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-Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage znm Frankenberger Tageblatt Wird jH« Mittwochs-, Freitags- «nd SormtagS-Nmmner ohne Preiserhöhung des HauptblatteS bttgegebeu. n Mittwoch de« 5. Juni 1918 Vie vrottel Die Drossel schlug — - Und in Nähe und Fernen .«prangen die Knospen und Knöspchen auf, ' ' Zu den müde verblassenden Sternen - ! Grüßten sie lächelnd hrnauf. Die Drossel sang — ' Und da hat es geklungen Von den schlummernden Wäldern zum Ried, Sie hat meine Seele wach gesungen Mit ihrem Lied. Ilse Hey«. Veden heißt Kämpfen Roman von H. Cour th s-Mahler. 9 Nachdruck verboten Kommerzienrat Horst Wendenburg war trotz seiner acht undvierzig Jahre noch ein sehr hübscher und stattlicher Mann- Das volle Haupthaar und der Bart zeigten nur wenig« graue Fäden. ^Sein Gang war elastisch, die Haltung straff and der Kopf mit den scharf ausgeprägten Zügen saß. stolz und aufrecht auf den breiten Schultern. Er war ein vielbeschäf tigter Mann, trotzdem ihm bewährte Kräfte in d«r Leitung seines riesigen.Unternehmens zur Sette standen. Sein eif riger, rasch zufassendsr Geist behielt doch die Oberleitung. Anter seinen Mitarbeitern bevorzugte er schon seit einigen Jahren Bernhard Gerold. Und dieser verstand es, die Auszeichnung, "die ihm zuteil wurde, mit unbefangener, "bescheidener Liebenswürdigkeit auf- Mnehmen. And sein« Tüchtigkeit war zweifellos, selbst seine Neider Konnten sie .nicht in Abrede stellen. Ein schweres Dcmnleiden hatte Direktor Schmalfeldt aufs Krankenlager geworfen, und Wendenburg betraut« kurz entschlossen Gerold mit dessen Vertretung. Bernhard arbeitete Fch auch schnell ein und rechtfertigte das Vertrauen, das man in ihn gesetzt- Es waren drei.Wochen vergangen seit Bernhards Be such b«i seinem Oheim. Bernhard schlenderte mit Horst Wendenburg durch den Wald nach der Villa Änna. Ein am Nachmittag niedergegangenes Gewitter hatte erfrischende Kühl« gebracht. Die beiden Herren sogen mit Behagen die rein« Luft «in und plauderten von Geschäften. Dann erkundigte sich Wendenburg nach dem Befinden von Bernhards Mutter- ,sSie sagten, Sie hätten li« der Ihrem Atzten Besuch nicht.sehr wohl aussehend gefunden?" „Nein, Herr Kommerzienrat, «her das Gegenteil. Ich habe deshalb mit meinem Oheim gesprochen, er soll Mama aufsuchen und sie bitten, sich zu schonen. Ich erhielt heute Morgen Nachricht von rhm, daß er Anfang nächster Woche M ihr reist." Wendenburg sah Bernhard nachdenklich an. „Dann ist er ja m unserer nächsten Nähe. Einmal in L-, ist es doch nur noch ein Katzensprung bis zu uns. Das lassen wir uns auf kernen Fall entgehen. Den Oheim laden wir uns ein, und wenn er nur einig« Stunden für uns erübri gen kann. Da hab' ich ja die schönste Gelegenheit» ihn kennen Pl lernen. Also schreiben Cie ihm das schleunigst — ich brenne wirklich darauf, ihn zu sehen." Bernhart« Gesicht strahlte. Sie waren inzwischen nah« an die Dilla herangekonnnen- Dte Herren sahen zwei . Damen auf der breiten, mit schöner Sandsteinballustrade begrenzten Veranda stehen. Ern hell blonder und ein kastanienbrauner Mädchenkopf neigten sich «bsr die dichten, hängenden Blumen,, welche die Veranda schmückten, und zwei Paare schöner Mädchenaugen grüßten i herab. - Die Herren zogen die Hüte, und wenige Sekunden später : standen sie vor den beiden jungen Damen. Horst Wendenburg ; wurde von beiden zärtlich begrüßt, aber auch Bernhard wurde ein herzlicher Gruß zuteil. r Hauptsächlich die schlanke, graziöse Blondine mit den M>ben, zärtlich blickenden Blauaugen begrüßt« ihn sehr lie benswürdig. „Wie lieb von Ihnen, Herr Gerold, daß sie mit herüber gekommen sind... Ohne Sie wären wir härt« abend ganz allein." Er zog ihr« fein«, schmale Hand ritterlich an sein: Lippen. „Ich komme nur zu gern, gnädiges Fräulein — das brauch ich nicht zu versichern," sagte er warm. j Dann trat er auf die andere junge Dame zu, um sx zu - begrüßen. Es war ein großes, schlank gewachsenes Mädchen i mit jugendlich reizvollen Formen. Sie hatte resches, kastanirn- s braunes Haar und einen klaren, weichen Teint, wie ihn > gesundes Blut und vorzügliche Körperpflege geben. Die gold- i schimmernden Augen blickten ernst und mit einem leisen, ! schmerzlichen Ausdruck, der zum Herzen sprach Sie schien ! innerlicher veranlagt als die zarte, fröhliche Gabriele. Nichts s verriet gedankenlos« Jugendtollheit. ! Trotzdem der Zauber unberührter Jugend über Eva» ; Wesen lag, zeugte doch der Ausdruck ihres Gesichts von einer " großen inneren Reife, wie ihn geheimer Schmerz verleiht- i Bernhard ahnte, was dies« Mädchenseele quälte. Er wußte, , daß sie den Vater frühzeitig durch den Tod verloren und, was noch viel schlimmer war, die Mutter durch das Leben- Desto heißer wünschte er, sie so glücklich machen zu dürfen, ; daß sich der schmerzliche Ausdruck in den Augen und der wehe - Zug um den seinen Mund verlor, obgleich gerade dieser feine, kaum merkliche Schmerzenszug sein Herz am meisten fesselte- Als er zu ihr trat, traf sein Blick eine Sekunde mit heißem, sehnsüchtigen Verlangen in ihre Augen. Ein seines Rot stieg langsam in ihre Wangen. s Es war nur ein Moment hinüber und herüber, und doch schlugen zwei junge Herzen dabei im stürmischen Tempo- Der Gruß jedoch, den sie tauschten, schien kaum mehr al» höflich. Eva Grabow trat schnell wieder von ihm zurück und wandte sich mit einer belanglosen Frage an Wendenburg- i Sie nannte ihn Onkel Horst. Eva Grabow war die i Tochter eines sehr entfernten Verwandten Wendenburgs. Mit diesem hatte ihn eine innige Freundschaft verbunden. Ms aber Erich Grabow sich mit einer zwar sehr schönen, aber talentlosen und leichtlebigen Schauspielerin verheiratete, trotz dem ihm Wendenburg aus ehrlicher Aeberzeugung dgvon abzuraten versucht hatte, lockerte sich dieses Freundschaftsband etwas. Die Lebenswege der beiden Freunde führten aus- , einander. Sie Hütten kaum noch voneinander. Erst nach > Jahren erfuhr Wendenburg durch einen Zufall, daß Erich Grabow durch die Verschwendungssucht seiner Frau voll ständig ruiniert war, daß seine Gattin ihn und sein« klein« Tochter im Elend verlasen hatte und zur Bühne zurückgekehrt war, und daß Grabow todkrank daniederlag. Wendenburg hatte inzwischen ein« reiche Erbin heimze. führt, eine Wais«, die ihm mehrere Millionen mit in die Ehe brachte. jLr machte sich Vorwürfe, daß er im C^ück Grabow aus den Augen verloren, und suchte ihn auf, um ihm Trost und Hilfe zu bringen. Es war zu spät. Grabow war fertig mit dem Leben. Nur di« Angst um seine kleine Tochter ließ ihn nicht sterben, und da kam der Freund zurecht, um ihm diese Sorge von d«r Seele zu nehmen. Wendenburg versprach ihm in di« ersterbend« Hand, .daß