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— 252 — die Bekanntschaft mit einem heimkehrenden amerikanischen Pelzhändlsr, bei dem er sich aufs genaueste über den Pel^- handel drfundigte. Von Baltimore ging Astor zu seinem Bruder nach Newyork, der bereits rin Pelzgeschäft betrieb. Er trat jedoch nicht in das Geschäft seines Bruders ein, sondern begab sich bei einem Kürschner und Pelzhändlsr rn hie Lehre, um das Geschäft gründlich zu erlernen. Scho» nach einigen Jahren konnte er auf eigene Faust Pelzwaren nach England bringen. Als sein Bruder starb, übernahm er dessen Geschäft. Nachdem er mit England gute Handels beziehungen angeknüpft hatte, dehnte er dieselben auch nach Montreal aus. Und als in Amerika und England die Pelz steuer aägestuLst wurde, breitete er s in Geschäft sogar bi- nach China aus. Sein Reichtum wurde von Jahr zu Jahr größer. Schon im Jahre 1800 organisierte er die Pelzhandslsgeselk- schaft, um dem Monopol der Hudson Bay Gesellschaft Kon kurrenz zu machen. Zur Ausführung dieses Rirssnunter- nehmens konnte er persönlich bereits eine Million Dollars beisteuern. Zu derselben Zeit faßte Astor den Gedanken, an der Küste des Stillen Ozeans, mitten in den spanischen Be sitzungen, einen Handelsplatz zu gründen. An der Mündung des Columbiaflusses im heutigen Staate Oregon legte er die Handelsstation Astoria an und eröffnete den Pelzhandel mit den Jndeanern. Im Jahrs 1812 wurde dieses gewaltige Unternehmen durch den Krieg zwischen England und Ame rika unterbrochen und kurze Zeit darauf aufgelöst. Astor aber war ein schwerreicher Mann geworden. Bei seinem Tode 1848 hinterließ er ein Vermögen von nahezu 30 Millionen Dollars. Astor war der erste große deutsche Handelsmann in Ame rika und der Vorläufer der späteren Goldfürsten, welche die Finanzwelt beherrschten. Er war für seins Zeit das, was Rockefeller und Carnegie für dis neueste Zeit geworden sind. Aber nicht nur ein Herold in der Finanz- und Geschäftswelt ist Astor gewesen, mit viel Liebe und Eifer hat er auch die kulturellen Ideals in Amerika zu fördern gesucht. Schon jii der kleinen Dorfschule Waldorf hatte ?r, unterrichtet von einem Hugenottenlehrer, den Wert guter-Bücher schätzen ge lernt, und so wollte er auch seinen Landsleuten in Amerika eine bessere Gelegenheit bieten, sich mit der reichhaltigen Literatur de- a.ten Vaterlandes vertraut zu machen. Ergrün dete zu diesem Zwecks dis berühmte Astorbibliothrk in New- york, welche damals dis einzige in ihrer Art in ganz Amerika war und ungemein viel zur kulturellen Hebung Newyorks bei- getragen hat. Jetzt bildet diese Bibliothek eine der drei großen Büchsrsammlungen der Newyork Library. Sie bleibt ei» beredtes Zeugnis edlen deutschen Strebens und deutscher Tatkraft. ' " In der Zett, da Astor seinen Reichtum durch rastlose Arbeit sammelte, machte das amerikanische Finanzwesen die gefährlichste Periode seiner Entwickelung durch und geriet in einen tollen Wirrwarr. Da waren es deutsche Geschäfts leute und Bankiers wie Astor, Drerel und Belmont u. a., welche die amerikanische Finanz vor dem Zusammenbruch retteten. Ferner wurde dis Gründung von Bauvereinen durch den Deutschen Fritz Wilhelm Schmöle ein wichtiger Faktor in Lem Rettungswerk des Finanzwesens. In dieser Zeit wanderten viels deutsche Gelehrte nach Amerika aus, unter denen sich Oekonomen wie Franz Lieber, Karl Nordhoff und Friedrich List befanden, welche viel zur Hebung Ler ökonomischen Verhältnisse des Landes beitrugen. Andererseits kamen den rasch aufblühenden Industrien die reichen Kenntnisse deutscher Chemiker und Geologen zugute. In den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts war ein Deutscher, Johann August Rübling, der größte ameri kanisch; Ingenieur. Er hängte den „Pennsylvania Canal Agueduckt" über den Alleghany Fluß, baute die Mongaheia Hängebrücke bei Pittsburg, legte 1848 eine Drahtseilfabrik in Trenton, New Jersey, an, errichtete die weltberühmte Hängebrücke über den Niagara, sowie dis über die Ohiofluß zwischen Cincinnati und Covington und begann schließlich, die Riesenbrücke über den East River zwischen Newyork und Brooklyn zu bauen. 'Mitten in dieser letzten Arbeit verlor er durch eins Verletzung eines Fußes sein Leben, aber seine Söhne vollendeten das begonnene Merk. Tas schon seit hundert Jahren in deutscher Hand sich befindliche Druckereigewerbs erlebte durch dir po.itischenFlücht- linge von 1848 einen neuen gewaltigen Aufschwung. Um den Geist des Fortschritts sich auswirken zu lassen, bemächttgren s sie sich der Zeitungspresse und gaben in rascher Aufeinander- folge zahlreiche politische und soziale Blätter und Zeitschriften i heraus, welche bald die größte Verbreitung fanden. Der l deutsche Drucker wurde geradezu unentbehrlich. Nicht nur s in deutschen, auch in englischen Druckereien waren deutsche Setzer sehr gesucht. Von den größten deutschen Zeitungen, ! welche gegenwärtig gelesen werden und deren Leserzahl nach Millionen zählt, seien nur die Newyorker Staatszeitung, die Westliche Post oder Mi silsippiolätter und die Illinois Staats zeitung genannt. -Neben den Zeitungsdruckereien entstanden ! bald deutsche Buchhandlungen, wie die von Wilhelm Radde ! in Newyork, Cincinnati. Baltimore und New Orleans, von ! Schäfer, Koradi und Köhler in Philadelphia und die von l Rietz und von Raine in Baltimore. Durch seine vortreff- i lichr Arbeit zeichnete sich besonders der deutsche Litograph aus. ! Noch heute ist es dem amerikanischen Redakteur und 'Verfasser l ein wahrer Trost, wenn er seine Korrekturbogen aus der ! Hand eines deutschen Druckers erhält. Die tadellose Arbeit des deutschen Druckers steht im grellen Kontrast zu der oft unfertigen Arbeit seines amerikanischen Kollegen. Aber auch auf vielen anderen Gebieten der Industrie sind die Deutschen bahnbrechend gewesen. Im Jahre 1750 führte . der Deutsche Gottlieb Mittelberger dis erste deutsche Orgel ! in Amerika ein. Die Fabrikation von Musikinstrumenten j liegt noch heute zum großen Teil in deutschen Händen. In j den dreißiger Jahren gründete der Deutsche Wilhelm Knabe j in Baltimore die noch jetzt seinen Namen führende große ! Pianofabrik. In Newyork errichtete Steinway eine ebensolche. ! Beide Geschäfte haben bisher eine führende Rolle in diesem ! Industriezweig gespielt. Ein Hemmnis der deutschen Kolonisierung bildete der Mangel einer Handelsflotte. Erst im Jahre 1847 segelte das erste deutsche Dampfboot in den Hafen von Newyork, es trug den Namen Washington. Der wachsende Handel mit Deutschland führte aber gar bald zur Einrichtung von deut schen Schiffslinien nach Amerika. "Im Jahre 1857 über nahmen deutsche Kapitalisten das alte Geschäft des britischen Lloyd, welches sich bald nach allen Weltteilen ausdehnte. Neben dem Norddeutschen Lloyd entstand die Hamburg- Amerika-Linie, welche bis vor dem Kriege einen fast täg lichen Verkehr mit Amerika unterhielt. Aus alledem ist ersichtlich, von welch grundlegender Be deutung das Deutschtum für die industrielle Entwicklung Amerikas geworden ist. Es hat von jeher diesem Lande seins besten Kräfte und Gaben, seine gediegene Schulung und Bil dung in hingebender Treue gewidmet und ihm zu einem Platze an der Seite der Kulturvölker verholseii, gar nicht zu reden von dem unschätzbaren Einflüsse der deutschen Kirche und Schule auf die Geistes- und Herzensbildung des Volkes. Jedoch wie noch immer und überall hat auch hier dis deutsch: Gutmütigkeit und Treue den schnödesten Undank erfahren, und man hat die dem Volke geschenkten Gaben und Güter mit Kanonen und Granaten, mit Lüge und Haß belohnt. Aber was der deutsche Geist vr Amerika geschaffen und ge leistet, wird nie von den Tafeln der Geschichte verwischt wer den können. Den Kampf gegen seine Wohltäter und größten Förderer wird Amerika noch bitter büßen müssen. Es ver nichtet damit sich selbst. vemisebt« ' Er» „Dorfesll" in französischer Gefangenschaft. Der zurückgekehrte deutsche Krankenträger R. berichtet: „Wir waren Anfang Februar 1917 auf dem Bahnhof in Nantes mit Kohlenverladen beschäftigt. Weil damals sehr viele Ka meraden ivegen Hungers aus dem Lager entwichen waren, hatte man uns zur Strafe unsere schwarzen Mäntel, welche uns vom Roten Kreuz geschickt worden waren, abgenommen und ließ uns im strömenden Regen arbeiten. Als der Regen zu heftig wurde, durften wir unter den Eisenbahnwagen Schutz suchrn. Plötzlich rangierte eine Maschine, und einer von uns wurde überfahren. Er geriet mit einem Bein zwei mal unter die Räder, das Bein war abgequetscht. Trotz der schweren Verwundung hat man den Mann von morgens 10 Uhr bis nachmittags 5 Uhr auf dem Bahnhof liegen lassen, ohne ihm ärztliche Hilfe zu bringen. Am Abend ist dann der Mann gestorben." — Verantwortlicher - tzr-ih ri: >n ^snkrmberg t-S. — Druck und Verlag von C. G. Rokbrrq in Fran?»n-<-r^ < S