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— 232 — ten sie sich cm das sinkende Ruhland, trotzdem sie dem Russen- tum feindlich gesinnt waren, doch sie gaben sich der Hoffnung hin, das; neben einem zerfallenen Ruhland eine autonome est nische Republik ein ideales Dassin führen könnte und eins rein estnische Kultur, von niemand beeinfluht, entwickeln würde. Vertreler der beiden letzten Gruppen waren es, die sich im vorigen Winter, als der russische Traum ausgeträumt war und die marimalistischen Horden das Land verwüsteten, an Finnland, Schweden und vor allem an England wandten, von dem sie bindende Zusicherungen aller ihrer Wünsche erhielten- Das estnische Volk besteht zu seinem weitaus überwiegen den Teile aus Kleingrundbesitzern, denen es zunächst einmal darauf ankommt,, nach den dreieinhalb Jahren Krieg mit all seinen Verwüstungen und Zerstörungen, seinem Leid, Not Entbehrungen möglichst schnell wieder in geordnete Verhält nisse zu kommen, um ungestört und friedlich der Arbeit an dem Wiederaufbau ihres Besitztums nachgehen zu können. Für sie handelt es sich daraum, ihr Land wieder in neue Kultur zu nehmen, ihren Viehstand auf die alte Höhe zu bringen, eine Aufgabe, die nur geleistet werden kann, wenn das Land nicht neuen Erschütterungen und neuer Ungewißheit ausgesetzt wird. Sie wissen wohl, dah nur au/ der Grundlage einer ge sicherten und sich ruhig entwickelnden Volkswirtschaft neue staatsrechtliche Verhältnisse geschaffen werden können, in denen von allen Nationalitäten gemeinsam — von Deutschen, Letten und Esten — für die Wiedersrstshung eines regen, geistigen und wirtschaftlichen Lebens in den baltischen Provinzen und die Fortentwicklung und Erhaltung auch der nationalen Kulturen und Eigenarr der Letten und Esten gearbeitet werden kann- Im Lager Segrre Bei de.: aus Ruhland hrimgrkehrtsn Kriegsgefangenen Auf dem Wege von Warschau nach Modlin, etwa 1 s/z Stunde von der polnischen Hauptstadt, liegt aus den Sand dünen über dem Narew in sandiger Steppe Segrze, das ehe malige 'Russischs Lager, das in den Kämpfen 1915 vor der Eroberung von Warschau eine wichtige Rolle spielte. Hier wohnte Brussilow mit seinem Stabe. Segrze ist ein riesiges Lager, mit Forts, mit Truppenübungsplatz, mit netten roten Backsteinhäusern zur Unterbringung der Mannschaften und mit einer russischen Kirche, deren fünf goldene Zwiebelkuppeln hoch in di« Luft ragen. Das Schlößchen, das am Ende des Lagers von einem schönen Park umgeben steht, war früher .Fürstlich Radziwillscher Privatbesitz und diente dann später ' dem russischen Eeneralgouverneur als Sommersitz. Jetzt ist es die deutsche Kommandantur des Lagers Segrze, und dieses Lager, von den Russen mit französischem Geld angelegt, dient augenblicklich zur Unterbringung unserer aus russischer Kriegs gefangenschaft heimgekehrten Soldaten, die scharenweise an den deutschen Grenzlinien ankommen, zumeist in ganz phan tastischer Bekleidung, einem Gemisch von deutschen und russi schen Uniformen oder irgendwo aufgetriebenen Zioilkleidern. Fünf Sammelstellen bestehen an der Ostfront, in denen die Heimgekehrten zunächst ausgenommen und zum ersten Mal entlaust und ärztlich untersucht werden. Dann kommen sie alle nach Warschau, wo sie nach einer zweiten Entlausung und ärztlichen Untersuchung neu eingekleidet werden. Dann geht es ohne die Stadt zu berühren mit einem Eitrazug nach Segrze in das Quarantänelager, wo die Heimgekehrten 21 Tage bleiben müssen, bis sie nach Hause zurückkehren dürfen, um nach achtwöchentlichem Urlaub wieder in das Ersatz bataillon einzutreten. Leicht wird ihnen die Quarantänezeit nicht. Es ist schwer, an der Schwelle der Heimat drei Wochen aus dis Rückkehr zu Frau und Kind warten zu müssen, aber sie sehen es alle ein, wie notwendig es ist, Deutschland vor Seuchen zu bewahren, sie wissen, was Flecksieber bedeutet, sie haben in den russischen Gefangenenlagern ihre Kameraden an dieser schrecklichen Krank heit zu Hunderten in das Grab sinken sehen. Aus dem Herenkessel der russischen Anarchie haben sie ein starkes Ge fühl für deutsche Ordnung, deutsche Gründlichkeit und deutsches Pflichtgefühl mitgebracht. Einsichtsvolle Behandlung macht ihnen die Uebergangszeit im Lager Segrze leicht. Dienst und Drill wird sehr wenig getrieben, die Leut« gehen spazieren, treiben Sport oder baden im Narew. Gern sitzen sie auch in den behaglichen Soldaten heimen, denen deutsche Schwestern oorstehen. Dort studieren VercrUworUnd-i R-dskteur! Ernst Rsßbera in Frankenberg 1.S. sie eifrig die Tageszeitungen und die Zeitschriften, um sich ein Bild von dem Leben zu Hause zu machen. Um sie über die Vorgänge in Deutschland in den letzten Jahren näher zu unterrichten, finden an den Nachmittagen meistens Vorträge statt von Rednern und Rednerinnen, die eigens zu diesem Zweck nach Segrze gekommen sind. Abends spielt in dem improvisierten Theater eine Schauspieltrupps, die aus Ange hörigen des früher im Lager garnisonierenden Ersatztruppen teiles gebildet ist, oder es finden Kinovorstellungen statt. So sind auch die letzten 21 Tage, die sie von der Heimat trennen, bald überstanden und fröhlich und gesund wird dis Heimreise angetreten. Wir in der Heimat wollen mit gleich freudigem Herzen und mit offenen Armen die willkommen heißen, dir für ihr Vaterland solange die Leiden der Gefangenschaft erduldet haben, die sich jetzt durch Not und Elend zurückgesunden haben zum heimischen Herd. Wir alle wollen uns bemühen, sie diese Leiden vergessen zu machen. Sie sollen fühlen, daß Deutschland sich seiner wiedergewonnenen Söhne freut und stolz auf sie ist! von ikommenSe« VIngen Friedensziele — Zukunftsprogramme . . . Man redet von Neuorientierung und Neuaufbau auf vielen Gebietrn- Ein guter kräftiger Hoffnungsgeist möchte leuchten und stärfen- llnd das ist recht! Aber die tiefernste Sprache des furcht barsten aller Kriege, die jemals über diese Erde kamen, läßt auch unerbittlich den schweren Ton von irdischer Ver gänglichkeit ^klingen. Das große Sterben, das Dahinsinken so vieler Kulturwerts, ist's nicht wie ein gewaltiger Hinweis, daß auch einmal das Ende aller Dinge kommen kann? Die moderne Naturwissenschaft belehrt uns, daß nach dem Ge setze der Entropie ganz gewiß mit einem Aufhören alles Erdenlebens zu rechnen ist. Und dre Bibel spricht in sehr bestimmten Motten von einem allgemeinen Ende des Welt geschehens. Kein Geringerer als Jesus hat von unerhörten- kommenden Dingen geweissagt, die solch ein Allerletztes an kündigen und heraufführen werden. Es gibt Leute, die lächeln über solche Bibelweisheit, aber es ist ihnen nicht immer wohl dabei- Eine innerste Stimme drängt und fragt, ob denn nicht doch etwas sei an der merkwürdigen Rede von einem letzten Weltgericht. Phantastische Zahlenspielerei ist aufgetaucht und hat aus der Heiligen Schrift den Schlußpunft des gegenwärtigen Krieges berechnen wollen. Ein törichtes Beginnen. Ebenso verkehrt und,zwecklos ist es, den Weltuntergang aus biblischen Sprüchen und Zahlen herauszulesen, im Sinne einer genauen Bestimmung- von Jahr und Tag. Eine Benutzung der Bibel ist das auch, aber eine sehr mißbräuchliche. Eine Verwechs lung von Wahrsagung und Weissagung steckt dahinter, ünd es fehlt an einem Feingefühl für den taktvollen Schleier, den die biblischen Schriftsteller über so manches gebreitet haben, von dem sie das eigentliche Wissen dem Herrgott allein über lassen wollten. Gewiß, dir Bibel deutet aus Vor- und Merk zeichen, wie furchtbare kriegerische Umwälzungen, .satanischen Lügengeist, entsetzliche Entchristlichung und dergleichen. Vieles mag wie auf unsere eigenste Gegenwart gesagt erscheinen- Das großartig-schauervolle Bild von den apokalyptischen Rei tern — Dürer hat es uns herb anschaulich gemacht — mutet uns erschreckend zeitgemäß an. Aber wir wollen aus solcher Betrachtung und Erkenntnis doch nur dies entnehmen, daß die Menschen innerlich gerüstet und bereit sein möchten, wenn früher oder später wirklich das gottgewollte Ende ko mmt - Und es ist ein wunderbarer Trost, daß über allem Werde» und Vergehen ein ewig göttliches Walten bleibt. Mag kom men, was will — die Knodtschen Verse haben recht: „Einer doch steht ruhig-klar sonder Anfang, sonder Ende, Gott ist ewig, Gott ist wahr, heb zu ihm getrost die Hände!" Dr. A. .Sch. ^?>eine Dankesschuld gegen unsere Helden zu bezeigen, bietct sich Gelegenheit durch Erwerbung der Mitgliedschaft d» Vereins Heimatdank. (Anmeldung erbeten an die Geschäftsstelle — Rathaus Zimmer Nr. 6, — Mindestjahresbeitrag nur 1.— M.) — Druck und Verlag von E. G. Noßt erg in Fronlentera t ?