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214 Reisenden tanzte. Es war ihm unmöglich, es länger im Saal auszu hallen. Er ging hinaus in den Garten und warf sich auf i «ine Bank. Dort saß er lange und rang mit dem bitteren § Schmerz. Erst jetzt empfand er so recht, was ihm Maria ge- . wesen war. Zu tief satz ihm die Liebe zu ihr schon im Herzen- ' Er konnte sie nicht, ohne Wunden zu erhalten, Herausreitzen. i Endlich ging er wieder in den Saal zurück. Er hatte noch : Pflichten gegen seine Leute.zu erfüllen, und Fritz Herbig hatte sich noch nie einer Pflicht entzogen. Auch jetzt hielt er-aus bis ' zuletzt. Stur Maria Rottmann und Lebbeck ging er aus dem i Wege. Soh er sie zusammen stehen, dann wandte er sich ab, ; um es nicht mit ansehen zu müssen, wie sie so vertraut mit- ! einander verkehrten. Frau Bettina konnte sehr zufrieden mit i sich sem. Fritz Herbig war in seinem Wesen sehr verändert, so viel er 'ich auch Mühe gab, mit seiner "Enttäuschung fertig zu werden. In den Zeichensaal ging er zunächst nur wenig, und ' vermied es dann so viel als möglich, mit Maria sprechen zu müssen.' Neue Ideen auszuarbeiten war er ohnedies nicht in der Stimmung, und mutzte er eine besondere Zeichnung an- > fertigen'lassen, so wandte er sich an einen der anderen Zeichner. Er bestellte sie auch "Sonntags nicht mehr in'seine Wohnung. ! Sowohl Maria, die sehr feinfühlig war, als auch die an deren merkten Herbigs verändertes Verhalten. Die Kollegen und Kolleginnen der bisher so Begünstigten, die mit mehr oder weniger neiderfüllten Blicken Marias Bevorzugung bemerkt hatten, freuten sich heimlich, datz diese anscheinend in Ungnade gefallen war. Maria selbst mutzte es auch fühlen, datz Herbig ihr aus wich, datz sein Gruh kühler und gezwungener war als sonst und datz er mit Absicht vermied, ihr wre sonst direkte Auf träge zu erteilen. Und sein Benehmen tat ihr weh. Sie emp fand es doppelt schmerzlich, weil er sich vorher so warm und herzlich ihr gegenüber gegeben hatte. Ganz genau wutzte sie, oatz es seit des Feste anders geworden war. Da sie indes keine Ahnung hatte, wodurch sein'Bemhmen verändert sein konnte, mutzt« sie es für eine H«rrenlaune halten. Sie hatte von Herbig sehr viel gehalten und ihn immer heimlich bewundert, «s tat ihr das sehr leid, datz sie Nein von ihm denken sollte. Zn den letzten Wochen war etwas in ihr gekeimt und gewachsen, das einer grotzsn heimlichen Liebe für ihren Chef sehr ähnlich sah. Sie hatte sich vergeblich gegen dieses Gefühl gewehrt und ihre Herzensruhe hatte darunter gelitten. Schließlich gab sre ' den Kampf dagegen auf und bettachtete es als ein unabwend bares Verhängnis, datz sie Herbig lieble. Nicht den Schatten ! einer Hoffnung knüpfte sie daran. Sie verlangte und wünschte nichts mehr, als sich sein Wohlwollen zu erhalten, mit und für ihn schaffen und arbeiten zu dürfen. Und nun entzog er ihr auch dieses. Sie grämte sich still darüber; troHdsm war ihr Sicherlich gar nichts anzuinerten. Sie kam und ging wie sonst, arbeitete unermüdlich und ge- ! wissenhaft, und gab sich den Anschein der Unbefangenheit, j Dabei grübelte sie jedoch unablässig darüber nach, wodurch sie ! sich Herbigs Wohlwollen verscherzt haben mochte. Und eines : Tages schätz ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie vor Schrecken fast lähmte. Wie, wenn er gemerkt hatte, wie teuer er ihr war? Hatte sie vielleicht ihre Blicke, den Ton ihrer Stimme nicht in der Gewalt gehabt? Konnte sie sich sonst irgendwie verraten haben, und wollte er ihr nun zeigen, welche Kluft zwischen ihnen bestand? Maria stieg das Blut mit siedender Angst ins Gesicht, als sie sich nun mit" peinlicher Schärfe ihr Verhalten ins Gedächt nis zurückrief. Nun war es um ihre Ruhe geschehen, zumal wurde an sich selbst irre, und glaubte nun den Grund gefun den zu haben für sein Verhaften. Heiße Scham stieg in ihr auf. Wenn sre doch gleich in diesem Augenblick fortgehen könnte, irgend wohin, nur nicht mehr hierbleiben, unter seinen Augen. Aber das ging ja nicht- Sie dachte an die Mutter, die so froh war, datz"ihre Tochter eine gut bezahlte Stellung gefunden hatte. Jedenfalls müßte sie sich erst ein anderes Engagement suchen, ehe sie fortgehen durfte. Die Mütter war obendrein sehr leidend. Ihr leichtes Unwohlsein hatte sich zu einer ernsten Erkrankung verschlimmert und Maria war in großer Sorge. Brachte sie schon von zu Hause ein schweres Herz mit, so legte sich in der Fabrik eine neue Last darauf. Es waren trüb« und schwere Tag« für Maria Rottmann, und ihre Aug«n verloren den Glanz und zeugten von heimlich vergos ¬ senen Tränen. Fritz Herbig bemerkte ig eifersüchtigem Groll sehr wohl diese Tränenspuren. Er glaubte jedoch, die Trennung von Lebbeck hätte ihr diese Tränen ausgepreßt. Inzwischen waren die Sommerferien näher gerückt und Bernhard drängte seinen Onkel, die Angelegenheft mit der Rheinreise bei der Mutter ins Klare zu bringen. Bettina war in der letzten Zeit ihrem Bruder gegenüber so voll Liebe und Freundlichkeit, daß er ganz gerührt war. Es war doch wohl das Beste, er gab seine Heiratspläne ganz auf und änderte nichts an seinem Leben. Eines Tages brachte er Bernhards Angelegenheit zur Sprache. Bettina fuhr sehr ärgerlich zu Bernhard herum. „Du bist trotz meines Verbots Onkel Fritz mit dieser Reise gekommen?" „Ai, Mama. Und Onkel Fritz war ganz .gewiß nicht böse, du brauchst dich nicht zu sorgen." ' „Trotzdem ist es unverantwortlich von dir und undank bar." Und zu Fritz gewendet, fuhr sie fort: „Du bist zu gut mit ihm, Fritz, er glaubt alles bei dir durchsetzen zu können und überlegt sich nicht, daß er dich mit deinen Wünschen kränken könnte." „Hat er auch nicht getan, Bettina. Ich verstehe nicht, daß du dich darüber aufregst. Brauchst nicht zu denken, ddß ich gleich an Bernhards Liebe zweifle, wenn der Junge mal lieber mit seinen Freunden reisen wilb als mit mir." Bettina strich nervös an der Tilchkante hin und her. „Ja, lieb hat er dich ganz gewiß, daran zweifle rch ja nicht, lieber Bruder." ' Herbig lachte gutmütig. „Fällt mir auch gar nicht ein, Bettina. Nicht wahr, mein Jung — wir Heide wissen, wie wir miteinander daran sind. "Mach keine Geschichten, Schwester, und verdirb dem Jungen die Freude nicht. Er hat mein Wort, daß ich ihm deine Erlaubnis erwirke. Du willst mich doch näht wort brüchig machen?" Bettina gab nur zu gern nach, , da sie sah, daß Fritz nicht gekränkt war. Nur die Sorge, daß sein Wunsch zwi schen ihm und dem Oheim Verstimmung bringen könnte, hatte sie zu dem Verbot veranlaßt. Sie hatte für ihres Bruders schlichte Größe kein richtiges Verständnis, und glaubte ihn nach kleinlicher Frauenart tarieren zu müssen. Bernhard war überglücklich. In seinem frohen Uebec- mut umarmte er tzie Mutter und den Onkel und erdrückte fast beide mit seinen jungen, starken Armen. „Aber nun laß mich schnell mal zu Hans Malzahn hinüberlaufen, der hat schon mit mir um die Wette Angst geschwitzt, daß du doch noch nein sagst." „So! Na, dann lauf nur zu deinem Intimus und befreie ihn von der Angst." Bernhard Gerold war fröhlicher Erinnerungen voll von seiner Reise wieder hcimgekehrt. Es war recht still in der Villa Herbig gewesen, so lange er fort war. Oheim und Mutter waren froh, daß sie ihn wieder hatten. And er er zählte mit blitzenden Augen von seinen Reiseerlebnissen. — Auch eine Heldentat hatte er vollbracht. Von einem Rhein dampfer war im dichten Gedränge ein kleines Mädchen in« Wasser gestoßen worden, als neue Reisende ausgenommen wur- s den. Er, der es.zuerst bemerkt hatte und ein guter Schwim- ! mer war, hatte sich nicht lange besonnen, sondern war schnell ! nachgesprungen und hatte das kleine Mädchen erfaßt. Er war ' mit ihr um "den stillstehenden Dampfer herum nach d«m ! Äser geschwommen, und das nasse Bad hatte weder ihm, s noch dem Kinde geschadet. Nur die Mutter des kleinen ! Mädchens war in Ohnmacht gefallen vor Schreck. Sie und ihr Gatte hatten Bernhard für den kleinen i Dienst mit Dankesbezeugungen überschüttet, was ihm sehr unangenehm gewesen war. Als er sich jedoch umgekleidet hatte und wieder zu seinem Kameraden heraufkam, stand der Vater des kleinen Mädchens mitten unter ihnen, und sie brachten ihm gerade ein Hoch aus. Er hatte sie all« zu sammen «ingeladen, in Abmannshausen seine Gäste zu sein. In Aßmannshausen hatte er denn rm Hotel auch wirklich den fünfzehn Primanern ein großartiges Festmahl gegeben und war selbst bis zu Ende zugegen gewesen. Dabei chatte er sich sehr eingehend mit Bernhard unterhalten, sich fernen Namen und Adresse notiert, und ihn am nächsten Morgen, als die Primaner weiterzogen, sein Töchterchen gebracht, damit dieses sich bei ihm bedanke. Die Mutter des jftnd«s, eine sehr