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Rauchwölkchen nach. Sein Ton schien sie nicht zu verletzen. „Gewiß," sagte sie, „gar viel! Und ich habe mich bisher auch nie fruchtloser Reue hingegeben, aber wenn ich jetzt so rein und schuldlos vor meiner Tochter stehen könnte, wie ich es ihr glaubhaft machte — kein Preis wäre mir zu hoch. Doch genug davon! Nicht umsonst will ich gegen die Macht eines Toten gerungen haben. Hier stehe ich — hier bleibe ick — fort mit nutzlosen Sentimentalitäten!" „Bravo, chere tante, in dem Sinne will ich ein paar Flaschen Pomery kaltstellen lassen. Wir trinken vorläufig ohne die kleine Braut auf unsere Verlobung." Er klingelte und gab den bezüglichen Befehl, der prompt ausgeführt wurde. Erst am nächsten Morgen kam Jutta wieder aus ihren Zimmern. Beim Ankleiden hatte ihr bereits die neue Zofe geholfen, da Johanna schon abgereist war. Jutta erschien sehr bleich am Frühstückstisch, aber sie schien ruhig und gefaßt. Ihre Mutter und ihr Verlobter umgaben sie mit zarter Aufmerksamkeit. Ta zwischen ihr und der Mutter Jahre überbrückt wer den mutzten, fehlte es nicht an Gesprächsstoff. Mit heim lichem Schmerz.empfand Jutta, dah ihr dis Mutter fremder erschien, als zur Zeit, da sie noch nicht wußte, wie innig sie zusammengehörten. Lag es an ihrer allgemeinen Seelenstim mung, daß ihr Herz nicht so warm für dis Mutter zu schlagen vermochte? Es quälte sie ungemein, datz sie sich zu zärtlichen Worten zwingen mutzte. Wenn ihre Mutter sie mit Liebkosungen überschüttete und ihrer Freude über das endliche Wiederfinden Ausdruck gab, war ihr zumute, als fände das alles keinen Widerhall in ihrem Herzen. Sie zwang sich in eine freudige «timmung hinein und fühlte doch, datz sie zum erstenmal vor sich selbst und anderen Komödie spielte. Noch mehr hatte sie diese Empfindung ihrem Verlobten gegenüber. Als er einmal leicht den Arm auf der Stuhllehne um sie legte, glaubte sie vor Schrecken zu erstarren. „Was hab' ich getan — mein Gott — was hab' ich in sinnlosem Trotz getan," dachte sie zum Verzweifeln sckmerzerfüllt. Herbert sah ihr an, datz sie über seine Ver traulichkeit entsetzt war: Schnell zog er seinen Arm zurück und plauderte unbefangen. Während sie sich bemühte, darauf einzugehen, irrten ihrs Gedanken immer wieder ab. „Nun kann Götz Eerlachhausen nicht mehr annchmen, datz ich ihn geliebt habe, selbst wenn ich mich irgendwie ver raten hätte. Jetzt, da ich mich mit einem andern verlobte, wird er glauben, datz er mir gleichgültig war," meinte sie bei sich und wollte sich einreden, datz sie bei diesen Gedanken Befriedigung empfinde. Es war ein vergebliches Bemühen. Qualvoll verging ihr der Morgen. Sie sehnte sich nach der Einsamkeit ihres Zimmers und mutzte doch die Gesellschaft der beiden Menschen ertragen, die ihr nun die Liebsten auf der Welt sein sollten. Das Wetter war trübe und unfreundlich; die Stimmung grau und drohte sich in einen Landregen aufzulösen. Fortsetzung folgt. kMauvIiebe; Stück ilnverlcbSmtbeit Am 12. März gingen die Wochen der Empörung im englischen Unterhaus wieder einmal sehr hoch. Ter chro nische Sturm, der durch die Gemüter der englischen Par lamentsmitglieder schon seit Wochen und Monaten braust, hat seine einfache Erklärung in den sorgenvollen Ausblicken zu denen die Unterseebootsfrage nötigt, andererseits in der großen Enttäuschung über die Neubauten von Schiffen und anderen Regierungsmatznahmen. So hatte in dieser Sitzung am 12. März Sir Walter Runciman und der Abgeordnete Roch bittere Kritik an den Leistungen der Regierung auf dem Schiffsbaugebiete geübt, wobei letztere anführte, datz von den in 15 Monaten bestellten 345 Einheitsschiffen nur 17 abgeliefert seien. Die optimistischen Erwiderungen des llnterstaatssekretärs Dr. Mac Namara trugen nicht dazu . bei, das Haus zu beruhigen. Sie brachten jedoch das „Journal of Commerce" derart in Harnisch, datz dieses Blatt in.feiner Ausgabe vom 14. März hie Aeutzerungen Dr. Mac Namaras als „ein erstaunliches Stück Unverschämtheit" charakte risiert, das je' nach dem Temperament der Abgeordneten Aeilger, Heiterkeit oder Verzweiflung hervorgerufen habe. Wie ernst die Lage der englischen Schiffahrt ist, dW> geht deutlich aus einer Reihe von englischen Zeitungen her vor. So druckt „Weekly Dispatch" am 10. März an die Spitze des Blattes folgende Ueberschrift: „Schiffe, Schiffe, Schiffe, Schiffe, Schiffe." Dann folgt in fetten Lettern der Satz: „Wir dürfen nicht wieder zu 'spät kommen." „Der Ernst der Tatsache in der Frachtraumfrage." „Aenderungen jetzt unbedingt erforderlich." In seinen Ausführungen weist. dieses Blatt auf die wachsende Besorgnis über die Lage des Schiffsbaues und die steigende Gefahr hin, in die England durch das Zurück bleiben des Schiffbaues gesetzt werde. Man nähere sich rapide einem Punkte, bei dem, wenn nicht eine sofortige große Verbesserung in der Erzeugung von Schiffsraum ein träte, die kriegerischen Anstrengungen der Verbündeten in ernster vielleicht in entscheidender Weise geschwächt würden. Auch der „Daily Telegraph" vom 15. März stößt be sorgte Warnungsrufe aus und dringt auf radikale Verände rungen in Organisation, Methode und Gemütsverfassung, wenn die Unternehmer und «Arbeiter im Schiffbau England retten sollten. Hierzu müßten 80 000 weitere Arbeiter ge stellt werden, von denen Lloyd Curzon vor einem Jahr ge- sprocken hätte. Diese Leute und reichliche Materialien müßten beschafft werden, wenn England nicht ein Unglück erleben wolle. Als weitere Furcht dieser angsterfüllten Stimmung in England sind Mitte März verschiedene Besprechungen abge- halten, um die Lage im Schiffbau zu beraten und ^sine Be schleunigung des Neubaues herbeizuführen. Nach dem „Journal of Commerce" vom 15. 3. hat in einer dieser Sitzungen Sir Eric Geddes, Lord Pirrie, sowie ckiele Ver treter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer "im Schiffbau gewerbe teilgenommen. Es handelte sich um Maßnahmen zur Beschleunigung der Neubauten, da die Deutschen immer noch dreimal soviel Schiffe versenken als neu gebaut werden ^könnten. Man sieht aus all diesen ohnmächtigen Anstrengungen unserer Feinde, wie außerordentlich schwierig die Lage in England geworden ist, die unsere U-Boote geschaffen haben, und wieviel schwerer unser erbittertster Feind die U-Boots- verluste jetzt empfindet. Da eine wesentliche Steigerung der englischen Schiffbautätigkeit ausgeschlossen ist, dahingegen die Erfolge unserer Unterseeboote .sich voraussichtlich min destens auf gleicher Höhr halten werden, so ist es nicht schwer abzusehen, wer in diesem Wettlauf zwischen Neubauten und Versenkungen den Sieg davontragen wird. Mögen unsere englischen Feinde auch zu noch so verzweifelten Mitteln greifen, sie werden das Endergebnis des ll-Bootkrieges nicht aufhalten können. SrokruMlcbe SaMlen Von der großrussischen Front wird uns geschrieben: In langen Zügen marschieren dir gefangenen Bandenkömpfer an uns vorüber. Eine bunt zusammengewürfelte Masse. Der erste Blick lehrt, daß es sich um Soldaten handelt, die seit langer Zeit der Disziplin entwöhnt sind. Neben uns stehen russische Leut« und auch reguläre russische Soldaten. Sie schrien aus und schleudern den Vorübergehenden verachtende Worte entgegen: Räuber — "Banditen! — Mit Abscheu wenden sie sich. Nur keine Gemeinschaft mit diesen da. Die Worte fliegen hin und her. Man sieht, auch in Rußland gibt es noch ehrsame, ehrliche und brave Leute. Hält ein mal eine solche Kolonne, dann hört man Dinge, bei denen sich die Haare sträuben möchten. Es ist viel über die schreck lichen Vorgänge im ehemaligen Zarenreiche geschrieben worden, was man aber jetzt von dem Treiben der Roten Garde hört, von den Banden der Maximalisten, das bestätigt nicht nur die Meldungen der Zeitungen, saadern stellt sogar diese Schreckensberichte in ein besseres Licht. Es stand und steht jedenfalls viel schlimmer um Rußland, als man annimmt. Es gibt einige unter den Gesellen, die sich selbst ihrer Taten rühmen, und sic müssen, nach dem, was sie selbst erzählen, wüst gehaust, geinordet und geplündert haben. Kein besser- geklcideter Bürger, einerlei ob Mann oder Frau, durfte es wagen über die Straße zu gehen. Sofort stürzten sich die Banden auf sie, rissen ihnen Schmuckstücke fort, entklei-