Mittwoch den 12. Anni 1918 12 einsilbig und zerstreut, als sie nun zu dritt dem Hanse zugingen. Wendenburg betrachtete ihn forschend. ,-Sie haben doch Ihre Mutter wohlauf gefunden, lieber Gerold?" fragte er teilnehmend. „Ich danke sehr, wohler und frischer als die ganze letzte Zeit," erwiderte der junge Mann. „Mir schien, Sie wären verstimmt." Bernhards Stirn rötete sich unter den forschenden Bliclen. Sie waren inzwischen im Hause angelangt. Gabi begrüßte ihn herzlich wie immer. Er nahm sich zusammen und zeigte ein heiteres Gesicht. Wendenburgs Lippen umspielte ein feines Lächeln. Er .glaubte, Gabis Anblick habe Bernhards Gesicht aufgehellt. „Gabi, unser Gast ist scheinbar schlechter Laune", sag« er neckend. Bernhard wurde verlegen. „Herr Kommerzienrat, ich bin untröstlich, daß ich zu dieser Vermutung Anlaß gegeben habe." „Ach — keine Entschuldigung. In unserer Gesellschaft sollen Sie sich geben, wie Ihnen ums Herz ist. Ihre Mutier ist wohl — gottlob — schafft Ihnen etwas anderes Pein und können wir helfen, dann raus mit der Sprache." Gabi sah ihn schelmisch-zärtlich an. „Am Ende haben Sir gar Schulden?" „Nicht mehr, als ich bezahlen kann, mein gnädiges Fräulein." „Also drückt der Schuh an anderer Stelle. Da müssen wir sie aufzuheitern suchen. Eva, was fangen pur an, um Herrn Gerold die Grillen zu vertreiben?" Eva hatte mit einem besorgten Blick nach Bernhard hinübergesehen. Da schrak sie innerlich zusammen" vor der schmerzlichen Ungeduld, mit der feine Augen in die ihren blickten. „Fühlst du denn nicht, daß ich dich suche, daß ich nach dir verlange, daß es mich unruhig macht und quält, wenn ich dir das nicht sagen kann?" So sprachen seine Augen zu ihr. Und sie zitterte, und der Schmerz um ihn war größer als das eigene Leid. Als nun Gabi die Frage an sie richtete, hatte sie sich bereits wieder gefaßt. „Da weiß Onkel Horst vielleicht besseren Rat als ich", antwortete sie, ein Lächeln erzwingend und Bernhards Blick vermeldend. „Einen vorzüglichen sogar. Wir brauen eine Bowle. Damit wollen wir den Eri.len schon zu Leibe gehen." „Wenn wirklich welche vorhanden gewesen wären, hätten sie längst die Flucht ergreifen müssen vor so viel Liebens würdigkeit." „Soll das heißen, daß Sie auf die Bowle verzichten?" fragte Wendenburg scherzend. Bernhard hob abwehrend die Hand. „Zu solcher Seelengröße vermag ich mich nicht aufzu schwingen", versicherte er lächelnd. „Schön, dann brauen wir." Nach Tisch waren Wendenburg und Gabi.dann zufällig zusammen hinausgegangen. Zwar konnten sie jeden Augen blick wieder eintreten, aber Bernhard konnte sich nicht mehr zurückhalten. Er trat schnell dicht zu Eva heran, die eben die Bowlengläser auf ein Tablett setzte, und faßte ihre Hand. „G nötiges Fräulein — teueres gnädiges Fräulein — ich ertrage das nicht mehr. Verzeihen Hie mir — ich muß Sie sprechen — allein — ich mutz — nur einige Minuten. Geben Sic mir Gelegenheit, erbarmen Sie sich meiner Unge duld, helien Sie mir. Ich bemühe mich seit langem vergeb, lich. Bitte, bitte, teures Fräulein Eva — sagen Sie mir, wann und wo ich Sie sprechen kann." Roman von H. Courths-Mahler. Nachdruck verboten Liebe, hoffe, wähne! Alles andre flieht wie dünner Schaum. Für die Erde gab dir Gott die Trän«, Für den Himmel gab er dir den Traum. E. M. Arndt.. Aber eins quälte ihn sehr. Schon seit Wochen suchte er nun nach einer Gelegenheit, sich ihr eröffnen zu können, aber nie war er eine Minute mit ihr ungestört gewesen. Mit Gabriele war er ^so oft isoliert, da hätte es nie aln einer Gelegenheit zu einer Aussprache gefehlt. Eva traf er nie ohne Zeugen. Scheinbar wich sie ihm aus. Fürchtete sie sich vor der Entscheidung? Tat ihr Gabriele leid? Er hatte den Park durchkreuzt und schritt nun auf dem breiten Parkweg dahin. Plötzlich blieb er stehen. Plaudernde Mädchenstimmen tönten zu ihm herüber. Er bog in «inen Seitenweg «in und beugte sich vor. Unter einer Baumgruppe waren auf einer Art höl zernen Podiums zierliche, elegante Korbmöbel ausgestellt. Auf einer Bank saßen Eva und Gabi beisammen. Das Gerät ,auf dem Tisch vor ihnen verriet, daß sie hier den Tee genommen hatten. Sie kehrten ihm den Rücken zu und bemerkten ihn nicht. Einem raschen Impuls folgend, verbarg sich Bernhard hinter einer Strauchgruppe. Vielleicht war ihm der Zufall günstig. Er wußte, Gabriele fröstelte leicht. Wenn sie früher ins Haus ging als Eva, dann hatte er die schönste Gelegenheit, mit dieser zu sprechen. .Daß er das Gespräch der beiden jungen Mädchen mit anhören mußte, war ihm peinlich, aber er verlangte so intensiv nach einer Aussprache, daß er das mit in den Kaus nahm. „Gerold muß bald kommen, nicht wahr, Eva?" Hötte er Gabi fragen. Eva sah nach der Uhr. „Wenn er den üblichen Zug benutzt hat, ja. Aber vielleicht.hält ihn seine Mutter länger auf." „Papa Hätte ihm den Wagen zum Bahnhof schicken sollen." „Der Weg ist ja nicht weit, Gabi. In zwanzig Mjs- nuten bequem zurückzulegen. Vielleicht ist er auch erst noch nach seiner Wohnung hinüber." „Da hätte er am Parktor vorüberkommen müssen, und ich hätte ihn von hier aus gesehen. Er muß seine Mutter sehr lieb haben, nicht wahr?" „Da er ein guter Mensch ist, wird er auch ein guter Sohn sein. Doch jetzt marsch hinein ins Haus mit dir, Kleinchen, es wird kühl, und du erkältest dich leicht. Äeh schon voran, ich will das Gerät hier gleich noch zusammen setzen und folge dir dann. Wenn Gerold kommt, ist er sicher hungrig und durstig, mach dich für die Abendtafel bereit." Gabi erhob sich folgsam. Eva hüllte sie sorglich in einen seinen Schal und schickte sie ins Haus. Bernhard klopft« vor freudiger Unruhe das Herz. Er wartete noch eine Weile, bis Gabi verschwunden war, und trat dann aus seinem Ver steck hervor. Ehe er jedoch Eva erreicht hatte, kam von -der anderen Seite des Parkes Horst Wendenburg heran. Beide erreichten Eva fast zu gleicher Zeit. So .war seine Absicht wieder vereitelt. Er konnte kaum seinen Unmut bemeistern und war Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage znm Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags- und SonntagS-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegrberr.