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- 179 brüder von jenseits des großen Teiches. „Wir sind Amen- I kaner geworden!" ruft einer aus. „'Die Polizei wird von ihnen^ausgeübt und jeder muß seinen Paß mit seiner Photo graphie haben!" Und das im eigenen Lande, in La Rochelle! „Man spricht davon, daß die Amerikaner den Abschnitt Verdun übernehmen würden; es wäre auch bald Zeit, daß sie uns wirklich helfen würden!" Ein Bries aus Nantes berichtet, daß über die Stadt der Kriegszustand verhängt werden soll. Die Amerikaner üben auch hier die Polizeiaufsicht sehr streng aus; das Seminar wird von ihnen als Lazarett eingerichtet." Wo bleibt das Celbst- bestimmungsrecht der Nationen? Die Japaner scheinen mehr Heiterkeit zu erregen als Zuversicht einzuflößen. Ein Brief aus Marseille erzählt sehr lakonisch von diesen Bundesbrüdern: „Wir waren vorgestern am Hafen und waren zugegen, als die Japaner ausgeladen wurden. Sie sangen recht laut, aber verstanden habe ich nichts. Sie marschierten, als wenn sie.in einem Kohlrüben feld spazieren gingen." — Wie sehr der ungehemmte ll-Bootkrieg selbst dem Franz mann zu schaffen macht, beweist jeder Brief aufs deutlichste. Selbst die Schokolade ist in Frankreich ausgegangen. „Leider kann ich dir keine Schokolade schicken, nirgends ist solche zu haben. Täglich bekommen wir nur noch 300 Gramm Brot, damit kann doch keiner arbeiten." — außerdem beginnt hier schon vieles zu fehlen, und man bekommt den Krieg am ! eigenen Leibe zu,>puren! — Bringe Tabak für Deinen' Großvater mit und für mich; seit Wochen haben wir keinen mehr gesehen, im Geschäft habe ich schon lange keinen mehr." s Ein Brief aus Bourges faßt alles in die wenigen, aber i bezeichnenden Worte zusammen: „. . . mit der Verpflegung sieht es hier faul aus!" Möchten doch Clemenceau und alle Mitverantwortlichen sich recht eingehend in das Studium dieser Briefe vertiefen! Ob sie dann auch noch so entzückt "wären? Uns mag aber Lie niedergeschlagene Stimmung in Frank reich, die sich in den Briefen kundgibt, und für die es Hunderte von Belegen gibt, ein verheißendes Anzeichen sein, daß der Tag der völligen Ernüchterung und der Erkenntnis nicht mehr allzufern ist. llettsmmlWg Ser LsnMirtr Der Landwirtschaft!. Verein Mühlbach hielt am 21. April nachm. 4 Uhr im Saale des Roß in Franken berg eine Sitzung ab, die sehr gut besucht war. Die Tagesord nung kündete zwei Vorträge, einen von Herrn Vorwerksbesitzer Ernst G ru nd ma n n in Dittersbach über unsere Ernährungs wirtschaft und einen von Herrn Protunst Arno Roßberg über die Landwirtschaft vor und im Kriege. Herr Vorwerksbesitzer Grundmann hatte im Laufe des Januar im Auftrage der König!. Amtshauptmannschaft Flhha in Berlin einer Reihe von Vorträgen beigewohnt und hat einen Teil des dort Gehörten in klarer und leichtverständlicher Form verarbeitet zu einem Vortrag über unsere Ernährungswirtschaft, den er im Rahmen des Landwirtschaftlichen Vereins hielt, seinen Berufskollegen damit zusammenfassend eine interessante übersichtliche Darstellung gebend der wichtigsten Kriegsmatz nahmen und Kriegsnotweridigkeiten auf dem Gebiete der Versorgungspolitik. Redner beschäftigte sich zunächst mit der Milch- und Fetterfassung und Verteilung. Er wies darauf hin, wie ausreichend wir vor dem Kriege mit Milch und Fett versehen waren und stellte dem gegenüber, welche geringe Quellen ^ms jetzt noch zur Verfügung stehen und wie schwierig sich jetzt die Milch- und Fettversorgnng stellt. Die fehlende Einfuhr aus dem Auslande, die Knapp heit an Futtermitteln, die zur Deckung des Fleischbedarfs im Vorjahre vorgenommenen Eingriffe in die Milchoieh- bestände'und die starke Abschlachtung der Schweine haben die Milch- und Fettversorgung so genug gestaltet, Latz die Reichsstelle für Speisefette sich vor eine sehr schwierige Auf gabe gestellt sah. Geeignete, Maßnahmen und Glücksumstände haben die Reichsstelle in die Lage gesetzt, einen noch Äniger- maßen erträglichen Ausgleich herbeizuführen. Vor allem ist es gelungen, die Margarinefabrikation erheblich zu steigern und die Güte der Margarine zu verbessern. Die Lage auf dem Gebiete der Fettversorgung läßt sich etwa dahin kenn zeichnen: Es muß das Alleräußerste erfaßt werden, es mutz gespart werden, soweit es möglich ist, aber eine Sorge für eine bedrohliche Entwickelung unserer Fettversorgung sowohl der Armee wie der Zivilbevölkerung besteht keinesfalls. Die Reichsstelle für Speisefetts hat derart gewirtschaftet, daß sie über immerhin erhebliche Reserven verfügt, so daß sie auch in der gegenwärtigen Zeit, in der die Jahresproduktion recht ungünstig ist, die Fettversorgung in der seitherigen Regelung durchführen kann. Aus den weiteren Darlegungen des Herrn Grundmann war zu entnehmen, daß die Fettversorgung in bestmöglicher Art organisiert ist und dank der weitausschaüen- den Vorsorgungspolitik der Reichsstelle auch in den Ueber- gangsmonaten gewährleistet ist. In engem Zusammenhang mit der Fettversorgung steht die Fleisch Versorgung, auf Lie Redner nun zu sprechen kam. Die Verbrauchsregelung für Fleisch hat erst verhältnismäßig spät eingesetzt. Infolge der im Frieden getriebenen deutschen Wirtschaftspolitik konnte die Fleischversorgung in den ersten beiden Kriegsjahren ohne staatliche Einwirkung sich glatt abwickeln. Redner beantwortete die Frage: Was soll mit der im Jahre 1916 entführten Derbrauchsregelung erreicht werden? Erstens eine Sicher stellung des sehr beträchtlichen Heeresbedarfs, zweitens die Verhinderung einer zu starken Abschlachtung der Rindvieh bestände, drittens eine dem Viehstande entsprechende Ver sorgung der Bevölkerung mit Fleisch und eine möglichst gleich mäßige Verteilung. In statistischen Angaben wurde dar gelegt, inwieweit diese Absichten geglückt sind und daß uns jetzt angesichts der Eesamtlage sehr erheblich weniger Fleisch zur Verfügung stehen kann als im Frieden. Trotz der ver hältnismäßig geringen Fleischration stellt die FIrischversorgung noch immer hohe Ansprüche an unsere Rindviehbestände, die jetzt 75—90°/o der verbrauchten Mengen stellen; Ansprüche, die nur schwer zu erfüllen sind und zu einem bedenklichen Rück gang der Viehhaltung führen müssen. Die Schonung der . Rindviehbestände ist eine unablässige Pflicht der Rrichsstsllr und deshalb ist es für die nächste Zeit unmöglich, höhere Mengen als jetzt zu geben. Die Kartoffelversorgung, welche den dritten Teil des Vortrags bildete, ist während des Krieges wirre Bahnen gelaufen. Ursprünglich war beabsichtigt, sie dem freien Handel zu belassen. Dies ließ sich aber nWt durchführen. Ganze Gebiete wären gefährdet worden, hätte das Reich nicht eingegriffen und schließlich nach verschiedenen Maßnahmen die ganze Regelung der Ncichskartoffelstelle über tragen. Der Herr Vortragende schilderte eingehend die Maß nahmen und Obliegenheiten der Jeichskartoffelstelle, welche im Gegensatz zur Reichsgetreidestells keine Einkaufsorganisation ist — die Aufbewahrung der Kartoffeln vermag nur der Landwirt richtig auszujühren —, sondern nur eine Verteilungs stelle. Bei der Ernteerhebung hat sich gegenüber dem Bedarf ein erhebliches Minus ergeben. Die Reichskartoffelstelle fleht aber auf dem Standpunkt, daß die Mengen, deren sie bedarf, ' vorhanden sind und die Kartoffelversorgung bis zur Ernte der. Frühkartoffeln in bisherigem Umfange möglich sein wird. Mehr als 7 Pfund zu geben ist nicht möglich, da der Heeres- ! bedarf zu stark gestiegen ist. Für das kommende Wirtschafts jahr wird ein erhöhter- Kartoffelanbau zufolge der Maß nahmen der Reichsstelle erwartet. Ein vermehrter Kartoffel anbau liegt im dringenden Interesse der Volksernährung. Die Kartoffel ist die einzige Frucht, welche rm Lande in solchem Matze wächst, daß wir in bezug auf sie vom Auslande unabhängig sind. Sie bildet die Grundlage unserer Volks ernährung. Herr Grundmann legte deshalb seinen Berufs kollegen einen vermehrten Kartoffelanbau dringend ans Herz. Er besprach dann.kurz noch die Getreidewirtschaft im Erntejahr 1917/18, schilderte hierbei die Entwicklung der Reichs getreidestelle, welcher im vorigen Jahre auch das Futter- getteide, die Gerste und die Hülsenfrüchte zur Bewirtschaftung zugewiesen wurden. Der Kommunälverband ist der Reichs stelle gegenüber verantwortlich dafür, daß die beschlagnahmten Früchte ordnungsgemätz geerntet werden, und, er ist auch verantwortlich dafür, datz alles von diesen Früchten übge- liefert wird, was dem Landwirt nicht auf Grund von beson deren Bestimmungen ausdrücklich belassen wird. Um vem Kommunalverband die Erfüllung dieser Verpflichtungen Lu erleichtern, sind ihm eine Anzahl von Machtbefugnissen bei gegeben. Herr Grundmann legre noch dar, daß infolge der geringen vorjährigen Ernte es im Interesse der Deckung des Heeresbedarfs vaterländische Pflicht der Landwirte ist, jedes erübrigte Körnchen abzuliefern. Zum Schluß redete der Herr Vortragende einer Beseitigung der Gegensätze zwischen Stadt und Land das Wort. Er wies hin auf die Schwierigkeiten