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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wird j^a MünvochL», Freitags- und SormtagS-Nmmner ohne Preiserhöhung des HauptblattrS beigegcheu. H Areitag de« 86. JE ' 1S18 Vie Reble« Ein Gutsherr zeigte seinem Sohn Sein Feld; dir goldnen Mehren schmückten Es einem Walde gleich und bückten, Zur Ernte reif, die.Häupter schon. Geduckt, wie arme Tröpfe, stehen . Die Mehren da ,so sprach das Kind. - Nur eine wagt es, auszusehen, ' Und wiegt die kecke Stirn im Wind. „Den Hut ab vor den armen Tröpfen!" . Rief Mar, „sie sind von Früchten schwer, Und jene keck« Stirn ist leer, Gerade wie bei Menschenköpsen." E. K. Pfeffel,. Tie Whn der Ureueudorfs. Roman von Lola Stein. 4 NaL!>rvck vk'bnten / vielleicht waren diese Minuten, in denen Joachim regungslos dasaß, unbewegt unter den scharfen, beobachtenden , Blicken des Agenten, die schrecklichsten seines bisherigen Lebens. - Der Bruder so tief 'gesunken! Zum Verbrecher, zum Lumpen geworden! Erich von Treuendorf! Der Cohn des alten, ritter- i kichen, edlen Geschlechtes. Er riß sich zusammen. Nur nicht die Fassung verlieren, - nur ruhig bleiben und beherrscht. Nur diesem lauernden Menschen da vor ihm, der doch wohl nicht ganz frei war von einem gewissen Verdacht, keine Handhabe bieten. ! Er stand aus. „Woher wissen Sie ,daß von meinem Bruder kein Geld zu haben ist jetzt?" fragte er. Seine Stimme klang heiser, und «r «schrak selbst vor.seinem Ton. „Man hat doch seine Beziehungen, Herr vbn Treuen- V darf! Der Herr Bruder sitzt eklig drin! Ich bin ein an ständiger Mensch, Sir wissen es selbst, gnädiger Herr. Aber weiter konnte ich auch nicht gehen. Und da hat sich Ihr , Herr Bruder an andere Leute gewandt, die weniger anständig ihr« Geschäfte betreiben als ich. Es sin8^ Wucherer schlimmster s - 'Sorte, in »deren Händen sich der Herr Referendar befindet." ? „Wissen Sie auch, um welche Summen es sich handelt?" - „Nein, Herr von Treuendorf, aber daß es keine Kleinig- s leiten sind, das weiß ich! Nun, der Herr Referendar wird ! ja reich heiraten. Dann kommt alles in Ordnung." Joachim nickte mechanisch. Er gab dem Agenten das Papier zurück. ' s . „Also bis übermorgen, Meyer." Der nahm es und steckte es sorgfältig in seine Tasche. „Wenn ich dem Herrn von Treuenlwrf noch sonst irgendwie dienlich sein kann?" » „Ja, wir sprechen darüber noch. Heuke abend danke s ich Ihnen. Ich habe noch zu tun." s Der Agent ging. Joachim von Treuendorf war «Nein. s ' Stundenlang saß er vor seinem Schreibtisch, unfähig zu denken, unfähig zu Handely. Dumpf und schwer war ihm der Kopf. Und nur das eine wußte er klar und mit furcht- bar«t Deutlichkeit: daß sein Bruder, zum Verbrecher gewor den war... Als er sich Stunden später erhob und das Haus verließ, ' < stand der Mond am Himmel. Joachim von -Treuendorf ging in.den Wald. Langsam schritt er zwischen den hohen Kiefern dahin. Er rechnete, er überlegte. Nicht viel mehr von diesem Walde war sein Eigentum. Stück für Stück hatt» er diesen seinen liebsten Besitz, seinen Stolz, verkauft, um die fehlenden Zinsen aufzubringen, um Verbindlichkeiten, die Erich «mgegangen war, zu he» zahlen. Nun würde auch noch das letzt« Stück des Walde« daran glauben müssen. Noch stand der Wald, hoch schweigend, unberührt. Aber jeden Tag konnte der neue Besitzer HoMller senden. Und Joachim würde es erleben müssen, daß ein Baum nach dem anderen fiel. Und er . würde dabei stehen dann, machtlos, rechtlos, und die Zähne zusammenbeißen vor Weh. Und nun mutzte er sich trennen von dem letzten Stück Wald, das noch fein eigen war. Denn der Wechsel mußte eingelöst werden. Es gab kein Zaudern. Dieser Wechsel . . . dieser,, von dem er nun wußte. Was aber würde nach ihm kommen? Welche neuen Sorgen, Nengste, welche neuen . . . Verbrechen lauerten in Zukunft auf ihn? . Als er fein Haus wieder erreichte, sand er den alten Inspektor noch auf. ' „Sie sollten schlafen, gehen, Thieme, es ist elf Uhr. Um vier müssen Sie wieder draußen sein." „Und Sie auch, gnädiger Herr, Sie sehen zu Tode er schöpft aus." Er war es. Aber er wußte ja, er würde doch keine Ruhe finden in dieser Nacht. Und keinen Schlaf. Er sagte dem Inspektor, daß er am nächsten Morgen nach Berlin fahren wolle. Der Mann zeigte sein Erstaunen ganz offen. Jetzt während der Ernt«? Was war geschehen, daß Joachim von Treuendorf in diesen Tagen sein Gut verlassen wollte? Joachim wußte selbst, wie nötig er hier draußen war. Aber nötiger noch war das andere» das Schreckliche. Er mußte mir Erich sprechen. „Was machen wir nur?" fragte er, „wie komme ich zur Station? Es ist kein Pferd zu entbehren. Aber es hilft nichts. Es geht ja nicht anders. Um neun hält der Zug hier, also sorgen Sie dafür, Thieme, daß der Landauer um acht bereit ist, mich zu fahren. Es muß sein. Und nun gute Nacht." Er nickte ihm zu. Der alt« Inspektor sah kopfschüttelnd hinter seinem Herrn drein. Der sah es nicht mehr. 'Er stieg die Treppe empor, ging in sein Schlafzimmer, riß die Klei der vom Körper, warf sie achtlos auf den Boden und sank wie zerschlagen und todmüde auf sein Bett. Aber Stunde um Stunde wälzte er sich mühelos umher. Die Gedanken ließen ihn nicht, quälten, ängstigten ihn. - °Er fand keinen Schlaf. 4. „Mein Bruder ist wohl nicht zu Hause?" fragte Joachim von Treuendorf den ihm öffnenden Diener. Aber der bejahte wider Erwarten. Joachim stutzte. Es war elf Uhr, Dienstzeit. Hier war mehr geschehen, als er wußte. Er trat in das Arbeitszimmer des Bruders ein. den Diener, der ihn melden wollte, beiseite schiebend. Der Regierungsreferendar lag auf dem Diwan. Blauer Rauch tagerte in der Luft. Die Jalousien waren herab gelassen, Halbdunkel herrschte in dem großen Gemach. Aber in diesem matten Licht erkannte Joachim doch, wie elend, wie verfallen die schönen Züge Erich von Treuen dorfs erschienen. Er war aufgesprungen bei dem unerwarteten Besuch „Joachim, du?" „Ja, ich. Und du kannst dir denken, weswegen ich komme, Erich. Jetzt mitten in der Ernte, wo ich in Treuendorf so nötig bin, nach Berlin kommen, als hätte ich weiter nichts zu ftm." Er warf sich in einen Sessel. Nahm sich «ine von des Bruders Zigaretten und begann in hastigen Zügen zu rauchen. einen