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Frankenberger ErMler U«terhaltu»gsb«ilagr ,«« Frank«,b«ger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags- und SonntagS-Nummer ohne Preiserhöhung des HauptblatteS beigegeb«. M. 44 . Mttwoiü den 24. April 1S18 Von gewissem Weh, vgp gewisse« Wunden Können wir nimmermehr ganz gesunden. Nach gewisser Tage seligem Schein Können wir nie mehr ganz elend fein. Frieda Schanz. ' HLMUIOM Roman von H. Lourths-Mahler. 20 — Nachdruck verboten Gwendoline war nach ihrer eigenen Meinung in Ra- venau ganz stumpfsinnig geworden. Der Verkehr mit Jutta, die unentwegt tugendhafte Pose strengte sie ungemein an. ! Sie freute sich, in Herberts Gesellschaft sich gehen lassen zu können. „Du hast es gut, Herbert, kannst Dich nach Herzenslust in Berlin amüsieren und brauchst Dich nicht immer im Zügel zu hatten. Es ist wirklich schauderhaft langweilig in Ra- venau," sagte sie. „Das glaube ich Dir gern. Dieses klösterliche Leben ist nichts für Dich. Ich begreife nicht, daß Jutta es aushält. Sie ist doch eigentlich nicht dazu gezwungen. Es tut mir leid für Dich, daß Du sie nicht zu einer kleinen Erholungstour nach Berlin bestimmen konntest. Aber es ist auch unbedingt nötig, daß Du bis zu unserer Hochzeit hier bleibst. Jutta darf nicht allein gelassen werden." „Sie darf nicht ohne Aufsicht bleiben, meinst Du?" „Co.ist es." „Ich weist es. Sei unbesorgt, ich halte aus.' .Aber manch mal ist es mir, als erdrückten mich die Mauern in Rav/nau. Nach Eurer Hochzett will ich nach Schönrode übersiedeln, da ihr doch mcht dort wohnen werdet, und dort werde ich mir mein Leben ganz anders einrichten, das versichere ich Dir. Ich will auch etwas für meine Mühe haben." Er lachte. „Dieser Versicherung bedarf es nicht. Du hast recht. Was nützen Glanz und Reichtum, wenn man nichts davon zu gebrauchen versteht?" „Du kannst mich dieser Tage einige Male nach Schön rode begleiten. Es sind da verschiedene Kleinigkeiten not wendig, dis Du mir in Berlin besorgen mutzt. Schönrode soll bis zu Euerer Hochzeit zu meiner Aufnahme vollständig bereit sein. Jutta hat mir bereits Vollmacht erteilt, anzu schaffen, was ich wünsche." „Sie ist entschieden eine Sicherst noble Natur. Hat sie sich darüber geäutzert, dah ich zuviel verbrauche?" „Nein, den Geldpunkt berührt sie nie; darin erscheint sie ganz als graste Dame, während sie in bezug auf sich die An- Ipruchslosigkett selbst ist." „Das wird sich schon ändern, wenn sie sich erst drautzen in' der Wett befindet. Warte nur, dieses stille Burgfräulein wird eines Tages von Lebenslust überschäumen. Latz mich nur erst mit ihr verheiratet sein. Sie soll das schöne Leben kennen lernen." „Mit einem Lebenskünstler wie Du wird das nicht schwer halten. Darauf hoffe ich. Hier in dem toten Ravenau grübelt sie zu viel. Sie ist eine ungemein gründliche, ge wissenhafte Natur. Kein Zug in ihrem Wesen mir verwandt, und das sonnig heitere Temperament ihres Vaters scheint sie auch nicht geerbt zu haben/' Abwarten! Ich will sie schon ausmunbern." hoffentlich gelingt Dir das," Wieder war Jutta ausgeritten, und Herbert und Gwen dolins fuhren nach Schönrode. Jettchen Wohlgemut räumte wieder einmal gründlich in Frau von Sternscks Zimmern auf. Jedes Möbel wucdc ! daraufhin untersucht, ob es wohl die geheimnisvollen.Doku- i mente bergen könne.' Auch der Wandschrank wurde "mit kriti- schen Blicken von ihr bettachtet. Er schien ihr immer am i geeignetsten als Versteck für derartig wichtige Sachen, denn all diese Wandschränke im Schloß hatten komplizierte Ver- ! schlüsse, Auch ließ Gwendoline sonst alle Schlüssel stecken - — nur der des Wandschrankes fehlte stets. Die alte Frau i warf zornige Blicks auf den unschuldigen Schrank und schlug ' grimmig mit der Faust an seine Tür. Ihr armes Komteßchen i wurde immer bettübter, und Jettchen hatte es sich in den Kopf gefegt, ihr sei mir zu helfen, wenn die Dokumente herbei- geschasft wurden. Mit aller Wucht warf sie eine schwere Leiter gegen Vie Schranktür. In demselben Äugenblick krachte es in der Ga lerie, als wenn ein schwerer Gegenstand zu Boden fiele. Erschrocken eilte Jettchtn hinaus. Da lag wieder das Bild Katharina Charlottes auf dem Boden, und in der , Mauer klaffte ein tiefer Ritz, aus dem sonderbarerweise eine Hslzplanke herausragte. Die Wand, an der das Bild hing, gehörte zu Gwendo linens Zimmer, und an ihr befand sich der Wandschrank, dem soeben Jettchens energische Behandlung gegolten hatte. Die herausragende Holzplanke, bildete einen Teil der hölzernen Rückwand des WandschraAkes. Sie hatte sich im 'Laufe der Zeit gesenkt. Dadurch war das Mauerwerk dicht über oem Schrank in Mitleidenschaft gezogen worden. Schon als das - Bild das erstemal herabgefallen, hatte sich durch diesen Llm- stand der Haken gelockert, an dem das Bild gehangen. Man schlug den neuen Haken daneben ein und hing das schwere Bild daran, ohne zu wissen, datz sich dicht darunter der Wand schrank befinde. Der geringe Halt war durch Jettchens Han tierung vollends erschüttert worden, der Haken löste sich, und das Bild stürzte herunter, diesmal die gefährdete Planke mit sich reißend. Die alte Frau sah vorläufig nur das Bild, , die Planke und den auffliegenden Staub. Gerade wollte sie den Schaden näher besichtigen, als hinter ihr Jutta im Rettklejd die Treppe heraufkam. Sie war eben von ihrem Ritt zurückgekehrt. „Was ist hier geschehen?" fragte sie verwundert. Frau Wohlgemut gab den nötigen Bescheid und liest darin nur ihren wilden Zornesausbruch fehlen. Die beiden Frauen traten heran uikd schauten in die entstandene Oeffnung. Mit einem leisen Schrei fuhren sie zurück. Ein weißes Gesicht starrte ihnen entgegen. Jettchen aber faßte sofort resolut zu und förderte eine Eazelarve zutage. Schweigend senkten die beiden Frauen die Blicke ineinander. Jutta war fast jo blaß wie die Larve in Jettchens Händen. Diese legte endlich die Larve wieder an ihren Platz. Dabei schob sich das schwarze Gewand und die kleine elektrische Laterne, die dicht danken stand, etwas»beiseite, und plötzlich erblickte sie ein gelbliches Kuvert darunter. Solche Kuverte pflegt« Gras Navenau zu benutzen. Jettchen durchzuckte es wie ein« Offenbar, gr Das sind die Dokumente! Hätte ihr Leben davon abgelegen, sie wäre nicht von der Stelle gegangen, ohne sich davon zu überzeugen. Schnell hob sie das Gewand vollends fort und zog das Kuvert hervor. Mit zitternden Händen hielt sie es Jutta vor die Augen. Diese las mechanisch und noch immer fassungslos die Aufschrift: „Meiner Enkelin Ulrike Sophie Jutta, Gräfin von Ra- venau." „Die Dokumente, gnädigste Komtesse — sind das cie Dokumente, die verschwunden waren?" fragte Jettchen Wohl gemut leise. Jutta riß sich gewaltsam aus ihrer Erstarrung. Sie nahm hastig das Kuvert an sich.