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Frankenberger Erzähler UnterhaLttrngsb^lage M« Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mitwochs-, Freitags- und Sonntags-Nummer ohne Preiserhöhung des HauptblatteS beigegeben. M. L6 MtttwoL, den 6. Marz 1918 * Um Kvenü Abend mit schwingenden Schatten, Wiege die Schmerzen ein. Schenke ein süßes Ermatten Allen, die Tränen hatten, Latz sie Schlummernde sein. Abend mit schwebendem Schweigen, Lächle auch mich.in Nutz. Mittags verklungene Geigen Lockten so weh und eigen Abend, Herle mich du! Abend mit schattenden Schwingen, Hülle mich zärtlich ein. Allen, die kämpfen und ringen,^' Kannst du Erlösung bringen — — Träumende latz uns sein. E. o. Watzdorf-Bachoff. - HVMSMLA. Roman von H. Tourths-Mahler. > 2 Nnrvdruck verboten Götz Eerkachhausen war eben von einem Ritt durch die Felder heimgekehrt. Schnell hatte er sich vom Staub ge säubert und trat in das altväterlich eingerichtete Speisezimmer. Nachdem er sein« Mutter herzlich begrüßt hatte, tat er dem schmackhaft zubereiteten Mahle alle Ehre an. Frau von Eerlachhausen, eine rüstige, stattliche Fünf zigerin, legte ihrem Einzigen immer wieder vor und.freute sich an seinem gesunden Appetit. „Nichts Neues, Mama?" fragte ihr Sohn während des Essens. „War Besuch da?" „Nein. Aber eine Ueberraschung habe ich für Dich! Höre und staune. Graf Ravenau hat eine Botschaft für Dich gesandt. Der Bote wartet auf Antwort." „Graf Ravenau? An mich?" Seine Mutter gab ihm den abgegebenen Brief. Götz erbrach ihn rasch „Warum hast Du mir den Brief nicht gleich gegeben, ,Mama?" „So eilig wird es ja nicht sein, daß Du Derne Mahlzeit aufschieben mutztest. Hat er doch jahrelang nicht nach uns gefragt." Sie war etwas erzürnt über Graf Rudolf. Hatte er doch nachdem ihr Mann dis zu seinem Tode ihm treu zur Seite gestanden, ihren Sohn bei seinem Besuche unartig abgewiesen. Trotzdem sah sie nun mit einiger Spannung in ihres Sohnes Gesicht. „Nun? Was schreibt der Einsiedler von Ravenau?" Götz sah auf. „Er bittet um meinen Besuch und zwar herzlich und dringend." Cie machte ein ungläubiges Gesicht. „Willst Du mich necken?" „Da lies selbst." Frau von Gerlachhausen las und schüttelte den Kopf. „Das ist allerdings sehr überraschend. Aber gleichviel — natürlich mutzt Du der Aufforderung Folge leisten und zwar gleich-" Götz lacht«. „So eilig?" „Gewitz, mein Sohn, daß er Dich so dringend bittet, be weist, ^aß er Dich braucht." Er fatzte ,hre Hand und kützte sie. „Meine gütige, sch ellverlöhnte Mutter! Es genügt Dir, daß man Deine HAfe braucht um Dich sofort zu besänftigen. Nun gut. — Damit Du Dich zufriedebgibst, will ich dem Boten den Bescheid geben, datz ich noch heute nachmittag nach Ravenau komme. Ist es so recht?" Sie nickte lächelnd, und er ging, um den Boten abzu- sertigen. Graf Ravenau hatte Befehl gegeben, Herrn von Eerlach hausen in sein Arbeitszimmer zu führen. Dort satz der alte Herr mit zusammengepretztem Munde und sinnenden Augen und wartete auf den angekündigten Besucher. Im Geiste suchte er sich seine Enkelin vorzustellen. Wenn er nur wüßte, ob sie ihrer Mutter ähnlich sei, ob sie nament lich die unheilvoll«., schwarzen Augen demselben besitze! Er erhob sich plötzlich und verließ das Zimmer. Schneller als sonst durchschritt er die von langen Galerien durchschnittene große Halle. Hier hatte Jutta mit ihrem Dackel gespielt, wenn schlechtes Wetter herrscht« und sie nicht im Park herum tollen konnte. Er warf einen Blick auf diese breiten, Gänge, als er die Treppe emporstieg. Auch in der ersten Etage befand sich ein« solche Galerie — die doppelt so lang war, da sie nicht durch die Halle unter brochen wurde. In dieser Galerie hingen die Porträts seiner Vorfahren. Sie führte vom östlichen Turm bis zum westlichen, dem Gespensterturm. Die Tür, die von hier in diesen führte, ! sollte sich — so behauptet« das Schloßgesinde — zuweilen um Mitternacht geheimnisvoll öffnen, obwohl Jettchen Wohl gemut den Schlüssel dazu verwahrte. Dann erschien auf der > Schwelle eine schwarzgekleidete Frauengestalt mit weißem, i totenähnlichem Gesicht und Blutflecken an den schlanken, weißen ' Händen. Sie glitt — meistens in Vollmondnächten — die . Ahnengalerie entlang, die Treppe hinab durch die groß« Halle ' in den Schloßhof, woran das geschlossene Portal sie nicht verhinderte. Im Schloßhof schwebt sie bis zum Drachen brunnen, dessen Wasserstrahl sie über die blutbefleckten Hände fließen ließ. Dann haschte sie hinüber zur Schloßkapelle und rüttelte an der Tür, die indes widerstand. Verzweifelt rang sie die Hände, bis sie zum Schluß der Geisterstunde auf demselben Wege zum Eespensterturm zurückkehren mußte, in dem sie verschwand. Der «ine oder andere von den Bediensteten wollte der Gestalt begegnet sein. Aber alle behaupteten; zuweilen aus dem Gespensterturm Stöhnen und Wimmern gehört zu haben, das so grausig klang, als befände sich ein Mensch in höchster Todesnot. Es half nichts, daß Jettchen Wohlgemut energisch gegen solchen „Unsinn" zu Felde zog; hinter ihrem Rücken erzählten sich die Leut« immer wieder die gruseligen Geschichten, und wenn Frau Wohlgemut „Großreinemachen" im Eespenster turm ansetzte, gab es jedesmal erst Jammern und Wehklagen, ehe die Mägde ihr mit Besen und Scheuertüchern in das an gebliche Gespensterreich folgten. Graf Ravenau wußte um diese Spukgeschichten, ohne mehr als ein Achselzusten dafür zu haben. Wie sie entstanden, wußte niemand. Später durchforschte er einmal die älten Chroniken seines Geschlechtes nach einem Anhalt für das Ent- stehen des Gerüchts und entdeckte folgendes: Ein Graf Roderich Rar mau war in dem Eespenster turm eines Tages ermordet aufgesunden, anno 1680. In seiner Brust steckte ein f-'ner zierlicher Dolch, der seiner Gattin, der Gräfin Katherina Charlotte, gehörte. Diese — Tine ge borene Prinzessin Twiel — wurde des Gattenmordes beschul digt, Ke man aber geg^n sie vorgehen konnte, hatte sie sich