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322 - Blickte Mher., Sah mit müden Augen auf diese luru- riös eingerichtete Junggejelltnwohnung, die von Wohlstand and Schönheitssinn sprach. Sah auf den Bruder, der zu so großen Hoffnungen von jeher berechtigt hatte, der der i Stolz und der Abgott der Mutter gewesen war. Und für den Joachim jetzt nichts anderes fühlt als Verachtung. - . S ie schwiegen beiden und sahen den blauen Ringeln nach, s Dam fragte Joachim: . ' j „Wieso bist du nicht im Dienst?" x „Ich habe mir Urlaub geben lassen für ein paar Tage. . Ich fühle mich krank." Seit dem Gartenfest im Hause des Obersten von Gerlach -hatten die Brüder sich nicht wieder gesehen, nichts von einander gehört. Das war nun z<hn Tage her. Wie weit, ! wie weit lag dieser Tag mit seiner sorglosen Schönheit zu- , rück... - . ! Ms Erich immer noch schwieg und vor sich hinstarrte, fragt« Joachim: - . , „Willst du mir nun nicht endlich erklären, was ge- ! schehen ist?" „Was weißt du denn? Warum bist du gekomtnen?" Da erzählte Joachim von dem Besuch des Agenten bei ihm. Erich leugnete nicht. Er stöhnte leise auf und entschuldigte M > „Ach, wem das das Schlimmste wäre!" Ein kalter Schauder erfaßte den Aelteren. „So sage Mir alles. Laß mich nicht in dieser entsetz lichen Ungewißheit, die schlimmer ist als alles andere." „Du, hättest nie erfahren, daß dein Name unter dem Papier stand, Joachim, wenn alles so gekommen wäre, wie ich es berechnet hatte. Ich wollte dich nicht hrneinreißen, aber ich brauchte Geld. Da ich es auf meine eigene Unter-, schrift ällein nicht bekommen konnte, gab ich deine dazu. Ich mußte das Geld haben. Und ich rechnete, daß ich bei Fälligkeit der Wechsel verheiratet und im Besitze von Ediths Vermögen sein würde. Da wurde sie krank, du wesßt es, diese langwierige Influenza, die vier Wochen dauerte. Un sere Hochzeit wurde um einen Monat später angesetzt. All mein Bitten und Drängen half mir nichts. Der Alte be stand auf seinen Willen, Edith sollte sich erst ordentlich erholen und ihre Mutter behauptete, nicht früher mit der Aussteuer 'fertig zu werden. Ich konnte nicht gar zu "dringlich werden. Ich mußte mich fügen. Und es handelte sich ja auch nur um den Wechsel, den Meyer dir gestern zeigte, die anderen werden erst in Wochen fällig» dann wäre ich auch mit diesem Aufschub verheiratet gewesen." „Die anderen, Erich? Also sind «s noch mehr? Um wieviel handelt es sich?" „Ach, laß, das ist ja nun schon egal. Es sind große Summen. Und da es mir verdächtig schien, immer nur deinen Namen zu nehmen^ so fetzte ich den des alten Ger lach neben meine Unterschrift!" „Das hast du getan, Erich, das? Das ist ja noch schlimmer! Noch entsetzlicher! Und das haben die Geld geber dir geglaubt? Großer Gott, Erich, Erich, hast du denn gar nicht bedacht, was geschehen wäre, wenn- 'Gerlach von deinen Machenschaften erfahren hätte?" „Er hat sie erfahren," sagte Erich von Treuendorf tonlos. „Sieh mich nicht so entgeistert, so entsetzt an, Jo achim! Was meinst du denn, warum ich dir das alles er zähle? Doch nur, weil es nötig ist, weit du es jetzt wissen mußt." Und plötzlich verließ ihn die Beherrschung und "die Fassung, die er mühsam nur erkämpft hatte. Mit einem lauten Stöhnen sank er über den Diwan hin. Er vergrub den Kopf 'in den Händen, und An krampf haftes Zittern erschütterte seinen schlanken Körper. „Es ist aus! Alles, alles aus! Zu Ende! Mir bleibt nur noch der.Revolver!" Joachim von Treuendors sah starren Auges auf den Brud«r. Da lag er nun, er, dem die Natur so Diel ge geben, Schönheil» Klugheit und die Gabe, sich die Herzen der Menschen zu gewinnen durch Liebenswürdigkeit und ein son niges Wesen. Da lag er, geknickt, in der Blüte gefällt. Und alles durch Leichtsinn. Durch eigene Schuld. Durch eigenes Verbrechen. Er wollte sprechen, irgend ein banales, ein gleichgülti ges Wort. Nur irgend etwas sagen. Aber er konnte nicht. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Er saß wie in einem Bann. Regungslos. War nicht Herr über seine Stimme^ nicht Herr über seine Glieder. War wie gelähmt, gebannt von der Tragödie, dir sich hier vor seinen Augen entrollte. Als er still blieb und regungslos, sah Erich Ms. Riß sich zusammen. Erzählte mit trockener Stimme, durch die es wie ein Schluchzen klang, wie alles geschehen war. Gerlachs batten an dem Tage nach dem Gartenfest ihren jungen amerikanischen Gast selbst nach Berlin gebracht, an- geblich, um Maud Kelsey hier ihrem Vater zuzuführen. Aber es waren andere Gründe gewesen, die den Obersten bewogen hatten, nach Berlin zu kommen. Ungünstige Ge rüchte über seinen zukünftigen Schwiegersohn waren ihm zu Ohren gekommen. , In den ersten Tagen war alles, gut gegangen. Man war zusammengewesen, die Damen hatten Versorgungen ge macht, man speiste gemeinsam, ging abends aus. Er machte im aehejmen feine Gänge, wollte den Gerüchten auf die S?;ur kommen, wollte Klarheit schaffen und Wahrheit. Und dann hatte er alles erfahren, alles. Alle Schul den, die Erich gemacht und die er seinem Schwiegervater nicht gebeichtet. Der Oberst hatte von der Wett- und Spiel leidenschaft Erich von Treuendorfs erfahren. Er war mit all den unsauberen Elementen zusammengekommen, denen Erich verschuldet war. Und er hatte schließlich dann auch das Letzte erfahren, das Schlimmste. Hatte die Wechsel gesehen, die über große Summen Lauteten und auf denen neben Erichs Namen des Obersten von Gerlach Unterschrift stand — seine gefälschte Unterschrift. Die Wechsel waren erst in Wochen fällig, nach dem jetzt angesetzten Termin dxr Hochzeit mußten sie bezahlt wer den. Bezahlt von Edith von Gerlachs Mitgift. Der Oberste hatte seine Unterschrift nicht aygezweifelt, er wollte den Mann nicht ins Zuchthaus bringen, dar der Verlobte seiner Tochter gewesen war. Wenn die Sache sich noch regeln ließ. Wenn Erich Freunde fand, die sie für ihn regelten. Denn er selbst zog seine Hand von Erich zu rück in dem Augenblick, da er alles erfahren. Es war zur Auseinandersetzung gekommen zwischen Herrn von Gerlach und Erich von Treuendorf. Mit den niedrigsten, den schmachvollsten Ausdrücken hatte der alte Herr den Mann gedemütigt, dgr gebrochen und verzweifelt vor ihm gestanden, der sich nicht wehren konnte und nicht verteidigen, weil er getan, was so schmählich, so niedrig war, für das es keine Entschuldigung gab. „Er löste die Verlobung' auf," sagte Erich von Treuen dorf mit versagender Stimme. „Er fragt« Edith nicht, er füllte mir meine flehentliche Bitte, Edith 'noch einmal Hi sprechen, auch nicht. Sein Kind hätte ihm zu gehorchen und würde es tun. Sie ist neunzehn Jahre, noch nicht mündig, abhängig in allen Dingen von ihren Eltern, .was soll sie tun? Ich habe versucht, ihr zu schreiben, ich erhielt meine Briefe uneröffnet zurück. Edith werden sie sicherlich nicht zu Gesicht gekommen sein. Sie muß fertig mit mir sein, weil ihr Vater es will, weil er mich gestrichen hat aus ihren, Leben. Noch hat er es' nicht veröffentlicht, daß unsere Ber- lobng ausgehoben ist, ich weiß es nicht, warum er noch zögert. - Ich habe nichts mehr von ihm zu erhoffen, keine Hilfe, keinen Rat- Und ich ba.be auch sonst keinen, der mir hel fen kann, keinen, nur dich, Joachim, nur dich." Da kam Leben in Joachim von Treuendorfs Gestalt. „Ich kann dir nicht helfen, ohne meine eigene Existenz zugrunde zu richten, Erich! Und das will ich nicht. Kann ich nicht!" ß Es hatte so bestimmt und fest geklungen, daß der Jün gere in fassungslosem Schreck aufsprang, und auf Joachim zueilte. Er legte ihm dis Hand auf die Schulter, sah ihn beschwörend an, stammelte: „Du müßt mir helfen, um Gottes willen, Joachim, höre mich, du mußt!" „Das meinst du, weil ich es immer tqt. bisher. Ost schweren Herzens, unter Entbehrungen und Sorgen. Schlaf lose Nächte habe ich um dich gehabt und sorgenschwere Tage! Aber nun ist es zu Ende! Die zehntausend Mark hätte ich bezahlt, wovon, ich weiß es nicht! Das letzte Stück Wald, was mein ist, sollte dran glauben! Aber alles? Ich kam, es nicht, Erich, wenn ich es wollte, ich kann es nicht! Jich sehe keinen Weg!"