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i Frankenberger Erzähler U»t«rhalt«ngsbeU-g- z«« Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags- Md Sonntags-Nummer ohne PreiserhöhMg des Hauptblattes beigegeben. Ax. 48 Sonntag de« L. Mai 1918 Die Zukunft decket Schmerzen und Glück Schrittweis dem Blick. Doch ungeschreckt dringen wir vorwärts. Und schwer und fern Hängt eine Fülle. In Ehrfurcht still ruhn oben die Sterne Und unten die. Gräber. . . Es rufen von droben die Stimmen der Geister, Die Stimmen der Meister: „Versäumt nicht zu üben Die Kräfte des Guten! Dort flechten sich Kronen in ewiger Stills, Die sollen mit Fülle die Tätigen lohnen! Wir heißen Euch hoffen!" Goethe. ,^O Deutschland hoch in Ehren, Du heilges Land der Treu!"- Wie eine Riesenwoge rauschte Begeisterung auf, alle mitreißend, so daß sie darüber fast den Abschiedsblick in das Land des Friedens vergaßen. Vorwärts zu Sieg und Freiheft! Wer fragte nach dem Leben? Es waren Tage, deren Erinnerung zum wertvollsten Besitz derer wurden, die sie mit erleben durften. Endlich kam der Oberförster heim. Noch immer stand der Sommerhimmel lichtblau über der Welt. Golden lagen die weiten Felder im Abendschein, dicht gedrängt schon stand die reiche Ernte in Garben. Zwischen Wäldern träumten blanke Seen, und friedlich lagen behäbige Dörfer in ihrem Kranz von Obstbäumen. Teure Heimat, heilige Heimat, wer wollte dich nicht gern mit seinem Leben verteidigen? Wollte nur Gott geben, daß ich nicht etwa reklamiert werd«, dachte Erich. Auf dem Bahnhof telephonierte er in die Oberförster«! um ein«n Wagen, und ging dann in das Haus des Vetters. Wie mochte es da aussehen? Berthold war ja Oberleutnant der Reserve. Schon im Hausflur stieß er auf Berthold. „Erich! Mensch, Dich schickt der Herrgott! Morgen um sechs mutz ich fort. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht, so viel ist noch zu erledigen. Und dabei Malve! Es ist herzzerreißend. Tu mir die Lieb«, red' ihr zu. Ich weiß nicht, was ich ansangen soll." Fort war er in sein Büro, wo der stellvertretende Referen dar schon seit einer Stunde mehr oder minder ungeduldig wartete. — Vergeblich klopfte Erich an mehrere Türen. Endlich kam aus der Küche das Mädchen, verstört und aufgeregt. „Frau Amtsrichter ist in der Schlafstube lind packt dem Herrn seine Sachen. Gehen Sie man 'rein, Herr Oberförster," riet sie- — — .Fiebe Malve —" Sie lag hingeworfen über dem Bett, das Gesicht tief in das Kopfkissen gewühlt, und schluchzte- „Er mutz mit. Sie nehmen ihn mir. Und «r geht in den Tod. Ich weiß es ganz sicher. Ich überleb's nicht, mor gen, w«nn ich ihn hergeben fall." Mein, heroisch war die arme, klein« Malve Rodendach gar nicht. . Er berührte sanft ihre Schulter. „Mut, Malve. Gott ist über uns. Er kann Berthold schützen, wenn es "sein Wille ist. Wir Zurückbleibenden müssen stark sein um der Ausziehenden willen." „Warum das alles! Warum? Wir war«,- so glück lich!" schluchzte sie. „Wir kennen den Weltenplan so wenig, wie meine Bäume wissen, warum die Forstarbeiter kommen. Das ruht alles in weiseren Händen. Fragen Sie jetzt nicht, denken Sie nicht an sich, nur an Berthold, der so viel zurückläßt und es willig tut. Sie dürfen ihm den Abschied nicht schwer machen." „Ich kann nicht," wiederholte sie hilflos. „Doch, Sie können, weil Sie ihn lieb haben. Mit freiem Herzen muß Berthold ins Feld rücken. Seien Sie eine tapfere ' Frau. Der Gedanke an Sie muß ihn anfeuern, nicht lähmen." i „Ich kann's nicht begreifen, daß er gern geht," klagte sic- „Ja, möchten Sie in ihm einen Feigling haben, der am liebsten zu Hause hinter dem Ofen bliebe?" „Ja, nein — ich weiß nicht. Mir ist alles gleich, wenn ich ihn nur behalte," stieß sie in ihr Kissen hrnein. Er schwieg, und in seinem Schweigen lag etwas, das sie zur Besinnung brachte. Sie setzt« sich aufrecht und trocknete ihre Augen. „Ich möchte nicht schwächer sein, als andere. Es trifft ja so viele," murmelte sie. Auf Tischen und Stühlen lag eine Menge von Sachen, die sie blinde vor Tränen aus den Schubfächern gerissen hatte, die sie alle für unentbehrlich hielt und doch nicht in dem kleinen Offizierskoffer zu verstauen wußte. „Cie haben ja noch zücht gepackt. Kommen Sie, ich helfe Ihnen. Ich weiß, was mit mutz und was nicht." ermunterte er. Nun kam Zug in die Sache, der Stürm irrer, haltloser Verzweiflung war beschworen. Auch der sorgliche Hausfrauen- sinn erwachte, und bald war das Köfferchen gepackt. Malve blickte aus klaren Augen. „Wie hast Du's nur angefangen, sie soweit 'zu be ruhigen?" fragt« Berthold später, als er einen Augenblick mit Erich allein war. „Ich weiß kaum, aber ich bin sicher, sie wird es über- nachzugeben. Sie darf nur nicht zuviel sich selbst überlassen bleiben. Hat sie keine Verwandte, die zu ihr kommen könnte?" „Nicht, daß ich wüßte. Ihre Mutter ist zu Hause Lanz und gär unabkömmlich." Er griff nach Erichs Hand und drückte sie, daß die Gelenke schmerzten. „Treuer, alter Junge, mach' das Matz Deiner Güte voll und bleibe zunächst hier, bis ich aus dem Hause bin, Und dann sieh Dich ost nach ihr um, laß sie nicht grübelnd Ich hab' ja eben gesehen, daß Du Einfluß auf sie hast. Du glaubst nicht, wie mir das den Abschied erleichtern wird. Und sollte ich — Du verstehst; nicht wahr, Alter, da versprichst Du mir —" „Gewiß, gewiß. Diern Wort darauf. Was nur in meinen Kräften steht. Sei ganz ruhig. Alber ich hoffe —" „bla, ich hoffe ja auch, ehrlich gestanden. Das Leben ist so stark in uns Gesunden, daß man sich das Gegenteil schwer vorstellen kann. Immerhin — nicht jede Kugel trifft, aber auch nicht jede schießt nur 'n Loch in die Lust. Trotzdem," setzte er nach einer Pause hinzu, „macht' ich nicht zu den Zurückbleibenden gehören. Es .ist doch etwas Gewaltiges, mit dabei sein zu können. Gib acht, diese Zeit schafft uns allen neuen, ganz neuen Sehwinkel. Wenn nur erst der Kahn endgültig losgebunden wäre. So, und nun wollen wir uns 'ne Flasche Rüdesheimer qus dem Keller holen zum Abschied, und auf den Sieg trinken und die Heimkehr, Erich, alter Junge!" Es wurde ein unvergeßlicher Abend voll seltsamer Stim mung und tiefem unausgesprochenen Empfinden. Malve saß neben Berthold aus dem kleinen Paneelsosa, so fest in seinen