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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage znm Frankenberger Tageblatt Wird jedrr Mittwochs-, Freitags- und SonntagS-Nummer ohne Preiserhöhung des HauptblatteS beigegebvr. M. 55 Sonntag de» 26. Mai 1918 renrernaedt! O Lenzesnacht, so jugendlich schön, Welche Wonnelust, dein Bild zu schau'n, Berauscht von der Nachtigall lieblich Getön Träumet man wachend den Maientraum. Es findet das junge, sehnende Herz In der Blütenpracht eine knospende Rose. > Im Duft des Flieders entweicht jeder Schmerz, Wenn leise sich legt des Nachtwind's Getose. Viel Freud' und viel Wonne erfüllen die Brust, In der noch wohnt ein himmlisches Sehnen. Die lauwarmen Nächte der Iugendlust, — Ach möchten sie doch nimmer vergehen. " O Menschenseele, sei auf der Hut, Lersäum' nicht den Frühling im Leben. Die Liebe im Mai, das köstliche Gut, Bringt nicht zurück dir dein Flehen. M. Fiedler. Leben heißt Kämpfen Roman von H. Tourihs-Mahler. i — Nachdruck verboten Nm Tag«, bevor Maria ausblieb, war Lebbeck für eini^r Dage zurückgekehrt. Helbig hatte ihn mit der jungen Zeichnerrn zusammen gehen sehen in der Mittagspause. Am übernächsten Tage brachte ein Dienstmann zwei Briefe von Maria Rottmann in die Fabrik. Es war morgens gegen 9 Uhr. Herbig kam gerade über den Hof, um^sich in sein Kon tor zu begeben, als er den Dienstmann unschlüssig stehen sah- Er fragte ihn, was er suche, uns der Dienstmann über- veichte ihm den einen Bries. Dann erkundigte er sich, wo er Herrn Lebbeck finden würde^ weil er diesem ebenfalls einen Brief abzugeben habe. Herbig schickt« ihn zu dem Portier, der ihm Lebbeck herbeirufen würde. Dann ging er in sein Kontor. Wie er bereits vermutet hatte, war der Brief von Maria. Sie entschuldigte mit kurzen, höflichen Worten, daß sie aus dem Atelier ohne seine Erlaubnis fortgeblieben seu Ihrer Mutter schwer leidender Zustand habe es nötig gemacht, das; sie zu Hause blieb. Heute morgen um sieben Uhr ist merne Mutter gestorben, ich bitte, mich deshalb zu beurlauben, bis ich s»e beerdigt haben werde." So schloß der Bries. Herbig lehnte mit zusammengezogenen Brauen amSchreib- tisch. Ihre Blutter war tot. Sie war in schweren Stunden mit ihr allein gewesen, und hatte noch schwere Stunden vor ^ch Ob er ihr seine Hilfe anbot? Aber da fiel ihm Lebbeck ein. Natürlich sollte ihn ihr Schreiben zur Hilfe herbeirufen. Lin bitterer Groll stieg in ihm auf. » Unzufrieden mit sich selbst ging er auf und ab, bis ein Klopsen an feine Tür« ihn aufschreckte. Aus seinen Zuruf trat Lebbeck ein. Er bat um Urlaub für einige Stunden. Ohne eine Frage an ihn zu richten, nickte Herbig Gewähr- Lr wußte ja auch ohnedies, was der Reisende vorhatte. Hätte er lesen können, was Maria an Lebbeck geschrieben, dann hätte er ihm schwerlich so finster nachgeblickt. Der Bries lautete folgendermaßen: „Eeehrter Herr Lebbeck! Heute morgen ist meine liebe gute Mutter entschlafen. Eie wissen, was sie mir war. Ich bin fassungslos und vor Schmerz unfähig, zu Handeln. Sie sind der einzige Mensch, an den ich mich in meiner Not wenden kann, bitte, machen Sie sich für einige Stunden frei — es wird ja ohne Schwierig- - ketten gehen — und kommen Sie zu mir, damit Sie mir einige notwendige Gänge abnehmen können. Zu ihrer dem- ! nächst stattsindenden Verlobung mit Helene, yon welcher ich s eben Nachricht erhielt, will ich Ihnen jetzt nicht Glück wün- - schen. Aus einem Trauerhause soll Ihnen nicht der erste Glückwunsch zuaehen. Ich behalte ihn mir vor bis später. Hoffentlich können Sie mir meine Bitte erfüllen. Mit herz lichem Gruß Ihre Maria Rottmann." In trübes Sinnen verloren saß Herbig an srinemSchreib- tisch. Nun würde Maria Rottmann wohl bald Lebbecks Frau werden. Sie konnte doch nicht lang: schutzlos in der Welt stehen. Vielleicht würden sie nicht einmal mehr das Trauerjahr abwarten. In solchen Fällen ist das ja zu ent schuldigen. Und oben im Zeichensaal würde, dann ihr Platz leer sein, sie würde ganz aus seinem Leben verschwinden, als j habe sie nie eine Rolle darin gespielt. Gottlob wußte sie ! wenigstens nichts davon. — Ms er mittags nach Hause kam, s gab er seiner Schwester den Auftrag, eine Blumenspend« für ! das Grab der Verstorbenen zu Fräulein Rottmann zu schicken- - Er tat es in so ruhigem, kühlem Ton«, daß Bettina glaubte, i er sei bereits geheilt von seiner Neigung, wenn überhaupt ein« l bestanden hatte. Sie führte seinen Auftrag aus und bestellte in s ihrer Dankbarkeit gegen das Schicksal selbst ein sehr schönes, I geschmackvolles Blumengebinde. Maria wich nicht vom Sterbelager ihrer Mutter, h« ! diese der Erd« übergeben war. Lebbeck hatte bereitwilligst alles geordnef, damit fi« nicht gezwungen war, di« Zote allein zu lassen. Das jung« Mädchen empfand den Tod der geliebten Mutter um so schmerzlicher, als sie der einzige Mensch ge- s wesen war, der ihr angehörte. Sie stand nun ganz allein i in der Welt. Und in den trüben, trostlosen Stunden am , Totenbett flogen ihre Gedanken immer wieder schmerzlich ! grübelnd zu Fritz Herbig. Was hatte ihr sein Wohlwollen s verscherzt? — Jedenfalls würde sie nun nicht länger in ihrer Stellung bleiben. Für sich allein fand sie schon andere ; wertig Unterkunft. Sie beschloß, den nächsten Kstndigungs- s ternrin zu benutzen, um Herbig mitzuteilen, daß sie ihre ' Stelle ausgeben wolle. Am Morgen nach dem ^Begräbnis der Mutter saß sie wieder an ihrem Zeichentisch Als Herbrg herauskam, zuckte ' er zusammen beim Anblick deb blassen, schwarzgekleideten > Mädchens. Er bezwang sich und Kat zu ihr, um ihr einig« artige, aber kühle Beileidsworte zu sagen. Sie dankte ihm - ebenso ruhrg und kühl und wandte sich ihrer Arbeit wieder i zu- Aber sie zitterte heimlch vor Aufregung. „Fort — nur so schnell wie möglich fort," dachte sie s in schmerzvoller Pein. Sie mußte noch über acht Tage s warten, bis sie kündigen konnte. Lebbeck war längst wieder sauf der Reise, und Herbig fühlte sich sonderbareieweise darüber ! wir von einem Zwang befreit. — Am Morgen des Kün- s drgungstages klopfte es an seine Tür«. Aus seinen Lius Kat Mana Rrttmann ein. Der Gang war ihr nicht leicht geworden. Da er mit feiner eigenen Erregung zu tun hatte, merkte er nichts von ihrer Unruhe. Endlich trat er «inen s Schritt aus sie zu. s „Sw wünschen. Fräulein Rottmann?" fragte er so - ruhig wie möglich in geschäftsmäßigem Tone, und warf «inen Blick zu ihr hinüber. Da merkte er, wie elend sie aussah, und daß sie sich kaum aus den Füßen halten lonnte- ! In einer ritterlichen Aufwallung stellt« «r ihr schnell «men Stuhl hin. „Sie fühlen sich durch Ihren schweren Verlust sehr er schöpft, bitte, nehmen Eie Platz," sagte er, «inen Moment in seinen alten, wohlwollenden Ton oerfallienL. Mit. 4 Uhr an: