikanern, fast wie ein Wunder, Munition zugeführt hat — das alles sind Taten, die so schlackenlos groß und erhaben dastehen, daß sie allein genügten, das deutsche Volk stolz zu machen, Sie legen beredtes Zeugnis dafür ab, daß es der Geist der Tüchtigkeit und Selbstzucht ist, der in der Marine Men anerzogen wird. Nur noch ein Wort über die U-Boote. Wenn der einst die Geschichte der modernen Marine geschrieben werben wird, dann kann ein ehrlicher Forscher nicht umhin, er muß auf alle Merksteine der Entwicklung deutsche Namen setzen. Das deutsche U-Boot ist es gewesen, das in die Tat umgesetzt hat, was noch vor wenigen Jahren unmöglich schien. Es hat sich das Weltmeer erschlossen und sich zum Herrn über des Ozeans Gewalt gemacht. Es liegt in der Natur des Seekrieges, daß -sich die Kampfkräfte nach der Schlacht voneinander trennen bis zur völligen Loslösung. Das hat zur Folge, daß die Kampf handlungen weit seltener sind als am Lande. Sie gleichen jach aufzuckrnden Gewittern, die kommen und gehen als flüchtige Erscheinungen. Noch immer, wenn es in diesem Kriege zum Zusammenprall' auf See gekommen ist, zu Kampfhandlungen größeren Stiles mit Englands ruhmge- krünter Flotte, um deren Flaggen der Geist eines Rodney i und Nelson schwebt, hat es sich gezeigt, daß sich die deutsche > gepanzerte Faust weidlich aufs Dreinschlagen versteht. Vorm ! Skagerrak ist es am nachdrücklichsten bewiesen worden, der Tag war und bleibt unser Sieg! Doppelt und dreifach I ehrenvoll, weil er erfochten worden ist gegen erdrückende Uebermacht und gegen einen Feind, der in den Augen der gesamten seefahrenden Welt seit Trafalgar — über hundert Jahre liegt es zurück — für unbesiegbar galt. Als egn junger Held ist die deutsche Marine in den Krieg gezogen, aber sie hat bewiesen, daß auch in ihren Reihen der reckenhafte Geist des Heeres lebt und wirkt. Mit Gott für Kaiser und Reich — ficht und siegt die Marine! Vie leeiikcde Sebancüung aer kanaMtkcbätt Von Rudolf Straß (In der „Woche" Nr. 28.) Behandeln wir unsere deutsche Landwirtschaft seelisch richtig? Das ist dir schwere und ernste Sorge, die mir die Feder in die Hand gibt. Ich möchte diese Sorge hier nicht als.Romanschriftsteller behandeln, sondern einfach als ein' Halbwegs vernünftiger Mensch, der selbst ein Gut in Süddeutschland besitzt und bewirtschaftet, der einen zweiten Wohnsitz in Berlin W.hat, der nicht von Beruf Landwirt, also nicht einseitig ist, sondern Stadt und Land, Süden und Norden, den Standpunkt des Erzeugers und Verbrauchers zu verstehen vermag. Behandeln wir unsere Landwirtschaft seelisch richtig? Wir tun es, wenn wir sie so wie alle anderen Stände be handeln. Denn alle Deutschen sind gleich und sollen es sein. Drei kriegswichtige Berufe haben wir im Kampf ums Dasein: den Krieger, den Rüstungsarbsiter, den Bauer. Wie gehen wir mit dem Krieger um? Dem deutschen! Krieger, dem ersten der Welt und aller Zeiten? Selbstver ständlich vom Standpunkt der Soldatenehre aus. Strafen spielen im deutschen Heer Gott sei Dank kaum eine Rolle, - wurden sogar im Laufe des Krieges noch gemäßigt. Ein gesunder Ehrgeiz erfüllt Hach und Gering in Reih und Glied, Lob der Vorgesetzten, Ehrenzeichen, der Dank der Heimat lohnen treue Pflichterfüllung. Wie begegnen wir dem Rüstungsarbeiter? Hut ab vor diesen Männern und Frauen am feurigen Ofen, Hut ab, und mit Recht! Sie tun ihre Pflicht, sie erhalten dafür hohen Lohn. Wir gönnen ihn ihnen, wir danken ihnen für den Eifer und dis Hingebung, mit der auch sie das Vaterland retten. -Jedermann — und vor allem die Behörden — bringen ihnen die Achtung und das Wohlwollen entgegen, Var Kecbl aut Klarheit ! Di« „Chemn. Volksst." stellt in einem Artikel Betrach tungen an über die freimütigen Aeußerungen des Herrn , General o. Ludendorff gegenüber den Journalisten und eine Red« des Prinzen Heinrich in Hamburg und macht folgende > Ausführungen, denen man im großen und ganzen nur zu- - stimmen kann: ! Marin« buchen konnte: die hohe Einschätzung, die ihr seitens des Gegners widerfuhr, eines Gegners, der, selbst ein Riese an Gewalt und Kraft, doch des Widersachers Macht und Stärke fürchtete. Halten wir uns vor Augen, wie die Dinge sich entwickelt haben würden, wenn in de» Augusttagen 1914 unser Linienschiffs-Geschwader zusammengeschossen und ver nichtet worden wäre, so daß die englische Flotte triumphiert hätte. Offen und- ungeschützt hätten nicht nur unsere, sondern auch die dänische» und holländischen Küsten gelegen. Kat tegatt und Belte wärep britische Cchiffahrtsstraßen gewor den, und in der Ostsee wäre der gesamte Handel brgch- gelegt, lieber die Ostseebrücke hinweg hätten sich Briten und Russen die Hand gereicht, und eine Landung an Pom merns Küste wäre in greifbare Nähe gerückt. Was hätte das für uns bedeutet? Milliarden an Werten wären ver nichtet worden, und wo wir in den ersten Krirgsjahren die Lasten eines Zwei-Fronten-Krieges zu tragen gehabt hatten, wäre statt dessen ein Drei-Fronten-Krieg bittere Notwen digkeit geworden. Und die dritte Front hätte von Flandern bis Ostpreußen gereicht. Daß es dazu reicht gekommen ist, das verdanken wir der deutschen Hochseeflotte. Sie ist der starke Schild gewesen, der nicht nur das deutsche Volk vor ernsten Sorgen und Ge fahren geschützt, sondern auch der Armee Rückenfreiheit ge sichert hat. Wir dürfen nicht vergessen: Deutschlands und Oester reich-Ungarns Flotte haben gegen die britische, französische, russische, italienische, japanische und amerikanische Seemacht gestanden, das ist ein zahlenmäßiges Mißverhältnis, das nicht ausgeglichen werden kann. Und trotzdem — hallt nicht jedes Weltmeer wider von den Erfolgen und Taten unserer jungen Marine? Im Stillen Ozean ruht ein englisches 'Seemannsgrab. Ber'Caro ne l ist es gebettet, und Graf Spee war-es, der das Grabscheit führte. Und wenn er auch später mit seinen Schiffen erlag, so wär sein Ende doch so rühmlich, daß selbst der Feind den Ausgang kaum als Sieg verzeichnen wird. Im Indischen Ozean war die „ Emden " der böse Geist, der allen Handel in' Fesseln schlug. Das Schiff gespensterte umher wie der „Fliegende Holländer"., Nach langem Suchen erst gelang es der bunt zusammengewürfelten Hatz der Feinde, seiner habhaft zu werden. gewonnen. Die große Autokratie Preußen wird noch ver> wegen jetzt, - schlechter als die anderen Deutschen behandelt suchen, durch Gewalt oder List der Niederlage zu entgehen, um zu werden? Denn das geschieht. Darüber ist kein Zweifel. -Der ganze Grundgedanke unserer halbsozialistischen Kriegswirt schaft ist ja von Anfang an auf das Verteilen statt des Zusammenbringens, aüf das Verbrauchen statt des Erzeugens, auf das Nehme» statt des Gebens bestimmt gewesen. All« „Schlüssel" unserer G. m. b. H. sind nach diesem Modell geformt. Und dementsprechend war von vornherein di« Stellung und Behandlung des Landwirts als dessen, der zu liefern und zu gehorchen hatte, gegenüber den anderen Ständen. Die Väter dieser Maßregeln dachten sich — und im Jahre 1915 vielleicht nicht mit Unrecht — der Bauer hat, stark- Nerven und eine dicke Haut und ist «in guter Kerl, Lin Weilchen hält «r das schon aus, und dann ist ja der Krieg zu Ende. Aber der Krieg ist nicht zu Ende, und die Behandlung der Landwirtschaft mit Strafe und Drohung geht fort und verschärft sich jeden Tag um so mehr, je weniger die Strafen nützen und nützen können. Denn im ersten Kriegsjahr' war wirklich noch, vom Frieden hex, eine ansehnliche Rücklage zuin Verteilen da. Da ließen sich durch Strenge denjenigen Böswilligen, die »es natürlich auch in der Landwirtschaft wie überall gibt, verborgene Schätze abnehmen. Heute leben wir eben von einem Erntejahr in das ander«, von der Hand in den Mund. Mehrleistungen können nur noch durch hin gebenden Eifer des Einzelnen, durch freudige Pflichterfüllung und stillen Fleiß und opferwillige Geduld erzielt werden. Eine SotlcbaN riovü öeorge; . Am vierten Jahrestage der Kriegserklärung Englands erließ Lloyd George folgende Botschaft, die heute abend im vereinigten Königreiche, in den Dominions und in den Vereinigten Staate» veröffentlicht wird: Die Botschaft, die ich am heutigen vierten Jahrestage des Eintritts in den Krieg dem britischen Reich sende, ist: Haltet fest! Wir stehen nicht mit eigennützigen Zielen in diesem Kriege. Wir sind darin, um die Freiheit zurückzugeben den Nationen, welche rücksichtslos angegriffen und beraubt wurden, und wir beweisen, daß kein Volk, wie mächtig cs auch immer ist, sich der Gesetzlosigkeit und so dem Geiste des Militarismus ergeben kann, ohne seitens der freien Na tionen der Welt schnell und sicher mit verhängnisvollen Folgen die Strafe zu erhalten. Wenn der Sieg für diese Sache nicht durchgesetzt würde, müßte die Zukunft der Menschheit ge fährdet werden, solange, sage ich, haltet fest! Unsere Aus sichten auf den Sieg waren noch niemals so günstig wie jetzt, seitdem die Regierenden in Deutschland vor Monaten die rationelle und gerechte Regelung, die die Alliierten im Sinne hatten, mutwillig zurückwiescn. Unter Abwcrsung der Maske der weisen Mäßigung verteilten sie Rußland, demütigten Rumänien und versuchen, die Oberherrschaft durch eine Ver- gewaltigung der Verbündeten zu erhalten. Wir verdanken es dem unbesiegbaren Mut der allirsrten Armeen, daß es jetzt klar ist, daß dieser Traum eines allgemeinen Sieges, um dessenwillen sie den Krieg willkürlich verlängern, nicht mehr erfüllt werden kann. Die Schlacht ist aber noch nicht Und da steckt für den Seelenkenner der Krebsschaden unserer Kriegswirtschaft: sie ist seelenlos! Sie hat den „Schlüssel" zu allem, nur nicht zu den Menschen. 'Sie „be wirtschaftet". die Kartoffeln, aber nicht die Geister. Sie „erfaßt" das Gemüse, aber nicht das Herz. Wäre sie nicht so seelenfremd, so müßte sie sich doch den jedem Klippschüler klaren Widerspruch vergegenwärtigen und sich sagen: „Ich verlange, mit Fug und Recht, wie von jedem kriegswichtigen -Betrieb, so' auch von der Landwirt schaft, die äußerste Höchstleistung. Höchstleistungen werden, nach uralter Erfahrung, niemals durch Zwang erreicht, sondern durch Zwang allenfalls ein matter Durchschnitt. Zuchthausarbeit ist Mittelware. Zwei Kriegsgefangene ar beiten kaum für einen Mann. Das weiß man. Soll also die deutsche Landwirtschaft ihr Bestes und Letztes her- gebe», so muß sie frei sein. Frei von einer Behandlung, die Man keinem anderen Stand zumutst! Wohin kämen wir, wollten wir unsere Krieger durch Drohung mit einem Jahr Gefängnis zum Angriff begeistern? Was wäre die Folge, wenn wir unseren Nüstungsarbeitern auch nur einen Tag derart die Polizei auf 'den Hals schicken, ihre Schränke aufbrechrn, ihnen die Verfügung über ihr Drum und Dran entziehen wollten? Von jenem erwarten wir, daß er sein Blut, von diesem, daß er seinen Schweiß freudig für das Vaterland vergießt. Warum soll der dritte im Bund, der dritte Retter Deutsch lands, der Bauer, den Ehrenplatz nicht mit ihnen teilen, sondern wird als ein Mensch betrachtet, aus dem nur durch Strenge und Strafen etwas herauszuholen ist? Zweitausend Jahre hat der deutsche Bauer den deut schen Boden bebaut. Er besitzt ihn,'kennt ihn, liebt ihn. Warum traut Man ihm nun auf einmal nicht mehr zu, daß er imstande sei, mit seiner eigenen Scholle umzugehen, regiert ihm in alles hinein, guckt ihm in die Töpfe und Ställe, steigt ihm auf den.Misthaufen und in den Keller,, nimmt ihm im Herbst das Saatgut, um es ihm im letzten Augenblick im Frühjahr wiederzugeben, verbietet ihm, die reifen Kartoffeln von dem 15. September zu ernten und mehr als fünf Zentner Heu auf einmal von Hof und Haus zu fahren, schreibt ihm bis aufs Pfund die Caatmenge für jeden. Morgen vor und die Stunden täglich, an denen Obst gepflückt werden darf, überschüttet ihn mit Verordnungen,' die er umgehen muß, wenn er -seinen Betrieb weiterführen will. Denn er kann schwere Ackerpferde zur Zeit der Feld bestellung mit der Handvoll Hafer nicht arbeitsfähig erhalten. Seine Leute laufen ihm aus dem Dienst, wenn er versucht, sie, die Schwerarbeiter während der Ernte, nur mit der gesetzlichen Nahrungsmenge zu sättigen. Und so mehr.' Man schützt die Allgemeinheit durch Höchstpreise vor dein Bauern. Aber wer schützt den Bauer selbst? Die Menschen, die er selber. braucht, dio^dürfen von ihm ver langen, was sie wollen. Dem jüngsten Knecht ist es unbe nommen, acht Mark.Tagelohn zu fordern. Vor mir liegt die Rechnung über eine landwirtschaftliche Maschine: Preis 125 Mark mit Kriegszuschlag 520 Mark. Als ich vor anderthalb Jähre» elektrisches Licht in einem neuen Kuh stall anlegen lassen wollte, verlangte eine Firma den scherz haften Preis von 35 Mark für den Mann und Tag. Da hören die Höchstpreise, die für jedes Ei und jeden Salatkopf .gelten, plötzlich auf. Der „freie Handel" steigt aus der Versenkung. Der Landmann, der überall m der Bewegungs- und damit in der Erwerbsarbeit Beschränkte, wehrt sich gegen ihn mit gebundenen Händen. Er hatte bisher gegenüber den Riesenlöhnen der mit fast unbeschränkten Gewinnmöglichkesten rechnende »Industrie als Wir alle wissen, daß jedes kommende Kriegsjahr viel schwerer zu ertragen ist, als die vorhergehenden. Wir wissen sehr genau, daß das fünfte Kriegsjahr uns nicht nur etwa einen militärischen Spaziergang bringen wird, mit dem dann Arbeitgeber einen Vorteil: er konnte seine Leute aus Eigenem besser ernähren, das hielt sie an der Scholle. Je mehr jetzt, durch das „schärfere Erfassen" eines Systems, das das Sät tigungsbedürfnis einer Männerarbeit verrichtenden Landmagd und einer bleichsüchtigen höheren Tochter, eines sechzehn Stun den im Freien schaffenden Ochsenknechts und einer Schreiber, gehilfen in der Stadt, mit Ausnahme des Brotes, auf dieselbe Stufe stellt, je mehr jetzt diese Möglichkeit einer, aus giebigeren Verpflegung schwindet, desto drohender steigt, wenn auch den Städtern noch ganz unbekannt, die Gefahr eines noch weiteren Leutemangsls auf dem Lande oder wenig, stens einer wachsenden Arbeitsunlust auf dem Lande um» damit einer noch schlechteren Versorgung der Städte empor. Diese Nöte des Landwirts liegen für jeden, der sehen will, klar zutage. Sie zu heben, kennt unsere Kriegswirtschaft nur dis alte Eisenbartkultur: ein Jahr Gefängnis, zehn tausend Mark, zwangsweise Enteignung und so fort. Daß jedes Ding auf der Welt seine Seele hat, daß man aüf ihr Spielen, ihr einen gewaltigen Widerhall entlocken kann, ist ihr fremd. Wir sprechen jeden Lag vom „Geist" der Truppen, hören mit Freude von der „guten Stimmung" an der Front. Denn wir wissen, daß man ohne sie nicht siegen kann. Warum ' tun wir denn dam eigentlich alles, um die Landwirtschaft/ die doch auch im Felde, d. h. auf dem Felde, steht, m ein«! möglichst schlechte Stimmung zu versetzen? Denn das muß offen gesagt werden: der deutsche Bauer fängt an, verbittert zu werden, wenn es so weitergeht. Er muß allmählich müde werden wie jeder Mensch, dem man «Mrseits dl« ganze Bewegungsfreiheit nimmt und anderer, seits die volle Verantwortung für sein Tun und Lassen auf bürdet. Dam wäre der glorreiche Gedanke des ZwangS- ' anbaues für Deutschland noch etwas Ganzes. Dem er würde s den Landmann wenigstens der Notwendigkeit entheben, im das sie verdienen. Wie fassen wir den dritten an, den deutschen Landwirt? Ein Jahr Gefängnis und zehntausend Mark, fünfzehn hundert Mark und sechs Monate, Enteignung, Beschlagnahme, pflegliche Verwahrung, Strafandrohung, Hausvurchfuchuug, Zwangsumlage, BodenflLcheuerhebung, Ernteschätzung, Vieh zählung, Viehzwischenzählung, kleine Viehzählung, Anmelde pflicht, Ablieferungspflicht, Lebensmittelkartsnentziehung, Petroleumsperre, Verwarnung — in einem endlosen Hexen sabbat zieht es vor'den Augen des deutschen Bauern vorbei. Ich sage das nicht etwa aus Grund persönlicher Ge reiztheit. Ich habe nicht den geringsten Anlaß, mich für meinen Teil zu. beschweren. Unsere Kriegswirtschaft wäre längst unerträglich, wenn nicht der gesunde Menschenver stand ihrer Vertreter wenigstens zum Teil ihre 'Härten milderte. Das, was ich als eine Gefahr für Deutschland bezcichüe, ist nur das System. Es ist das System, unter welchem der Landmann auf der Schwelle seines Hauses steht und allmählich bis Wesst und Unser liebes Deutschland nicht mehr begreift. Er fragt sich: Bin ich denn ein Verbrecher, daß man mich so anders als die andern Deutschen behandelt? Und wenn, was habe ich denn verbrochen? Habs ich im Krieg nicht meine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit getan? Ich glaube doch wahrhaftig: ich tat's. Ich arbeitete mit Nägeln und Zähne», vom Morgen bis zum Abend, im Schweiße meines Angesichts und rettete Deutschland vor dem Hunger. I» wohlwollenden Erlassen der Behörden wird das auch zu weilen anerkannt. Aber gleich daraus steht schon wieder der Gendarm zur Haussuchung vor mir, durchstöbern kriegs gefangene Feinde mein deutsches Heini, wird mir und den Meinen wie unartigen Kindern der Zucker entzogen, hageln die Strafandrohungen. Oder erfüllte ich vor dem Krieg nicht meine Pflicht? Ich denke, wer im Frieden dir Eigenschaften suchen wollte, di« uns jetzt im Kampf und Sieg des Weltkrieges adeln:, Gottesfurcht, Vaterlandsliebe, Königstreue — der müßte vor allem aus das flache Land gehen. Verdienen wir des-
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