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— 243 — vlcbemai palcbs, > M ybefirommsüSIerenae >n Palästina Don Sven Hedin?) Die Geschicke Palästinas liegen heute in der Hand Dsche- mal Paschas, eines Mannes, der in der Geschichte der neuen Türkei eine Bedeutungsvolle Rolle gespielt hat. Er führt den Feldzug gegen Aegypten und den heiligen Krieg gegen die Engländer in Mekka, dessen Ausgang von entscheidender Be deutung für d» Zukunft des ganzen Orients und der mo hammedanischen Welt sein wird. Ahmed Dschemal wurde am 23. April 1870 in Mytilene geboren. Sein Vater war dort Militärapotheker. Beide Eltern stammten aus Konstantinopel, aus alttürkischem Ge- - schlecht, was der Sohn nn't besonderem Nachdruck hervorzu- ' heben pflegt. Vom zehnten Lebensjahr an besuchte er die Kriegsschule in Adrianopel und vollendete seine militärische Ausbildung mit vierundzwanzig Jahren in der 1836 ge gründeten Kriegsschule in Pankaldi' bei Konstantinopel, die vor dem Kriege der türkischen Armee alljährlich siebenhundert Offiziere zuführte. Seine Lieblingsstudien waren Geschichte , und Mathematik. s Schon in Pankaldi beschäftigten ihn revolutionäre und ! nationalistische Probleme. Die Befreiung des türkischen Reichs ? vom Joch des Absolutismus war ein unerschöpfliches Unter- i Haltungsthema der Kriegsschüler. Dschemals Kühnheit ging ! schon damals soweit, daß er Aufrufe gegen Sultan Abdul j Hamid verteilte. Um sich nicht zu verraten, schrieb er sie < mit der linken Hand. ' ! Im Jahre 1893 war er nahe daran, sich der jungtür- ! fischen Propaganda in Frankreich zu widmen, lam aber ' bald zu der Ueberzeugung, daß eine Agitation auf fremdem i Boden nicht zum Ziel führen könne, sondern nur die persönliche opferwillige Arbeit im eigenen Lande. Er blieb also in der Türkei und wurde bald als Hauptmann in Pen Eeneralstab ausgenommen. In dem „geistig verpesteten" Konstantinopel, wie er sich ausdrückt, wollte er jedoch nicht wohnen. Als ! Mitglied einer Derteidigungskommission durfte er sich in ; Kirk-Kilisse niederlassen, wohin auch sein Vater übergesiedelt war. Hier arbeitete er ein Jahr lang als Instrukteur einer Kompanie. Im März 1895 begannen die Vorbereitungen zum Krieg gegen Griechenland, und Ahmed Dschemal wurde in den Ge- neralstab der zweiten Armee nach Adrianopel berufen. Seine mehrmalige Bitte, an 'oie Front bei Jannina gehen zu dürfen, wurde abgeschlagen. Er blieb also in Adrianopel bis zum Ende des Krieges und verlor während dieser Zeit seine ! Frau und seine einzige Tochter. Auf seinen Wunsch wurde - er dann nach Saloniki versetzt. Auf der Reise dorthin i heiratete er in Konstantinopel seine jetzige Frau, die eine § kluge und energische Dame und eine Stütze ihres Mannes in i seinem wechselvollen, gefährlichen Leben sein soll. Während seiner fast zehnjährigen Dienstzeit in Saloniki griff er in die revolutionär« Bewegung ein, der die tüch tigsten Offiziere der Armee angehörten, und wurde neben Enver Pascha, Taalat Pascha, Hafis Haki Pascha, Ismail Dschambolat und Refik Bei Mitglied des 1902 gegründeten Zentralkomitees. Außer diesem bestanden Provinzkomitees in Uesküb^ Saloniki und Monastir, und es galt vor allem, die Notabeln der Städte und Dörfer zu gewinnen. Dr, Nasim, der in Paris im Geiste der neuen Bewegung wirkte, wurde vom Zentralkomiitee nach Saloniki berufen; als Hodscha (mohammedanischer Gelehrter) verkleidet hielt er sich hier ; im strengsten Inkognito auf, so datz er nicht einmal seine ! in der Stadt wohnende Mutter besuchte, und wurde dann ! nach Smyrna geschickt, um auch dort ein Komitee zu bilden, z Als Tabakhändler verkleidet gelangte er glücklich dorthin. - Bald darauf kam ts zum Staatsstreich und zur Ein- ' führung der Verfassung. Der erste Auftrag, den Dschemal Pascha und Dr. Nasim von der neuen Regierung erhielten, war eine Reise nach Ungarn und Frankreich, um die moralische Unterstützung dieser Länder.gegen Bulgarien zu gewinnen; ein Versuch, der jedoch mißglückte. Als am 13. April 1909 die zweite Revolution ausbrach. ! die sich gegen die neu eingeführte Regierung richtete^ weilt« ') Aus dem soeben erschienenen neuen Werke Sven Hedins „Jerusalem" (Brockhaus, Leipzig, Feldpostausgab« 1,50 M.). Zu beziehen durch die Buchhandlung von C. G. Rotzberg. Dschemal Pascha gerade in einer Stadt im Westen Kleinasiens. Sofort nach Ankunft der Nachricht eilte er nach der Haupt stadt. Aber schon auf der Fahrt erfuhr er durch Boten und Zeitungen, datz ein Steckbrief gegen ihn erlassen und ein Preis auf seinen Kops gesetzt sei. Um die Späher irrezu führen, blieb er vierundzwanzig > Stunden in Kadi-köi an dar asiatischen Küste gegenüber Konstantinopel. Dort erfuhr er, datz seine "Freunde in Saloniki und Adrianooel gegen die Hauptstadt marschierten und unternahm nun das mehr als kecke Wagestück, ihnen mit der Bahn entgegenzufahren. Er gelangte auch glücklich zu Mahmud Schefket Pascha und kehrte als Befehlshaber eines Truppenteils nach Konstan tinopel "zurück. Am folgenden Tage bestieg Mohammed V. den Thron der Grotzsultane. Vom 27. April bis zum 3. Juni 1909 blieb Dschemal Pascha in Konstantinopel als Mitglied des zur Bestrafung Ler Rebellen eingesetzten Kriegsgerichts. Dann wurde er Gouverneur von Skutari, am 6. August desselben Jahres stellvertretender Eeneralgouverneur von Adana bei Tarsus und im September Wali von Adana. Um die hier übe» nommenen Aufgaben durchzuführen, schlug er im Frühjahr 1910 den Posten eines Marineministers aus.' Anfang des nächsten Jahres erkrankte er an Typhus und lebte drei Monate zu seiner Erholung in Stambul. Nach seiner Wiederherstellung ging er als Wali nach Bagdad. Am 30. Juli 1912 tat er hier den ersten Spatenstich Zu diesem Teil der Bagdadbahn. Im Juni desselben Jahres bildete Ahmed Muktar sein antijungtürkisches Kabinett. Da Ahmed Dschemal die Politik des neuen Ministeriums nicht billigte, forderte er seine Ent lassung und seinen Abschied aus der Armee, um freie Hand zu haben zum Kampf gegen steine neuen Widersacher. Am 17. August 1912, genau ein Jahr nach seiner Ankunft, verließ er Bagdad. Auf der Reise ersah er aus einer Zeitungs notiz, dah man ihn, Dschemal Bei, zum Befehlshaber von Jannina ernannt hatte, ein untergeordneter Posten, der seinem Rang nicht entsprach. Empört telegraphierte er an denjetzigen Kriegsminister Nasim Pascha: „Sie können mich degradieren. Sie haben aber kein Recht, mich zu beleidigen. Es ist Ihre Pflicht, meine Demission anzunehmen." Ende September begann der Balkankrieg. Am ersten Mobilmachungstage Meldete sich Ahmed Dschemal im Kriegs ministerium und bat um einen Posten, der ihm Gelegenheit gebe, dem Vaterlande zu "dienen. Jetzt behandelte man ihn anders als einige Wochen zuvor. Der Kriegsminister wollte sich wegen jenes Vorfalls entschuldigen; aber Dschemal «v- klärte, dazu sei jetzt keine Zeit; er bitte nur um sofortige Anstellung. Der Verlauf des Balkankrieges ist noch in frischer Er innerung. Der Staatsstreich vom 23. Januar 1913 stürme das Kabinett Muktar Paschas. "Am selben Tage wurde' Dschemal Pascha, der bis dahin Generalinspektor des Etap- penwesens in Konstantinopel gewesen war, züm Militär- gouverneur der Hauptstadt ernannt. Nachdem er dann schnell hintereinander noch mehrere hohe militärische Posten be kleidet hatte, trat er im Januar 1914 seine Würde als Chef des ersten Armeekorps an den deutschen General Lima« von Sanders ab und übernahm das Ministerium der öffent lichen Arbeiten. Einen .Monat h>ät«r wurde er Marine minister. - Dann brach der Weltkrieg aus! Zum Glück standen damals in der Türkei die richtigen Männer am richtigen Platze; sie wußten ohne irgendwelchen .deutschen Einfluß genau, was di« Zukunft ihres Vaterlandes von ihnen forderte. Sie entschlossen sich zum Krieg, nicht um den Mittelmächten einen Dienst zu erweisen, sondern um die Unabhängigkeit der Türkei zu retten. Denn dieser Krieg geht um die Eristenz aller Staaten, uiid für den, der leben will, gibt es dabei keine Neutralität. Bei der allgemeinen Mobilisierung wurde Dschemal Pascha Chef der zweiten Ar mee, übernahm aber schon am 17. November 1914 die Führung d«r vierten Armee und verließ am 21. November Konstantinopel, um sich nach Damaskus zu begeben. Krieg gegen Aegypten! Es klingt wie eine Sage. Die uralte Geschichte wiederholt sich von den Tagen der assyrische« Könige und Aleranders des Großen bis aus Sultan Selim, und Napoleon. Schnell war Dschemal Pascha zu einem Stotz gegen den Suezkanal gerüstet. Die erste deutsche Erpeditions- arm« führte Oberst Freiherr Kreß von Kressenstein, dem es zu Anfang d«s Feldzugs gelang, mit den Türken unter