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- ir Dan- nicht zu alt und nicht zu jung, heiter, gewandt und zuverlässig! Wir wollen nach einer solchen Dame d'honneur baldigst Umschau halten." „Darf ich Ihnen ein hierauf bezügliches Inserat besorgen, Komtesse Jutta?" fragte Götz höflich. „Wenn ich Sie damit behelligen darf?" Er sah sie vorwmfsvol! an. „Haben Sie denn je den Eindruck gehabt, es könnte mich etwas „behelligen", was Ihrem Wohle diente?" Sic reichte ihm schnell die Hand. „Seien Sie nicht böse, Sie lieber Freund! Haben Sic in, Hinblick auf die jüngst vergangene Zeit «in wenig Ge duld mit mir." Er preßte ihre Hand an seine Lippen. „Mir ist, als läge seit den letzten Tagen etwas Fremdes zwischen uns, Komtesse Jutta. Ich fürchtete fast, Ihre Freund schaft verscherzt zu haben, wußte aber nicht, wodurch." Sic schüttelte errötend den Kopf. „Ich kann mir nicht denken, 'daß irgend etwas Ihnen meine Freundschaft zu entziehen vermöchte. Sind Sie nicht in all der Zeit hilfreich wie ein Bruder gewesen? War ich an ders als sonst zu Ihnen, so bedenken Sie doch, was alles auf mich einstürmte. Großvaters Tod, die vielen Menschen in. Ravenau und meine neue verantwortungsvoll« Stellung, der gegenüber ich ziemlich ratlos bin! Was soslte ich ohne Ihre Freundschaft, ohne Tante Annas, Güte und Liebe anfangen?" Mit dieser Erklärung mußte er sich zufrieden geben. Daß sie sein Verhältnis zu ihr als ein brüderliches, freundschaft- lickes betonte, schien ihm zart andeuten zu sollen, er möge di« Hoffnung aus eine innigere Verbindung schwinden lassen. Als er später mit seiner Mutier allein war, sah er sehr niedergeschlagen aus. Die Mutter betrachtete ihn eine Weile prüfend. Endlich berührte sie seinen Arm. „Warum bist Du so verstimmt, Götz?" Er antwortete ausweichend. Sie fuhr über sein kurz geschnittenes Haas und sagte: „Nicht war, nun sitzt es doch tiefer, als Du dachtest? Jutta bat die alte Liebe siegreich aus dem Felde geschlagen, wie?" Er nickte. „Was nützt es mir aber, Mama? Hast ja selbst gehört, wie sie unser Verhältnis auffaßt, brüderlich — freundschaftlich. L«ider habe ich ganz andere Wünsche." Sie lacht« leise. ,^O, Ihr Herren der Schöpfung, was seid Ihr für an spruchsvolle Leute! Solange ihr selbst lau empfindet, sollen Euch die Frauen um Himmels willen nicht mit stürmischen Ge fühlen listig fallen. Habt Ihr aber einmal Ieuer gefangen, dann soll die Frau, die Ihr liebt, auch sofort lichterloh dreimen." „Du keimst meine Hcrzensnot und lachst!" „Ja, Du lieber törichter Junge, und da ich lachen kann, darfst Du getrost glauben, daß ich Deine Schmerzen für rinzebi.vete halte. Glaube nur dem klaren Blick Deiner Mutter. Jutta liebt Dich. Gerade ihr zurückhaltendes Wesen beweist mir, daß sie sich in der letzten Zeit ihrer Liebe bewußt geworden ist. Nun verschanzt sie sich in ihrer mäd chenhaften Sprödigkeit hinter diese „Brüderlichkeit", damit nur ja niemand merkt, wie ihr ums Herz ist." Er umarmte die Mutter ungestüm. „Glaubst Du das wirklich, Mama?" „Ja dock, Götz. Ravenau ist leider zur Unzeit ge storben. Wirst nun fein geduldig noch eine Weil« warten müssen, bis Du ihr sagen kannst, wie lieb Du sie hast, die süße kleine Jutta. Aber sei- unbesorgt! Laß sie nur ein wenig mädchenhafte Komödie spielen und lerne, dahinter ihr wahres Gefühl zu entdecken. Und noch eins, Götz. Wir müssen so schnell wie möglich eine Dams finden, die Jutta zur Seite steht. Wer weiß, ob ihre Mutter hier nicht eines Tages auf taucht, wenn sie erst erfährt, daß Graf Ravenau tot ist. Da wird es für alle Fälle gut sein, sie unter sicherem Schutze zu wissen." „Daran habe ich auch schon gedacht und vorläufig Frau Wohlgemut beauftragt, mir alles Ungewöhnliche sofort mel den zu lassen." „Das ist gut, auf die alte treue Seele kann man sich verlassen." Jutta saß allein in ihrem Salon. Sie hielt ein Buch, Las sie sich aus der reichhaltigen Schloßbibliothek geholt, in den Händen. Aber ihr träumerischer Blick schweifte oarüber hinaus ins Weite. Ihre Gedanken weilten in Gerlachhausen, wie fast immer, — als wenn dort ihr« eigentlich« Heimat wäre. In der stillen Zeit nach Großvaters Tode fand sie viel Muße zum Sinnen und Grübeln. Zuweilen wanderten ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit. Manches in dem Wesen des Großvaters war ihr unverständlich geblieben. Wenn sie darüber nachdachte, ertönte immer wieder die Frage in ihrer S««le: Was hatte der Großvater gegen ihre Mutter? Etwas Gcheiinnisvolles mußte geschehen sein. Sie hatte Götz versprochen, nicht mehr über diese Dinge zu grübeln, und sie wollt« das Versprechen halten. Daher flüchtete ihre Seele von den dunklen, quälenden Bildern zu ihm, dem treuesten, uneigennützigsten Freund«, den sie liebte mit der innigen Glut ihres reinen Herzens. Johanna trat ein und bracht« ihrer jungen Herrin rin Glas Limonade, das diese verlangt hatte. Als sic es vor Jutta hingestellt, blieb sie zögernd stehen. Jutta blickte auf. „Wünschen Sie etwas, Johanna?" Die Zofe ließ di« Sticker«: an ihrer Schürze verlegen durch die Finger gleiten. „Gnädigste Komtess verzeihen! Ich hätte etwas auf dem Herzen — wenn mir gnädigste Komtesse gütigst ge statten wollten —" „Sprechen Sie, Johanna." „Ich habe gehört, daß gnädige Komtesse eine Dame zut. Gesellschaft und Repräsentation engagieren wollen. Gnä dige Komtesse sind immer so gütig zu mir, und da wollte ich nur sagen, daß ich eine Dame wüßte, die sehr gut dazu passen würde." Jutta horchte auf. , „Reden Sie ohne Scheu, Johanna. Was Sie sagen, interessiert mich sehr. Ich suche allerdings eine Gesellschafts dame. Von wem sprechen Sie?" „Von Frau von Sterneck, meiner früheren Herrin." „Wie? Hat Frau, von Sterneck die Absicht, eine solche Stellung anzunehmen?" „Jedenfalls weiß ich, daß ihre Vcrmögcnsverhältnisse sie dazu nötigen. Sie hat olles verloren und wäre in der bedrängtesten Lage, wenn ihr Neffe, der sie zärtlich liebt, seine schmale Rente nicht mit ihr teilte. Aber für die Dauer geht das nicht an, und Frau von Sterneck sucht schon eine ganze Weile nach einer passenden Stellung. Bis jetzt hat sie noch nichts gefunden, und als ich nun hörte, daß gnädige Komtesse eine solch: Dame suchen, da dachte ich an mein« frühere Herrin. Sie wäre gewiß sehr geeignet für einen solchen Posten, denn sic ist eine sehr kluge und feine Dame. Da hab' ich mir nun gedacht, ich könnte vielleicht gnädiger Komtesse und Frau von Sterneck zugleich helfen." „Das ist ja ein prächtiger Zufall, Johanna," rief Jutta lebhaft. „Sie sind wirklich ein gutes und kluges Mädchen. Das läßt sich erwägen. Wie alt ist Frau von Sterneck?" „Ich denke vierzig bis fünfundvierzig Jahre, genau kann ich cs nicht sagen." „Und sie ist Witwe?" „Ja, Herr von Sterncck lebte schon nicht mehr, als ! ich zu ihr kam." „Hat sie Kinder?" „Nein, imr einen früh verwaisten Neffen, den sie an Kin des Statt zu sich nahm. Er ist der Sohn einer Schwester des Herrn von Sterneck und wird wohl schon oder bald dreißig Jahre alt sein. Er studiert in Berlin. Ich glaube, sonst hat sie keine Verwandten." „Also ist sic im Grunde ganz frei und unabhängig?" „Gewiß." „Sie würde somit wohl schnell hierher kommen können? Ich muß sie sehr bald erwarten dürfen." „Ich glaube, Frau von Sterncck könnte sofort eintreffen." Jutta sah nachdenklich vor sich hin. Nach einer Weile fragte sie weiter: »Äst Mau von Sterncck «ine sympathische Erscheinung?"' „Ja, sie ist noch immer eine stattliche Dame." „Blond oder brünett?" „Cie hat schwarzes Haar und dunkle Augen und sehr weißen, zarten Teint mit nur wenig Fallen im Gesicht." Jutta richtet« sich entschlossen auf. „Gut, geben Sie mir die Adresse der Dame. — Ich werde an sie schreiben. Ihre Treue und Anhänglichkeit spricht zu ihren Gunsten." Johanna knirte. Jutta lächelt« freundlich. „Tun Sie doch gerade, als hätte ich Ihnen etwas Gutes erwiesen. Aber warten Sie, Johanna — Ihre seltene Treue verdient wirklich «ine Anerkennung."