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er für die Nein« Eva wie für ein eigenes Kind sorgen würde, und sie in sein Haus nehmen wolle. Wendenburg blieb bei dem Freunde, bis er die Äugen für nmstsr schloß. Dann fuhr er mit der kleinen Eva Henn. Seme Frau nahm das arme Kind liebevoll auf und erzog es mit ihrer einige Jahre jüngeren Tochter. Beide Kinder wurden liebevoll beschützt und behütet von der zarten, vornehm denkenden Frau. Während Gabriele die mütterliche Fürsorge als etwas Selbstverständliches hinnahm, wußte Eva genau, daß sie nur ein Gnadengeschenk für sie war. In ihrem Herzen keimte bald eine verehrungsvoll« Liebe für ihrs gütige Pflegemutter. Ms Frau Wendenburg dann zu kränkeln be gann, wich Eva kaum von ihrer Seite. Mit für ihr Alter bewunderungswürdiger Ausdauer widmete sie sich der Pflege der teuren Frau, suchte ihr allerhand Pflichten abzunehmen, di« mit einiger Anstrengung verbunden waren, und zügelte unmerklich, aber geschickt das etwas laute und kindlich rück sichtslose Wesen der kleinen Gabriele. Als Anna Wendenburg starb, wurde sie leidenschaftlich und tief von Eva betrauert- Ihr war «ine Mutter gestorben, «ine. an der ihr ganzes, zärtlich «empfindendes Herz gehangen hatte. Es kam mm langsam von selbst, daß Eva trotz ihrer Jugend die Zügel des Hauswesens in di« Hände nahm- Mit den Pflichten wuchs ihre Kraft- Und sie war reifer, ernster und stärker als di« kindlich zarte Gabriele, di« vor «ihm körper lichen und geistigen Anstrengungen behütet »erden mußte- ANe Zärtlichkeit^ ihres Empfindens teilte Eva nun zwischen Horst Wendenburg und seiner Tochter. Gabriele vergalt ihr dieselbe mit gleicher Herzlichkeit. Eva war ihr Schwester, Freundin und Mutter zugleich. Ihr Verhältnis zueinander war sehr mmg und herzlich- . W Gabriel« war es gewohnt, Eva alles anzu oertrauen, was sie bewegte, während diese, weniger mitteilsam, manches für sich behrelt. Bernhard Gerold hatte von Anfang an in diesen beiden Mädchenherzen einen Platz erobert- Die kleine Gabi schwärmte für ihn zuerst in kindlicher Weise als für ihren Ketter aus Lebensgefahr. Später entwickelte sich dieses Ge fühl zu einer tiefen, leidenschaftlichen Liebe. Und -Auch das vertraute sie Eva an. Diese hatte keimen und wachsen sehen, was ihr Herz erzittern ließ. Eva liebte Bernhard Gerold, seit sie ihn zuerst gesehen, und mit ihrer tiefen Innerlichkeit umschloß sie sein Bild in ihrem Herzen wie ein Heiligtum. Scheu verschloß sie die eigene Liebe. Sie wußte, daß ihr Los Entsagung war. Ob Bernhard Gabi siebte oder nicht — für sie war er verloren. Hier war eine Gelegenheit, di« Schuld der Dankbarkeit abzutragen. Ihre Lieb», mutzte sie Gabi opfern. Nie hätte sie Bernhard ange hören können, nun sie wichte, daß Gabi ihn liebte, mit einer solchen tiefinneren Leidenschaftlichkeit, daß ihr ganzes Sein darin unterging. So zog sie sich scheu.von Bernhard zurück, gab sich Mühe, kühler und herber ihm gegenüber zu erscheinen- Aber trotz aller Willensanstrengung konnte ft« nicht verhin dern, daß ihre schönen, ausdrucksvollen Augen zuweilen ver rieten, wie es in ihrem Herzen aussah. Und Bernhard verstand so gut in diesen Augen zu lesen, die schon seine Jünglingsseele zu Heitzer Sehnsucht entflammt hatten, die seit jenem Tage am Rhein unverrückbar als Leit stern über seinem Leben standen. Er hatte gearbeitet und geschafft, immer nur mit dem eine» Ziel vor Augen, sich Eva einst erringen zu können. Er wußte, sie war arm wie er, wußte von Wendenburg, welch trauriges Geschick ihre Jugend getrübt hatte. All das erhöhte feine Zärtlichkeit für sie und spornte ihn an, etwas zu leisten, etwas zu werben, um einst imstande zu sein, der Geliebten ein sorgloses Dasein zu schaffen. Nun war er so weit, an eine ge meinsame Zukunft denken zu können, und er wartete mar ein« günstige Gelegenheit ab, sich ihr Jawort zu erbitten. — Neben Eva hatte er Gabi erst wenig Beachtung geschcnkt- Er hatte das hübsche, zarte Mädchen sehr gern, unterhielt sich heiter und unbefangen mit ihr, leistete ihr artig Ritterdienste und musiziert« oft mit ihr. Gabriele hatte «inen weichen, vollen Bariton bei ihm entdeckt, und ihm nicht Ruhe gelassen, Lis er einige Gesangs stunden genommen. Sie begleitete ihn gern zu seinen Liedern, studierte mit ihm mit Geduld die schwersten Sachen ein und freute sich dann wie ein Kind, wenn er so leicht begriff- In ihrem ganzen Wesen ihm gegenüber zeigte sie deut lich, wre lieb er ihr war- Trotzdem dauerte es sehr lange, bis er begriff, daß sie ihn mit anderen Augen betrachtete als «r sie. Da erschrak er. In Zukunft war er doppelt vor sichtig ihr gegenüber, zugleich aber tat sie ihm leid, und das Mitleid macht« ihn weich und zarter gegen sie. Gabi hielt dres Mitleid für den Ausfluß eines wärmeren Gefühls und sie sehnte mit Ungeduld «ine Aussprache herbei. Eva gegenüber klagte sie leidenschaftlich, daß er sie so lange quäk und sicher nur deshalb nicht um sie zu Eben wage, weil sie die Tochter des reichen Kommerzienrates Wendenburg sei. So standen dj: Verhältnisse an diesem Sommerabend. Gabriele, die gleich Eva ein.feines, weißes Batistkleid mit zartgetönien Spitzen trug, wandte sich an Bernhard. ,Ach habe neue Noten, Herr Gerold, wundervolle Sachen- Wenn es Ihnen recht ist, können wir heute abend noch fleißig musizieren." Bernhard verneigte sich. „Gern, gnädiges Fräulein." Aber sein Blick flog einen Moment sehnsüchtig zu Eva hinüber. Er wußte, daß ibn Gabriel« lange am Flügel ftst- halten würd«, und er dann wenig Gelegenheit sand, mit Eoa zu sprechen- Bei Tisch saß der Hausherr zwischen Gabriele und Eva, Gerold ihnen gegenüber. Wendenburg liebte sine angeregte Unterhaltung, neckte sich mit seiner Tochter und Eva und plau derte in leichter eleganter Art mit Gerold. Dabei befleißig je er sich hauptsächlich Eoa gegenüber einer fernen Ealanterie- Seit einiger Zeit hatte sein Verhalten gegen sie eine eigen artige Beimischung erhalten, die freilich niemand aufsiel und von Eva selbst harmlos und unbefangen ausgenommen wurde- Allerdings^ hätte sie den wahren Grund dazu geahnt, sie wäre in tiefster Seele erschrocken gewesen. Horst Wendenburg empfand durchaus nicht mehr väter lich seiner schönen, anmutigen Pflegetochter gegenüber. Zuerst, nach dem Tode seiner Frau, die er herzlich geliebt hatte, war ihm Evas verständnisvolle, innige Teilnahme an seinem Schmerz ein Trost gewesen. Langsam verwand er den Schmerz. Aber wie Eva die verstorbene Frau nach und nach im Haus halt ersetzte, so nahm si« auch unmerklich mehr und mehr ihren Platz in seinem Herzen ein. Evas ernstes, reifes Wesen ließ ihm dabei den großen Altersunterschied kaum noch zum Be wußtsein kommen. Eines Tages, als er, von einer längeren Reise heimkehrend, Eva in vollerblühter Schönheit und An mut an her Schwelle seines Hauses neben der zierlichen, kind lichen Gabriele stehen sah, da erwachte zum erstenmal der bewußte Wunsch in ihm, dieses junge, blühende Leben an sich zu fesseln. Zunächst erschrak er noch vor dem neu erwachten Gedan ken und versuchte ihn zu ersticken. Aber er war in aller Heimlichkeit schon zu stark geworden und ließ sich nicht aus rotten. Seit jenem Tage sah er in Eva nur noch das schön« Weib, nicht mehr das Kind. Und seine Leidenschaft wuchs, und vertiefte sich Er fing an, Eva mit zarrer Aufmerksamkeit zu umgeben und verstohlen um sie zu werben. Sie hielt das für den Ausfluß väterlicher Güte und Liebe und begegnete ihm mit doppelter Zärtlichkeit. Er studierte jetzt häufig sein Spiegelbild und war nicht unzufrieden mit sich Von dem yeuen Gefühl belebt, konnte er sich getrost viel Jüngeren an die Seite stellen. Und dann — er hatte doch Eva ein glänzendes, beneidenswertes Los zu bieten. Nur der Gedanke an seine Tochter genierte ihn etwas- So lang« sie im Hause war, konnte er ihr nicht gut in Eva ein« Stiefmutter geben. Das hätte doch etwas peinliche Verhält nisse gezeitigt. Deshalb begrüßte er es mit Freuden, Hatz Gabi aus ihrer Liebe zu Gerold kein Geheimnis machhe- Gerold war ihm persönlich lieb und werd Er achtete ihn hoch seiner Tüchtigkeit wegen, und als Mensch war er ihm wertvoll und sympathisch Mit Freuden hätte er ihm Gabis Hand gegeben, auch wenn ihm persönlich nicht so diel an deren baldiger Verheiratung gelegen gewesen wäre. So zog er den jungen Mann mehr und mehr in sein Haue und begünstigt« die Neigung seiner Tochter in jeder WeHe- Meist isolierte sich Wendenburg mit Eoa, wenn, wi« heute, Gerold als einziger Gast anwesend war. Gewöhnkch musizierten Gabi und Bernhard zusammen. Ueber Wenden burg pflegte dann eine besonders weiche und zärtliche StiM- mung zu kommen, und während er den jungen Stimmen lauschte, die von Lenz und Liebe, von Suchen und Find«, sangen, suchte sein Blick sehnsüchtig in Evas stillen, klaren Zügen. Seine späte Liebs schlug dann wohl über ihm zusammen