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stellungen, denen er doch waren sehr stolz auf ihr neues Frau Malve.« war er von neuem in setzt entrinnen wollte. nicht ein solch Du hast doch Haus geradezu noch er den Bor- Käuzen ein Ständchen bringen. Wäre er Prachtmensch, ich würde sagen „verdreht", selbst gehört, wie dringend ich ihm unser als seine Heimat angeboten habe." „Er hat wohl viel zu vm", begütigte Prahme voll Holz oder Kartoffeln, vom ewig kläffenden Spitz bewacht, Vergnügungsdampfer voll fröhlicher Menschen, Sportleute in „Seelenverkäufern", und im Mondschein aller lei junges Volk mit seinen „Schätzen". Bisweilen war dann eine Zupfgeige dabei und die Mädchen sangen. „Das reine Heater, und kostet dabei nichts! Kind, wie haben wirs doch gut!" meinte der Amtsrichter einmal. „Und der Erich könnte das alles mit genießen und unsere angenehme Gesellschaft dazu, statt dessen sitzt er mutter seelenallein in seiner Oberförsterei und läßt sich von den Verhandlung. Berthold hatte das gestern erst wähnt. Berthold! Damit war, der gehaltene, ernsthafte und freundliche Mensch; der zwar kein Spiel verdarb, aber auch keins anregle. Dem Stammhalter folgte im nächsten Winter ein Schwester chen, und wieder im nächsten eine zweite Tochter. Die Bekannten waren geneigt, die junge Frau darob ein wenig zu bedauern. Sie kam za aus ihrer Kinderstube gar nicht heraus. Drei Kinder in drei Jahren! Das patzte ja gar nicht in den modernen Lebenszuschnitt! — An nichts konnte sie teilnehmen. Am Tennisklub so wenig wie am Gesangverein und am Liebhabertheater, und der Storch rich tete es mit konstanter Bosheit auch noch so ein, ihr die Wintergesellschasten ebenfalls zu verderben. Malve Rodenbach lachte nur, wenn man ihr derartiges andeutete. Die Leutchen mit ihren Spielereien, die sie für Wichtigkeiten ausgaben! Wie viele Kinder ihr auch ans Herz gelegt würden, sie würde alle mit gleicher Freude be grüßen. Sie fühlte in sich eine Liebessülle, dir ausreichen konnte für mindestens ein Dutzend, und sie trug die Krone ihrer Mutterschaft in Stolz und Demut zugleich». Gab es. denn eins höhere Würde und feierlichere Verantwortung, als Trägerin des neuen Geschlechtes zu sein? „Natürlich hat er Arbeit, jeder vernünftige Mensch hat i sie. Aber deswegen könnte er sich ruhig mal sehen lassen, s Sa viel verstehe ich auch von den Geschäften eines Ober- ! försters. Na, wenn ers nicht besser haben will", setzte der junge Ehemann achselzuckend hinzu, „zur Not werden wir ! vielleicht auch allein fertig; meinst Du nicht auch, Schatz?" ! Ja ^allerdings, sie genügten einander durchaus. So s bereit sie auch gewesen wären, den Freund am Sonnenschein - ihrer Häuslichkeit teilnehmen zu lassen, sie gewöhnten sich bald - daran, daß Erich immer nur bei besonderen Gelegenheiten s erschien und auch dann nur auf ausdrückliche Einladung, s „Mann Gottes, Du mutzt ja versauern und verbauern s da draußen", wetterte ihn jedesmal der Amtsrichter an. § „Weshalb in aller Welt heiratest Du nicht? Besinne Dich ' gefälligst auf Deine Staatsbürgerpflichten." „Ich kann ja mal Umschau halten unt« den Töchtern ! des Landes", gab Erich unweigerlich mit lässiger Gefällig- s leit zurück, aber dabei blieb es auch. Stadt und Umgegend ! waren reich an hübschen und auch liebenswürdigen Mädchen, — eine zweite Malve war aber nicht darunter. Sie hatten all«, was ihm nicht gefiel — den Ehrgeiz, das Hinaus drachten, die unruhige Betriebsamkeit der modernen Jugend. Nicht Hne besaß Malves friedvolle Gelassenheit, ihre weiche Weiblichkeit und sanfte Wü?de, die alles Begehren zugleich entflammte und bändigte. Es gab freilich auch Leute, die sie indolent, beinahe langweilig fanden und gar nichts Besonderes an ihr ent decken wollten. Bertholds naseweiser Assessor äußerte sogar, man könne viel eher beschreiben, wie sie nicht sei, als wie sie sei. Gleichviel: für Erich Rodenbach war sic das Ideal die einzige Frau, der er sich auf Lebenszeit hätte verschreiben mögen. Wenn er sie unter der Linde traf, das blonde Haar von Sonnenlichtern überflutet, kam ihm immer etwas von dem Halo glühenden, halb ehrfürchtigen Gefühl, das den frommen Mönch zu den Füßen der Madonna zieht, und profan schien es ihm fast, wenn Berthold sie mit dem Recht des glücklichen Gatten ohne weiteres in dis Arme schloß, sie herzt» und küßte, ohne sich auch nur im geringsten Om die Gegenwart eines Dritten zu kümmern. „Ost könnte ich das nicht mit ansehen", fühlte er. „Aber ich will ihren Kindern ein guter Onkel sein. Das wird meinem Leben von nun an einen Zweck geben." Einstweilen war er von der Ruhe einer Onkelrolle immer noch weit entfernt. Sern ganzes Sein schrie schmerzvolles Entbehren, als er eines Tages am bekränzten Tauftisch Mab »es Erstgeborenen als Pat« auf den Armen hielt. Ein wenig ungeschickt, nach Jungssellenart, und mit Augen, die wie durch einen Nebel auf all das reiche Glück des Freundes sahen. Aber niemand hätte ihm äußerlich das Geringste anmerken können. Er schien genau, wie er immer gewesen Lankwitz. — Am Donnerstag Konferenz mit dem Oberland- forftmeifter, am Sonnabend Termin in einer Wilddiebsache; der Assessor führte während des Urlaubs des Thefs die Die jungen Eheleute Haus und den hübschen Gatten mit den vielen Rosen und Obstbäumen und einer dicken' Linde, deren Stamm eine runde Bank umzog. Don dieser Bank sah man durch die grünen Kulissen von allerlei Buschwerk gerade auf den Fluß, an den der Garten stieß. Was zog da nicht alles vorder! „Mir ist's bisweilen, als wären wir allzu glücklich, Ber thold," sagte Malve eines Tages. „Es ist ja wie im Märchen. Immer schöner und schöner wird es. Und dann faßt mich die Angst, als könnte es nicht so weitsrgehen, als müßte einmal irgend etwas kommen, das allem ein Ende macht." Er streichelte sie und lachte sie aus. „Was sollte das sein? Wir lieben uns, wir sind gesund, die Kinder sind ge sund; ich denke nicht daran, bankerott zu machen. Menschlich geredet, ist unser Glück so fest verankert wie nur eines auf der Welt. Ich glaube, Schatz, Dir bekommt die Hitze nicht. Ist ja auch 'ne blödsinnige Temperatur. Dreißig Grad Reaumur. Dabei muß ein armes Frauenhirn ja wohl Grillen aushecken." Sie war es gewöhnt, daß er immer einen Trost zur Hand hatte, ihr die Steine aus dem Wege räumte. Aber diesmal verfing sein Scherzen nicht. „An der Hitze liegt's nicht; die vertrag' ich ganz gut. Solche Gedanken hab' ich mir früher auch schon gemacht, so gewissermaßen aus Aberglauben, aber diesmal ist's doch was anderes. In den Zejtungen steht so viel Beunruhigendes, und heute früh, als ich mit Bubi im Vorgarten stand, kam Frau Geheimrat Pinelli vorbei und erzählte, ihr Bruder, der Major, hätte gesagt —" „Ich bedaure nur, daß die Zeitungsschreiber nicht meiner Jurisdiktion unterstehen, ich ließe sie samt und sonders aus- hängen. And Frau Pinelli jst eine anerkannte Jammerbas«, die immer etwas zu unken und zu lamentieren hat. Geh' ihr um Gotteswillen nicht auf den Leim. — Krieg! Warum nicht gar! Ich gebe ja zu, «s wird viel davon gefaselt, aber gib acht, es ist nur das bekannte Jonglieren mit Rasier messern. In ein paar Tagen blasen wieder die Schalmeien allgemeinen Wohlgefallens, und man inszeniert Verbrüderungs- feste." „Meinst Du wirklich?" fragte sie zaghaft. „Aber sicher. Und nun leb' wohl, Schatz. Es ist höchste Zeit für die Sitzung." Er war freilich nicht so zuversichtlich, wie er sich gab, aber es ging ihm wie so vielen Menschen in jenen Tggen, da das Ungeheure anfing, seinen Riesenschatten über die'Höhen der Freude und die Täler der Beschaulichkeit zu werfen. Ihnen , war's, als könne man durch Leugnen und Bestreiten das § Gespenst noch aus der Welt schaffen. Wer hätte auch glauben i mögen, was nur flüchtig zu denken gräßlich war? , Aber zehn Tage später war doch alles Wahrheit ge- ! worden. Die Sommerfrischen und Touristenstratzrn veröde ten, als habe eine Riesenfaust plötzlich in das heitere G«- j wimmei hineingeschlagen. Das eben noch so ferienfrohe Land ! dröhnte vom Gerassel der Geschütz«, vom Marschtritt der Bataillone. Zum erstenmal fest Jahren hatte Erich Rodenbach sich ! »ine Reise in die Alpen gegönnt. .Er war um bitte Zeit zu ! Hause immer schwer abkömmlich, aber in der Glut dieser s Sommers hatte das Verlangen nach Fernsicht und der herben Frische der Schneegipfel alle Bedenklichkeiten besiegt. Tage lang war er mit Eispickel, Rucksack und Botanisierkapsel auf dem Rücken allein herumgestiegen, die begangensten Wege vermeidend, in den abgelegensten Alpenhütten übernachtend. Er war kein Mensch, dem beständiges Bereden äußerer Ein-