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206 — doch dazu ssrs auf dem Diomi, als Bernhard bei ihm eintrat, und sich nach alter Gewohnheit zu ihm auf den Divan setzte. Herbig legte die Zeitung fort und sah ihn erwartungs voll an. .Nun. Jung, du siehst aus, als wolltest du mir etwas furchtbar Nettes beichten." Bernhard nickte energisch. „Will ich auch, was sehr Nettes. Das heißt — eigentlich imr für mich." „Na, dann schieß los — es ist ja ohnedies deine Beicht- stund« " ,Lm. Denke mal, die Prima will in den großen Ferien eine Rhemreise machen. Bis Montag soll sich jeder entscheiden, zu gern mitmachen." „Also abgemacht — du gehst an den Rhein." Bernhard schob nachdenklich die Brauen empor. „So klar ist das nun nicht. Was wird Mama sagen? Ich wage es gar nicht, ihr zu beichten." US 8 Zrss Zuerst begab er sich in sein Privatkonto!, um einige wichtige § Briefe selbst zu schreiben. Dann unternahm er einen Rund gang durch die Fabrik, wo das Summen und Sausen, das ! Klappern und Surren großen Lärm verursacht«. Er war jedoch dieses Konzert ebenso gewöhnt, wie seine Arbeiter. Nachdem er unten seinen Rundgang beendet und auch ! in den Kontoren nach dem Rechten gesehen hatte, stieg «r hinauf in den Zeichensaal. Er .richtete sich empor, antwortete jedoch nicht gleich. Seine Augen sahen aber so sonderbar forschend und prüfend in die ihren, daß sie von neuem erglühte. Herbig kam nun ihre peinvollc Befangenheit zum Bewußtsein. „Nein — ich habe nichts besonderes, Fräulein," sagte er scheinbar ruhig und ging dann in sein Privatkonto! herunter. Seit dieser Stunde aber war die Unbefangenheit aus ihrem Verkehr geschwunden. — Das Gefühl, welches Herbig beherrschte, war ihm so neu und ungewohnt, daß er es sich zunächst nicht recht erklären konnte. Gewiß war ihm nur, daß ihm noch kein weibliches Wesen ein ähnliches Empfinden eingeflößt hatte. Und dies Empfinden war em so durchaus angenehmes, dgß er sich nicht dagegen wehrte. Im Gegenteil, — mit träumerischem Be hagen versenkte er sich mehr und mehr hinein. Und dieses Behagen war doch wieder mit einer wonnigen Unruhe gemischt. Die Arbeit lockt: heute den sonst so tätigen Mann gar nicht Er warf sich in einen Sessel und sah vor sich hm- Wie war das nur gekommen? Er hatte doch sonst im Verkehr mit ihr nicht einen Augenblick seine Ruhe verloren! Freilich, er hatte sie immer gern leiden mögen, hatte immer «in gewisses Wohlwollen für sie empfunden, aber die sehnsüchtige, zärtliche Unruhe, die ihn jetzt beherrschte, hatte gar nichts mit diesem ruhigen Wohlwollen gemein.. Sollte er wohl auf dem Weg sein, das Herz an lle zu verlieren? Er sprang wieder auf und lief unruhig auf und ab. „Unsinn," rief er halblaut in seine Gedanken Hinern und i trat ans Fenster, um erregt auf den Scheiben herumzu- i trommeln. !. Es war gerade Vesperpause. Die Leute promenierten, ihr Pesperbrot verzehrend, in dem großen Hofraum aus ! und ab und unterhielten sich dabei. Einige der jüngsten Arbeiter bildeten mit mehreren jungen Arbeiterinnen rn der s einen Ecke, gerade unter'seinem Fenster, eine .Gruppe. Sie ! lachten und scherzten und tauschten wohl auch verliebte Blicke. Ein Bursche und ein Mädchen hielten sich absichtlich etwas und alt ist der nicht. Und schön, wunderschön ist es immer mit dir in den Bergen. Aber diese Fahrt möchte ich „Was — du wagst es nicht? Schlingel — wenn du zum Ungehorsam den Mut hast, mußt du auch die Folgen auf dich nehmen." ! Bernhard bekam einen roten Kopf. „Wenn sie nur nicht immer gleich.weinte vor Angst, daß ich dich gekränkt haben könnte. Du glaubst nicht, wie besorgt sie ist, und wenn sie weint, ist's aus mit meiner Courage. Warum sie nur so ängstlich ist? Ich hab dich doch gewiß furchtbar lieb und möchte dich um keinen Preis kränken. Aber sie zankt immer mit mir, daß ich es dir nicht genug zerge, wie lieb du mir bist, und denkt, du entziehst mir deine Liebe. Dabei büffle ich doch nur so, bis mir der Kopf brummt, um dir mein« Dankbarkeit zu beweisen." Herbig richtete sich auf den Ellenbogen empor und strich ' liebevoll über den dunklen Jünglingskopf. „Von Dankbarkeit rede mir lieber nicht, ich kann das ! Wort nicht ausstehen. Lin bischen Liebe ist mir mehr als ! «in Berg votz Dankbarkeit. Da steckt immer so ein heimlicher Zwang dahinter." Bernhard sah ihn offen und ehrlich an. „Bei mir nicht, da kommt es ganz von selbst." Fritz Herbrg betrat kurz darauf das Fabrikgebäude. ob er mithält." „Und du möchtest natürlich gerne mithalten, nicht wahr?" Bernhard sah etwas unbehaglich aus. Dann stieß er ! heraus: „Brennend gern — natürlich nur, wenn, ich dich , nicht wie jedes Jahr auf deiner Sommerreise begleiten soll." > Herbig sah mit Wohlbehagen in das lebensprühende ! Gesicht fernes Neffen. „Also du willst mich diesmal treulos im Stich lassen?" fragte er scheinbar beleidigt. Bernhard sah auf seine Stiefelspitzen herab. „Natürlich nicht ohne deinen Willen. Mama hat ja s recht, ick bin schrecklich undankbar, daß ich überhaupt an so was dachte! Sie hat mir auch streng verboten, dir damit zu kommen." s „Und doch hast du es getan?" „Ja — eigentlich ist es schändlich. Aber weißt du, — > sie hat mir in ihrer Angst, ich könnte dich erzürnen, schon manchmal was verboten, was du mir dann doch erlaubt hast. Und ich kenne dich doch wirklich besser als Mama. Kleinlich bist du sonst gar nicht." „Damit willst du sagen, daß ich diesmal kleinlich bin?" . meinte Herblg lachend. „Nein, das bist du nie." „Schön, also ntuß ich mich auch diesmal mit Größe aus der Asfär« ziehen! Also du möchtest lieber mit deinen Ka- : meraden «ine Rheinreise machen, als mit mir wieder nach Tirol gehen? Gut, melde dich Montag zur Teilnahme an der R^einfahrt, die nöligen Moneten erhältst du. von.mir. Mach' aber keine zu intensive Bekanntschaft mit dem Rhein wein." - - Bernhard zerdrückte ihm fast die Hände. „Bist du auch wirklich nicht bös?" „Bös bin ich nicht. Ich kann es dir ja gar nicht ver denken, wenn dir so eine ^freie, fröhliche Fahrt mit Alters genossen lieber ist, als wenn du mit deinem alten, langweiligen Onkel Fritz in den Bergen rumkrarelst." „Du — laß meinen Onkel Fritz in Ruhe! Langweilig In der Mitts des großen Raumes standen riesige Zeichen- tafeln, an denen Detailzeichnungen ausgeführt wurden. Rings um waren durch Holzverschläge Abteilungen geschaffen wor den, in denen die ersten Zeichner und.Zeichnerinnen an Skiz zen und Entwürfen arbeiteten. In einer dieser Abteilungen saß auch Maria Rottmann an ihrem Zeichentisch. Herbig blieb hinter jedem Zeichner ! eine Weile stehen und sah zu. wie er arbeitete. Zuletzt kam er zu Maria. Sie trug denselben grauen Lodenrock wie neulich und eine ebenso schlichte, weiße Batistblufr. Als Herbig ! zu ihr trat, hob sie einen Moment den Kopf und sah zu ihm auf. Mit ruhiger Artigkeit wechselten sre einen Gruß- Dann arbeitete sie ungestört weiter. Sie wußte, wenn er einrn speziellen Auftrag für sie hatte, sprach er sie an. Er sah heute aber nur zerstreut auf ihre Skizze herab, viel mehr fesselten ihn die schlanken, edelgeformten Hände mit den rosigen Finger nägeln. Und von den Händen glitt sein Blick unbewußt über ihre ganze Gestalt. Gin schmales Streifchen des Nackens, i darüber der schöne Ansatz des braunen Haares, die starken, glänzenden Flechten, ein kleines, rosiges Ohr und das hübsche, ! blühende Oval des Gesichts — Herbig ertappte sich plötzlich darauf, daß er das alles mit innigem Wohlgefallen betrach tete. And Maria Rottmann mußte seine Blicke fühlen. Sie sah unruhig empor und begegnete ihnen. Es lag «in Aus druck darin, der sie befangen machte. Sie zeichnet« sofort weiter, aber die Hände verloren die ruhige Festigkeit und ! verräterisches Rot stiegen ihre Wangen empor. Sie fühlte ! das und ärgerte sich darüber, ohne es hindern zu können. Ihr Atem ging unregelmäßig, er sah es an dem Heben und Senken j der Schultern. Ein ganz eigenartiges Gefühl stieg in ihm auf- Wie «in heimlicher, süßer Zauber umwob es die zwei Menschen. Maria Rottmann zeichnet« recht unsichere, schwankende Striche. Sie schämte sich ihrer Unruhe, als sie das merkte- Entschlossen schüttelt« sie den Bann ab, der sie gefangen ge nommen chatte, und, den Stift aus der Hand legend, fragte sie: „Haben Sie besondere Befehle für ntich, Herr Herbig?"