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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags- und SonntagS-Nummer ohne Preiserhöhung des HauptblatteS beigegeben. Ur. L» Zonntag dm S. Juni 1»t8 ruwekworte Der Herr muh selber sein der Knecht, Will er's im Hause finden recht, Die Frau muh selber sein die Magd, - Will sie im Hause schaffen Rat. Gesinde nimmermehr bedenkt, Was Nutz' und Schad' dem Haus« brengt: Es ist ihm nichts gelegen dran, ' Weil sie es nicht für eigen Aan. * » Siehe wieviel gutes Werk du vor dir hast in deinem Haufe, an deinen Kindern, di« solches alles bedürfen, wie eine hungrige, durstige, bloße, arme, gefangene, kranke Seele- Wie eme selige Ehe wäre das, wo solches Ehevollk bei sammen wäre und stünde also ihren Kindlein vor. Weben heißt Nursen Roman von H. Courths-Mahler. 8 Nachdruck verboten Sie zog seinen Kopf zu sich herab. „Mein geliebter Mann, nun bist du um deine Nachtruhe gekommen, man hat dich geweckt. Und du sorgst dich um Bettina. Armer Fritz!" Er küßte sie zärtlich. Das Kleine war still geworden und schien einzuschlafen. Maria bettachtete es zärtlich und legte sich dann gehorsam wieder zurück. „Ich will schlafen, damit ich schnell wieder gesund bin. Gute Nacht, mein lieber, lieber Mann." „Schlaf friedlich, mein Weib — ich wache über euch." Sie lächelte. So feierlich klang seine Rede. Bald war sie wieder eingeschlummert. Fritz saß dann lange am Lager seines Weibes. Er vergrub das Gesicht in den Händen und sann dem Schreck lichen nach, das er diese Nacht erlebt hatte. Nie würde er das Bild vergessen, das er geschaut hatte. Ein Schauer rann durch seine Glieder. Seine Schwester eine Mörderin? Wenn er nur kurze Zeit später kam, war das Furchtbare geschehen. Wie hätte er Has ertragen sollen?! Furchtbare Stunden verbrachte er in dieser Nacht. Erst gegen Morgen erhob er sich und weckte die Dienerin, die im Nebenzimmer fest schlafend auf dem Divan lag. Er trug ihr auf, bei seiner Frau und seinem Kinde zu bleiben. Seine Schwester sei erkrankt. Dann begab er sich in das Zimmer seiner Schwester. - Bettina hatte lange ohnmächtig im Nebenzimmer am Boden gelegen. Als sie erwachte, schmerzten sie alle Glieder, und langsam erst dämmerte ihr die Erinnerung. Und da koch sie, von Angst und Grauen geschüttelt, vorwärts, de Treppe empor in ihr Zimmer. Dort sank sie wimmernd auf den Divan. .Was hatte sie getan? Bis zu welchem Wahnsinn hatte sie sich Hinreitzen lassen? Sie begriff sich selbst nicht mehr. Wie war es nur über sie gekommen? Sie hatte auf das schlafende Kind gestarrt und wie so oft brennend gewünscht, datz es sterben möchte. Immer Heitzer war der Wunsch geworden, immer wilder. Und sie hatte henken müssen, wie leicht ein so zartes Flämmchen.erstickt war. Ein fester Druck — und alles war vorbei. Wenn das Kissen herabfiel und auf dem Kindergesicht liegen blieb, das genügte schon. Nie mand ahnte dann, was geschehen. Das Kind war erstickt — eine Unachtsamkeit — ein böser Zufall — nichts weiter. Blutigrot war es vor ihr ausgestiegen. Die Hände hatten wie spielend an dem Kissen gezerrt, es rutschte weiter und weiter. Nun lqg es ganz nah« am Gesicht des Kindes — und da war ein Flimmern, und Sausen in der Luft, Bet tina war wre sinnlos aufgesprungen und hatte das Kissen mit aller Gewalt auf das Kinderköpfchen' gedrückt. Ein Schauer rann durch ihre Glieder, der Angstschweiß brach ihr aus. „Mörderin — Mörderin — svas wolltest du tun!" So klang es ihr in den Ohren. Das Grauen vor sich selbst drohte sie zu ersticken. Sie wollte aufspringen, sich zum Fenster Hinausstürzen — ins Wasser gehen — sie konnte sich nicht rühren. Der Kopf brannte ihr wie Feuer, und durch die Glieder rann eisige Kälte. — So lag sie noch, als ihr Bruder eintrat. Es war dunkel in ihrem Zimmer. Er drehte das elektrische Licht aus. Dann blieb er vor ihr stehen — wie ein zürnender Richter. „Steh aus — ich habe mit dir zu r^den," sagte er kalt. Sie erhob sich mühsam und rutschte zu.seinen Fühen. „Vergib — ich wußte nicht, was ich tat." Er trat zurück. „Steh auf und latz das. Knie vor Gott, damit er dir verzeiht. Ich — ich kann es nicht. — Du verlätzt noch diesen Morgen mein Haus für immer, Has bedarf keines Wortes mehr. Aber ich will nicht, datz außer dir und mir ein Mensch erfährt, was diese Nacht geschehen. Schon Bern hards wegen nrcht." Bettina stöhnte auf und schlug die Hände vors Gesicht. ^Mein Sohn — mem ^Sohn!" Es lag «in verzweifelnder Jammer in diesem Ausruf, datz Herbig einen Augenblick seine Ruhe verlor. Dann fuhr er aber hart und unbewegt sott: „Bernhard darf nicht ahnen, weshalb du mein Haus verläßt, wir müssen ihm und der Welt gegenüber eine Täusch ung ersinnen. Ich habe alles überlegt. Du begibst dich morgen früh nach Dresden in ein Sanatorium, um deine angegriffene Gesundheit wieder herzu stellen. Du mußt jetzt für ernstlich krank gelten — auch ich will annehmen, daß du es bist. Was dann geschieht, weiß ich noch nicht. Nur eine Rückkehr in mein Haus gibt es nicht für dich, denn ich würde jede Stunde um das Leben meiner Lieben zittern. Auch dafür müssen wir einen Vorwand finden, datz du nicht wiederkehrst." Bettina'satzte sich an die Schläfe. „Wäre ich doch tot — dann wäre alles gut." „Ich habe angenommen, datz du mit solchen Gedanken liebäugelst. Hüte dich aber, Selbstmordgedanken zu pflegen. Damit machst du nichts gut, sondern vergrößerst dein Ver brechen. Und auf Bernhards Leben würde es einen Schatten werfen. Vergitz das nicht- Hier habe ich dir Geld mitgebracht für die Reise und sonstige Unkosten. Es ist selbstverständlich^ datz ich für deinen Unterhalt sorge. Aber sonst gibt les keine Gemeinschaft mehr zwischen uns." Er hatte einige Banknoten auf den Tisch gelegt und wandte sich zum Gehen. Sie sah ihm mit leeren, hohlen Augen nach. „Fritz — vergib — ich bin schleckt — so schlecht — aber ich wutzte nicht, was ich tat, bei' Gott — ich wußte es nicht. Es war wie ein Fieberwahn. Vergib mir — sag' mir Lebewohl, nur ein Wort." Er wandte sich mit schmerzentstelltem Gesicht zu ihr um- „Ich kann nicht verzeihen. Weil du mir so viel warst, komme ich nicht darüber hinweg, was du getan. Verzeihe dir Gott. Lebewohl werde ich dir sagen müssen, wenn du zur Abreise fertig bist — der Dienstboten wegen. — Daran laß dir genügen." Er ging schnell hinaus. Als Bettina später in den Wagen stieg, um zum Bahn hof zu fahren, trat Herbig mit hinaus und half ihr in den