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— 334 — gebreitet, bas das junge Mädchen heute an ihrem Ve»- lobungssest tragen wollte. Maud kchlüpfte* in die lichtgrünen, seidenen Strümpfe und Schühchen, die ein-Wunderwerk feinster Silberfiligram arbeit waren. Sie ließ sich die Spitzenwäsche überstreifen und bas Unterkleid aus weißer Seide und venetianischen Spitzen. Dann hüllte sie sich in den Frisiermantel aus indischer Seide, und nahm vor dem Toilettentisch Platz, dessen dreiteiliger, an beiden Seiten bis auf den Fußboden reichender Spiegel ihr Bild voll wiedergab. In der Mitte des Tisches lagen Bürsten und Kämme aus Gold, Flakons aus Gold und Kristall mit Essenzen und Salben und den vielerlei Kleinig keiten, die zu der Toilette dieses schönen und^reichen Mädchens gehörten. Die ältere der beiden, Zofen stand hinter ihrem Stuhl und löste das goldrote, schwere und reiche Haar, das sich nun seidenglänzenb in dichten Wellen über Schultern und Rücken breitete. Die jüngere Zofe hatte sich Maud gegenübergesetzt und nahm aus dem großen Manikurkasten aus Hellem Leber goldene Feilen und Polierer, Dosen und Fläschchen aus - Kristall, um die schönen Hände der Herrin zu pflegen. Maud Kelsey plauderte sonst; während sie angekleibet wurde, mit den beiden Mädchen. Toilettesorgen gab es ja immer, stets war etwas zu beraten, zu überlegen, anzuordnen. Heute schwieg sie, überließ sich still den geschickten Händen der Zofen. ' Gestern war die große Gratulationscour gewesen, heute abend fand die Verlobungsfeier statt. Hundertfünfzig Per sonen waren geladen., Was zu ber ersten Gesellschaft Newyorks gehörte, fand sich heute .ein in William Kelseys Palais in der Fünften Avenue. Übersicht nur aus Newyork kamen die Gäste. William Kelseys. Beziehungen erstreckten sich "durch die ganzen Vereinigten Staaten, überall hatte er Geschäfts freunde, von denen die besten heute von weither kamen, um die Verlobung seiner einzigen Tochter mit Mark Tyron zu feiern^ der den Sieg davongetragen in der großen Schar der Männer, hie die schöne, junge Millionärin seit Jahren umwarben. Maud hatte nach dem Lunch heute zwei Stunden ge schlafen, um frisch zu sein am Abend. Aber sie fühlte, ihr -LE fehlte noch immer die rechte Frische und Fröhlichkeit. Sie wunderte sich über sich selbst — woher kam diese sentimentale und nachdenkliche Stimmung heute? Sie hatte sich ihr Schick sal selbst gewählt und gestaltet, hatte nach langem Ueber- legen und reiflichem Nachdenken Mark Tyron ihr Jawort gegeben, ohne Liebe zwar, doch aus einem warmen Gefühl der Zuneigung heraus. Und vor allen Dingen wohl deshalb, weil sie fühlte und glaubte, daß dieser Mann, den sie von Jugend an kannte, der passendste Gatte für für sei von allen, die sie umwarben. Weil sie ihr Leben an seiner Sette vorJich sah in ruhigen und sicheren Bahnen, die sie selbst bestimmen konnte. Und weil sie an seine Liebe glaubte und wüßte, daß er alles tun würde, um ihr das Dasein so schön und an genehm zu machen, wie es in seiner Macht stand. Mark Tyron hatten ihre Millionen nicht gelockt wie so manchen anderen Mann, der ihr huldigend und werbend genaht war. Die Tyrons selbst waren unermeßlich reich, vielleicht noch reicher als William Kelsey. Die Väter kannten sich von Jugend an, waren Freunde gewesen und wurden später erbitterte Konkurrenten, ohne doch darum die Freund schaft je zu verleugnen. Beide waren Besitzer riesiger Kohlen- und Eisenbergwerke. Beide waren sie Gegner des Stahl trusts und hatten sich zäh und erbittert jahrzehntelang gegen dies mächtige Unternehmen behauptet. Nun aber war eine Fusion der Tyronschen und Kelseyschen Stahlwerke in New- Persey geplant und durchgeführt worden. Die Verschmel zung der beiden Riesenwerke, die Verschmelzung der ungeheuren Kapitalien bedeutete ein Ereignis in "dem Geschäftsleben Amerikas. Fester und unabhängiger als je zuvor standen nun die „Tyrons and Kelsey Steel Works" dem Trust gegen über, unerschütterlich und machtvoll. Der geschäftliche Zusammenschluß der beiden Werfe und ihrer Inhaber hatte seine Krönung erhalten durch däs Ver wandschaftsband, das zwischen den Familien geschlungen ward: durch die bevorstehende Heirat zwischen Maud Kelsey und Mark Tyron. William Kelsey hatte diese Heirat gewünscht. Und er hatte aus seinem Wunsche niemals ein Hehl gemacht. Aber er hatte sein einziges Kind nicht gedrängt, hatte niemals auch nur den Versuch einer Beeinflussung gemacht, weil er Er ging durch die Ställe, streichelte die Kühe, liebkoste die schönen Köpfe der Pferde. Warf «inen Blick auf den Geflügelhof. Hing dann ins Haus. Durchschritt die Räume, in denen er fein Leben verbracht. § Hier hatte seine Wiege gestanden. Hier war das Zim mer, in dem der tote Vater gelegen. Und dies das Gemach, kn dem die sterbende -Mutter ihm sein Versprechen abge- , nommen, über Erich zu wachen, ihn nie zu verlassen. s Er saß zum letzten Mal an seinem Schreibtisch, der seine Sorgen und Mühen gesehen. Nicht weich sein, nicht senti mental werden. Stark bleiben, ruhig, beherrscht. j Der neue Besitzer kam. Joachim übergab ihm dje Schlüssel, wünschte ihm Glück. Im Hof hielt der Wägen, der ihn zur Station bringen sollte. Er drückte dem alten Thieme di« Hand, dem die Augen voll Wässer standen. Dann stieg er schnell ein, der Wägen fuhr ab, Joachim von Treuendorf warf keinen Blick zurück auf das Stück Heimatland, das er verließ. / Wenige Tage später stand er im Hamburger Hafen an Deck des Schiffes, das ihn nach Brunsbüttel bringen sollte. Dort lag der Riesendampfer, der für New York bestimmt war. Joachim dachte sein Leben zurück. Dachte auch der Zu kunft, die in Dunst und Schleiern vor ihm lag, so wie der Nebel, der an diesem Septembertage über der Stadt und dem Hafen dunstete. Er dachte plötzlich der schönen Amerikanerin, die er äuf dem Gartenfest kennen gelernt, mit der er den. euren Abend verplaudert, den letzten Abend, an dem er froh gewesen. Wo mochte sie heute sein? In Paris, in London? Vielleicht schon auf dem Wege in ihre Heimat, die nun auch die seine werden sollt«. Und ob sie wohl zuweilen an ihn gedacht, ob sie ihn wohl manchmal erwartet hatte an schönen Sommertagen an der See? Eine le^e Sehnsucht zog durch sein Herz. Wie war sie ihm weit, wie war sie ihm fern, die ihn den einen Abend entzückt. Und wie fern würde sie ihm sein und ewig blei ben, sie, die auf der Sonnenhöhe des Lebens standwäh rend fein Schicksal ahn hinabgezogen hatte iir des Daseins Finsternisse. Das Schiff setzte sich in Bewegung. Musik erklang. Schnell vergingen die zwei Stunden der Fahrt. Dann war der Riesendampfer erreicht, die „Amerika", die den Namen des Landes trug, in das sie ihre Passagiere brachte. Joachim von-Treuendorf stand über die Reling geneigt, als das ungeheure Schiff sich in Bewegung setzte. Um di« Mitreisenden hatte er sich nicht gekümmert, auch jetzt schenkte er ihnen keinen Blick. Die Vergangenheit mit ihren Schrecken versank in dem Dunst und Nebel, der noch immer über dem Wasser lag. Die Zukunft tat sich ihm auf. Ein'Sonnenstrahl durchleuchtete plötzlich den Nebel, brach sich im Wasser, ließ es aufleuchten und blitzen wie flüssiges Gold. Joachim von Treuendorf grüßte mit ernsten Augen die Sonne, die langsam und siegend den Nebel zerteilte. Er wollte sie in diesem Augenblick als Symbol nehmen für sein eigenes Leben, seine Zukunft, die vielleicht auch noch einmal wieder hell«r werden würde, als die trostlose Gegenwart. Und die Augen zur Sonne emporgerichtet, so fuhr er hinein in sein neues Leben. Zw« iter Teil. 1. Maud Kelsey entstieg ihrem lichtrosa Marmorbad. Sie ging di« drei Stufen hinaus, die aus der tiefer liegenden breiten Wanne emporführten und ließ sich von d«r bereit- l stehenden Zofe in den Bademantel hüllen. Sie legte sich ! aus den Diwan, der der Wann« gegenüberstand, von einem Eisbärenfell bedeckt und der das einzige Möbelstück war in diesem fensterlosen, kostbaren rosa Marmorraum, der durch. gedämpftes Oberlicht erhellt wurde. Die Zofe frottierte und massierte die junge Herrin, dann erhob Maud sich Und ging in ihr neben dem Bade raum liegendes Toilettenzimmer, an das ihr Schlafgemach, ihr Boudoir und ihr Schreibzimmer grenzte. Im Toilettenzimmer wartete die zweite Zofe auf die Herrin. Sie hatte die köstlichste Wäsche, der ein zarter Blumengeruch entströmte, zurechtgelegt und das Kleid aus-- ! grün.