Volltext Seite (XML)
Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wrd jeder Mittwochs-, Freitags- und Sonntags-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeben. Nr. 58 MittwoS den 29. Mai 1918 llerkängni; Die Freude ist ein flatterhaftes Kind Und hie Enttäuschung seine Spielgefährtin. — Des Jrd'schen Lachen raubt der Schmerz geschwind, Wenn beid- lockt des Schicksals falscher Sinn! — . Hans Jesora. Vebeu heißt kämtzßgn Roman von H. Courths-Mahler. , 6 - Nachdruck verboten Kaum eine Stunde später tauchte Herbig im Zeichen- saal auf. Es roar ihm, als müßte er sich überzeugen, daß ' sie noch da war, und daß ihre Augen ihm jetzt anders entgegenstrahlten, als sonst. Ohne sich bei den anderen «ruschhalten, steuerte er.auf ' Marias Tisch zu. " " „Ich hab« eine neue Idee, Lie Sie mir ausführen können, Fräulein Rottmann, bitte, geben Sie mir Stift und Pacher herüber," sagte er so laut, daß es die anderen hörten. In feinem Ton lag so viel Liebenswürdigkeit, daß Marias Kol legen lauschend die Köpfe hoben und sich vielsagend ansahen- Die Rottmann schien wieder in Gnaden ausgenommen zu sein. Maria hatte heißsrglühend einen Zeichenblock und Blei stift vor Herbig hingelegt. Er zog sich einen Stuhl Heran und fetzte sich neben sie. Dann schrieb er auf den Block, indem er oft zu ihr aufsah: „Ich HM es nicht aus, ich mußte dich sehen und sprechen. Ich werd« jetzt sehr viele solche neue Ideen haben, mein süßes Mädchen, ab^r wenn du so glühend rot und verlegen aussiehst, wird man unser Geheimnis früher entdecken, als uns lieb ist. Ich möchte dich furchtbar gern küssen! Du mich auch?" Er schob ihr den Block Hin. „Wie finden Sie diese Idee, Fräulein?" fragte er laut- Der Schelm zuckte um ihren Mund- „Sehr originell," antwortete sie, so ruhig sie konnte- „Man könnte auch hier tztne andere Auflösung der Linien wühlen, bitte, geben Sie mir das Blatt noch einmal her." Sie reichte es ihm, und er schrieb: „Findest du meine Idee nur originell?" Da schrieb sie darunter: „Nein, auch wunderschön und herrlich." ! Nun er wieder: > „So, das gefällt mir besser. Hast du mich lieb?" Und sie darauf: „Bon ganzem Herzen, von ganzer Seele." „Schreib mir doch auch mal ein liebes Wort!" .^Liebster, Liebster — ich möchte dir die Hände Jussen." „Küß mir lieber den Mund. Schau mich mal an, aber recht «lieb." So ging die Korrespondenz eine ganze Weile fort. Da zwischen wechselten sie laut einige Worte über die vermeint liche Zeichnung, damit die anderen nicht argwöhnisch werden sollten. So verstrichen die ersten Stunden von Marias Brautzeit. So sehr Herbig auch von seinem Glück erfüllt war, der Gedanke an Bettinas Intrige verursacht« ihm doch ein zor niges Unbehagen. Und er beschloß, sie dafür zu strafen. Am Abend desselben Tages, als er mit ihr bei Tische säß, sagte er plötzlich: , „ „Uebrigens hat mir Henle Fräulein Rottmann gekündigt.' Er beobachtete seine Schwester bei diesen Worten und sah, daß ihre Blicke aufzuckten. „Fräulein Rottmann?" fragte sie verwundert, und sah ihn erwartungsvoll an. »Ja," erwiderte Herbig ruhig. „"Ich verliere für mein Geschäft eine sehr schätzenswerte Kraft dadurch." „Das tut mir für dich leid, Fritz. Du wirst hoffentlich Ersatz für sie finden. 'Weshalb will sie denn fo plötzlich fort?" fragte Bettina mit einem Gemisch von Unruhe und Triumph. Fritz zerkleinerte umständlich «in Stück Fleisch- „Sic will heiraten," sagte er gemütsruhig. „Heiraten!" rief Bettina erstaunt. Fritz blickte eigentümlich zu seiner Schwester hinüber- „Du scheinst erstaunt zu sein. Sagtest du mir doch selbst, daß sie mit Lebbeck verlobt sei. War es nicht so?" »Ja, gewiß, also Lebbeck heiratet sie?" Nun mußte Fritz trotz allem Groll amüsiert auflachm- „Jch habe das rächt von ihr gehört, sondern von dir- Jedensalls heiratet sie aber bald, und Zwar sehr bald." Bettina war sehr verlegen, fand sich aber geschickt mit der Situation ab. , Jedenfalls war es eine große Beruhigung, daß der» jung« Mädchen fortging. Die nächsten Tage vergingen dem heimlichen Brautpaar nur zu schnell. Die wenigen der (Seltenheit abgestvhlenen Minuten des Alleinseins, die heimlich-köstlichen Stunden, in denen sie scheinbar miteinander arbeiteten und doch nur tausend süße Torheiten trieben, dünkten ihnen das Schönste, was sie je erlebt. Maria hatte inzwischen die Eltern ihrer Freundin um Aufnahme gebeten,' und ihneä den Grund ihres Wunsches offen dargelegt. Die Antwort kaf umgehend ehr. Man er wartete Maria in den nächsten Tagen. Nun mutzten sie ans Scheiden denken. Drei Monate gab Herbig Maria Frist zur Vorbereitung der Hochzeit. Sie sollte, um Redereien und Unbequemlichkeiten LU entgehen, in Marias Hermatstädtchen, eben dem Wohnsitz ihrer Freundin, stattfinden, und zwar schon der Trauer wegen in aller Stille. Im Zeichensaal hatte niemand eine Ahnung, daß Maria Rottmann nicht wieder .kam am anderen Tag. Still und artig wie immer verabschiedete sie sich von ihren Kollegen und ging — um noch eine eben vollendete Skizze zum Prinzipal zu tragen. Herbig erwartete sie schon und zog sie schnell in seine Arme. — „Mein geliebtes Mädchen — morgen bist du nun feru- Wie soll ich nur über dieses schreckliche Vierteljahr fort- kommmen?" — „Du hast ja Mr eine kurze Eisenbahnfahrt zu bestehen, wenn du mich sehen willst," neckte sie. „Und dos werde ich öfter wollen, als ich es ausführen kann. Aber sieh, hier liegen unsere Verlobungsanzeigen. Mor gen, wenn du fort bist, gebe ich sie zur Post." < „Und willst du wirklich deiner Schwester nicht vorher Mitteilung davon machen?" „Nein, ich will sie überraschen." „Mir ist bange, Fritz. Ich fürchte, dem« Schwester wird mich nicht freudig aufnehmen." „Du.sollst gar nichts fürchten, mein Lieb. Laß alles meine Sorge fein. Wer nicht für dich ist, ist auch gegen ! mich" — „Aber du versprichst mir, in Güte bei ihr für Freund lichkeit gegen mich zu werben." Noch «in tiefer Blick,.«in Kuß, «in Händ«druck, und sie schieden.