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,,S« sind so gut zu mir, obwohl ich es nicht verdiene. Ich habe so schnell den Glauben an Sie verloren. Aber nun ist es Aar geworden vor meinen Augen, schrecklich klar. Ich trage nicht allein die Schuld. Ach Götz — man hat mich so gro am betrogen!" „Komtesse!?" „Ja, Götz, ich weih nun alles. Meine — meine Mutter hatte die Dokumente entwendet, die Sie mir damals über geben wollten. Frau Wohlgemut hat sie aufgesunden und —" Er trat wie schützend an ihre Sei,-. „Sie haben sie gelesen?" fragte er leise. „Ja — fa — ich weih nun alles — alles." „Arme kleine Jutta!" Sie umklammerte seinen Arm. „Götz, Sie haben Großpapa versprochen, mich zu schützen. Hellen Sie mich, helfen Sie mir. Ich kann meine Mutter nicht wiedersehen — sie nicht — und auch Sonsfeld nicht." Er zuckte zusammen. „Jutta — verstehe ich Sie recht — Sie wollen Ihre Verlobung lösen?" fragte er atemlos. Sie hielt seinen Arm noch immer fest. „Ja, ja. Nie will ich ign Wiedersehen. Er ist. ein Ehr loser, er hat mich betrogen." Er stöhnte auf. * „Jutta — was hat er Ihnen getan? So schlecht hat er Ihre Liebe gelohnt?" Sie sah ihn erglühend an und beichtete ihm nun aus führlich, was sie in Navenau und ihrem Herzen erlebt — wie sie Götz verkannt, da man ihn ihr verleumdete. Sie schloß: „Ich war damals wie, von Sinnen, weil ich glaubte, Sie liebten eine andere." „Und jetzt, Jutta — nnd jetzt?" „Jetzt weih ich es besser. Götz — ich habe Ihren Brief Gefunden in einem Schreiben von Grohpapa an mich. Hier — ich trage ihn seitdem auf meinem Herzen. Ach, Götz, wie : furchtbar habe ich gelitten für meinen unseligen Trotz." Sie weinte leise vor sich hin. Götz trat von ihr zurück, weil er fühlte, dah er sich ! nicht länger beherrschen konnte. Am liebsten hätte er sie in ' feine Arme genommen und ihr die Tränen von den Augen geküht. Fern von ihr blieb er stehen und sagte mit unterdrückter ! Stimme: „Jutta — wissen Sie, dah Ihr ganzes Verhalten ! mir jetzt ein Recht gibt, zu glauben, dah Sie mich lieben?" i Sie erhob den Kopf. Ihre Hände lagen fest auf den ! Armlehnen des Stuhles. Obwohl dunkle Röte in ihr Antlitz - stieg, hielt sie seinen Blick aus. ' - „Ja, Götz — ich liebe Sie — schon seit ich Sie das erstemal gesehen, und ich war glücklich, als ich zu bemerken ^aubte, dah auch Sie mich gern hätten. Götz, verzeihen Sie mir, stehen Sie mix nicht so fremd gegenüber, soll ich mich noch mehr vor Ihnen demütigen?" Er pretzte die Hände um die Stuhllehne, als wollte er sich einen Halt geben. , „Jutta — auf Ihre Worte gibt es nur eine Antwort, die ich Ihnen nicht geben darf. Deshalb wage ich mich nicht in Ihre Nähe. Noch sind Sie Sonsfelds Braut — Sie tragen noch seinen Ring am Finger." Jutta streifte hastig den Ring ab und legte ihn auf den Tisch. „Hier, nehmen Sie ihn, und helfen Sie mir, meine Freiheit wiederzuerlangen. Es ist kein Unrecht, dah ich von diesen unwürdigen Fesseln frei sein will. Dann lege ich mein Schicksal in Ihre Hände." Er kam langsam näher und setzte sich ihr gegenüber. Mit einer zarten Bewegung zog er ihre Hand an die Lippen. Endlich fragte er verhalten: „Und was soll nun geschehen, Jutta?" „Frei will ich sein — frei. Alles andere überlasse ich Ihnen, Götz. Sie sahen sich lange tief und innig in die Augen. Dabei entging ihnen ganz, dah der Wagen vorfuhr, der Frau von Gerlachhausen aus der Stadt zurückbrachte. Ms diese gleich darauf in das Zimmer trat, blieb sie erschrocken stehen. Doch schod hing Jutta an ihrem Halse. „Tante Anna, liebe Tante Anna — verzeihe mir, sei mir wieder gut." Da bljeb der überraschten, gütigen Frau nichts weiter »brig, als Jutta an sich zu drücken. (Schluh folgt.) As; Sie pariser an idre Mntlolcksten lcdreiben Aus den im Westen jüngst erbeuteten französischen Briefen setzt sich mosaikartig ein anschauliches Bild zusammen, das getreu die Stimmung der Bevölkerung, insonderheit der Pa riser, widerspiegelt. Aus diesen Familienbriefen der Heimat an die Front geht nur allzu klar hervor, wie wenig zuver sichtlich die Kriegsstimmung in Frankreich ist, von der die großen Zeitungen uns tagtäglich nicht Rühmenswertes genug berichten können. Diese nicht für die Oeffentlichkeit bestimmten brieflichen Aeuherungen tragen nicht die amtliche Schminke der Zensur;.sie zeigen nur zu deutlich, wie der Franzose unter dem Krieg leidet und je eher je lieber Frieden haben möchte. Im Mittelpunkt aller Erörterungen stehen natürlich die erfolgreichen Fliegerangriffe auf Paris, die unsere Helden der Luft in gerechter Wiedervergeltung für französische Bomben würfe auf offene deutsche Städte hinter der Front mit Schneid und Unermüdlichkeit ausführen. Ein Kommentar ist überflüssig und die wortgetreue Wiedergabe einzelner Brief stellen mag am besten die wahre Auffassung der kriegerischen Ereignisse erläutern. „Ich konnte Dir Heftern abend nicht schreiben," so lautet ein Brief, „denn denke Dir, die Gothas" (so nennt der Dolksmund unsere Bombengeschwader) „waren wieder da! Von 9,15 bis 1 Uhr nachts waren wir im Keller, die Kinder heulten und hatten Angst. Leider hat es wieder viele Men schen gekostet; am Place de la Republique und in der Nähe des Montmartre." — „Ich glaube, sie haben.sich verschworen, die schönsten Städte zu zerstören. Nancy ereilt dasselbe Schick sal wie Reims. Wenn doch der Krieg endlich einmal zu Ende wäre!" — „In der Nähr des Faubourg Montmartre baut man die Porte St. Denis mit gefüllten -Sandsäcken zu." — „Sie haben überall Bomben abgeworfen und viel Schaden angerichM, besonders in dem Faubourg Montmartre, Rue Geoffroy-Marie, Rue Drouot, Rue Laffitte. Wer Geld hat, bleibt nicht in Paris!" — „In Mitry (Seine) schießen sie auf dis Flieger, aber sie können es nicht verhindern, daß von 60 Fliegern 40 bis nach Paris kommen. Durch diese Fliegerangriffe leidet das Geschäft sehr." — „An der Untergrundstation „Bolivar" gab es 47 Tote und 150 Ver letzte, von denen die Zeitungen nichts berichten. An dieser S'tation sind feine Bomben gefallen, da aber die Station als Unterstand dient, wollte sich die Menge dorthin flüchten. Die Treppe war natürlich für diese Menschenwelle nicht breit genug, und viele versuchten, die Rolltreppe (l'escalier mobile) zu benutzen; diese Treppe hatte man zwecks Reparatur ent fernt. Nun rissen die Leute in ihrer Angst die Schutzbretter ab und stürzten so zwei Stockwerke tief in den Schacht. Di« einen fielen auf die andern. Viele wurden verstümmelt, ändere erstickten. Einige versuchten in ihrer Todesangst, sich einen Weg mit dem Messer zu bahnen. — An der Untergrundbahn- scqtion „Place de la Republique" wurden, 15 Personen vom elektrischen Schlag getroffen. .Man hatte den Strom aus geschaltet, um das Geleise betteten zu können. Irgend jemand hatte den Strom wieder eingeschaltet — wahrscheinlich ein Boche (!) — Unfalls, die das Geleise berührten, wurden vom Schlag getroffen. — In 46 Straßen haben sie Bomben gesät. Im Kriegsministerium hat es vier Tote gegeben." Sehr bemerkenswert.ist ein Brief aus der Provinz, der besonders seines Nachsatzes wegen Beachtung verdient. „Sie haben es auf die Pariser abgesehen. Hoffentlich kommen sie nicht nach Mittelfrankreich; sollte es der Fall sein, würde man sich vielleicht etwas mehr um den Krieg kümmern. — Merkwürdig, je mehr wir Hilfe bekommen, desto stärker wer den die Deutschen!" Einen wetten Raum nehmen auch di« Berichte über die Erplosion in St. Denis ein. „Schrecklich, gestern nachmittag 2 Uhr flog die Muni tionsfabrik in die Luft. Die genaue Zahl der Toten nnd Verwundeten wird man nie erfahren, man schätzt sie in'die Tausend. In ganz Paris sind die Fensterscheiben zersplittert und es fehlt an Elas. Hört denn den Krieg gar nicht mehr auf?" — „Ich sah den Tod vor Augen. Viele waren wie wahnsinnig und durch den Pulverstaub ganz unkenntlich. Das ist wieder Spionage! Ich bin glücklich, daß ich noch lebe. Jetzt bin ich aber wieder ohne. Arbeit, da die Fabriken zerstört sind." Sehr wenig schmeichelhaft ist das Urteil über die Bundes-