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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitag»-- und Sonntags-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeber» M. 4r Sonntag den 21. April 1818 Dm hkimgkWMk Freunde gewidmet Still und bescheiden war dein Leben, Doch deine Seele grotz und reich: Mit nimmermüden, hilfsbereiten Händen Fand dich der Armut Ruf sogleich Dein reger Geist, für alles Schöne offen, Manch' edles Denkmal Hinterlietz; Was selbstlos du für's Wohl der Stadt errungen, Noch stets als heilsam sich erwies. Was du im Stillen.hast gewirtet Als Christ und Mensch mit freud'gem Sinn, Das hat der Himmel wohl gezählet, Trägt in der Ewigkeit Gewinn. Warst einer von den selt'nen Freunden, Die auch im Sturme hielten stand! Mit freiem Mut und freier Rede . Zur lautren Wahrheit dich bekannt! Drum wirst du unvergessen bleiben Nicht nur den Deinen, dis du treu umhegt, Den Freunden auch, die nun erschüttert stehen An deiner Gruft, so tief bewegt! , Cl. Sell-Gräfe. WrMSANtt Roman von H. Courths-Mahler. t9 Nachdruck verboten Jutta hatte Götz nicht wiedergesehen, aber ihre Ge danken lösten sich nicht von ihm. Ihrer Mutter gegenüber mutzte sie sich mehr denn je Zwang antun. Sie konnte Zweifel und Mißtrauen nicht wieder los werden, seit sie den Brief des Grotzvaters gelesen. Da sie aber schon vorher lehr still und zurückhaltend gewesen, fiel es ihrer Mutter nicht, weiter auf, daß sie nun noch verschlossener war. Herbert und Gwendoline machten schon fleißig Pläne für die Hochzeit. Jutta verhielt sich dabei meist stumm. Einmai debattierten sie darüber, ob das junge Paar in Ravenau oder Schönrode wohnen sollte. Das heitere Rokoko- schlößchen sagte ihm mehr zu aks das düstere Ravenau. Aber Jutta hatte seltsamerweise ihre Vorliebe für Schönrode aufgegeben, seit sie nicht mehr mit Götz dort geweilt. Sie wollte nichts davon hören, nach der Hochzeit in Schönrode zu wohnen, und machte ihren Wunsch mit einer sonst ganz ungewohnten Energie geltend, so datz sich Herbert kluger weise fügte. Im Grunde war es ihm gleich, wo er residieren sollte, denn in der Hauptsache gedächte er sich ja doch „fern von Madrid" seines Lebens zu freuen. So viel hatte er schon ermittelt, wenn man Juttas kleine Schrullen respektierte, war gut mit ihr auszukommen. Ein leiser Wink Gwendolines hatte Jutta veranlaßt, Her bert durch ihren Rendanten so diel Geld, als er Günschte, anweisen zu lassen. Gwendoline selbst war durch sie in den Stand gesetzt worden, ihre sämtlichen Schulden zu bezahlen. Jutta bekümmerte sich gar nicht darum, welche Summen die beiden erhoben. l ; i Herbert blieb bis nach Neujahr. Am Neujahrstag machte das Brautpaar mit Frau von Sterneck eine Schlitten fahrt. Unweit der Stells, wo sich Götz und Jutta das erste mal "gesehen, begegnete ihnen «in anderer Schlitten. Götz und seine Mutter waren dis Insassen. Ganz unvorb-'-eitet sah Jutta plötzlich Götz Gerlachhausens Antlitz vor sich. Er fuhr selbst. Jutta lehnte sich erbleichend zurück, und einen Moment traf ihr gequälter Blick mit dem seinen zu sammen. Auch er war blatz geworden, aber er grüßt« ruhig und höflich Ehe sich Jutta von ihrem Schrecken erholt, war dsr ! Schlitten vorüber. Herbert und Gwendoline hatten Jutta verstohlen beobachtet und tauschten einen schnellen Blick als wollten sie sagen: Vorsicht — sie ist noch nicht ^amit fettig. Jutta saß stumm in ihrer Ecke. Sie fröstelte bis ins Herz und grenzenloses Weh schnürte ihr die Prüft zusammen. Götz faßte sich schnell und wandte sich mit einem Lächeln zur Mütter, daß.diese beruhigen sollt«. Sie merkte nur zu gut, was ihm dies Lächeln kostete. " „Wie schmal und blaß ihr Gesichtchen geworden ist," bemerkte sie halblaut. Götz hieb mit der Peitsche durch die Lust, antwortete aber nicht. Da lehnte sie sich seufzend in die Polster zurück. — — — — — — — Jutta atmete auf, als Herbert wieder abgereist war. Sie brauchte nun wenigstens nicht mehr seine zärtlichen Worte und Liebkosungen über sich ergehen zu lassen. An die Hoch zeit mochte sie gar nicht denken. Sie wünscht«, das Trauerjahr . möchte nie ein Ende nehmen und hätte die Tage festhalten mögen. Ihre Seels rieb sich wund an den Fesseln, dir sie drückten und dis sie für unlösbar hielt, denn er hatte selbst gesagt, daß es sein Tod wäre, wenn er sie aufgeben müßte. Seine Liebe band sie wie mit Ketten. — — — Jutta suchte sich von ihren trostlosen Gedanken abzu lenken und ergriff jede Gelegenheit dazu. Jettchen Wohlgemut, die während der ganzen Zeit ihr Komtetzchen mit sorgenden Augen bewachte, hielt im Spuk- turm wieder einmal Scheuerfest. Jutta hatte vorher den Turm noch nicht betreten und ging nun hinüber, um sich in den Zimmern umzusehen. Die Mägde waren gerade mit der Arbeit fertig geworden und trollten sich, als die Komtesse eintrat. Jettchen Wohl gemut schloß eben die Fenster. Jutta setzte sich in einen Lehnstuhl und wandte sich zu der alten Frau. „Diese Zimmer sind eigentlich sehr behaglich und ge mütlich. Ich hatte sie mir viel romantischer und unheim licher vorgestellt, liebe Frau Wohlgemut. Es ist doch schade, datz sie unbenutzt bleiben." „Ja, schade ist es wohl. Aber zum wohnen sind sie nun doch wohl ein Kitzchen gruselig. Das müssen gnädige Komtesse bedenken." „Also ein wenig glauben Sie doch auch an das un heimliche Treiben Katherina Charlottes?" fragte Jutta mit einem blassen Lächeln. Jettchen Wohlgemut wurde unruhig. Schon seit Wochen ging sie mit sich zu Rate, ob es an der Zeit sei, ihrem Kom- tetzchen ihr Geheimnis anzuvertrauen. Götz hatte ihr gesagt, nur wenn sie glücklich würde, sollte sie nichts davon erfahren. Aber glücklich war ihre arme junge Herrin doch ganz sicher nicht. Ihre Augen blickten trauriger denn je und ihr blasses Gesichtchen wurde immer schmaler und leidender. Jetzt war eigentlich eine günstige Gelegenheit, ihre Spuk geschichte zu erzählen. Sie trat zu Jutta heran, räusperte sich und sagte, sich ein Herz fassend, bedeutungsvoll: „Früher glaubte ich nicht daran, gnädige Komtesse, und rm Grunde glaube ich jetzt noch weniger daran, obwohl iL selbst mit meinen eigenen Augen einen Spukgeist gesehen habe." „Aber Frau Wohlgemut," rief Jutta ungläubig, „das ist doch wohl nur ein Scherz." „Wir sollte ich mir einen solchen Scherz erlauben!