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Iretrag, -en 22. März 1918 Trauergästs ihre Pflichten der Wirtin zu erfüllen. Wie erlöst atmete sie auf, als alle wieder abgereist waren. Frau von Eerlachhausen wollte Jutta nun mit nach Eerlachhausen nehmen,'aber sie dankte. Wohl gewährte es'ihr großen Trost, diese beiden treuen Freunde' zu besitzen, aber ihrem Verhältnis zu Götz war durch di. letzten Worte des Großvaters das Unbefangene genommen worden. Sie hatte ihn nur zu gut verstanden und wußte, daß er mit dem Wunsche entschlafen, sie und Götz für das Leben zu vereinen. Der schnell eingetretenr Tod verhinderte ihn daran. Jutta fühlte tiefen Schmerz darüber. Wäre sie jetzt Götz Gerlach hausens Braut gewesen, so war sie geborgen und alles klar zwischen ihnen. So aber hakte der Tod des Großvaters eine Scheidewand vorläufig zwischen ihnen aufgestellt. Ihr zart mädchenhaftes Empfinden veranlaßte sie, Götz gegenüber zu rückhaltender zu sein, als bisher, denn Pe war sich erst in der Todesstunde des Großvaters richtig bewußt geworden, daß das, was sie für Götz empfand, Liebe fei — tiefe Liebes die sie traurig und selig zugleich machte. Sie wustte nicht, ob Götz diese Neigung erwiderte. Zuweilen glaubte sie es fest, 'Zuweilen aber kamen ihr Zweifel, ob seine warme Herzlichkeit nicht nur nnem freundschaftliche» Gefühle entsprang. In dieser Situation gab sie sich Götz gegenüber schein bar kühler, Di« innige Vertraulichkeit wich einer gehaltenen Freundlichkeit. Götz bemerkte das sehr wohl, und in seinem Herzen erwachte eine peinliche Unruhe. Was hatte Jutta so ver ändert? Er suchte eine Erklärung dafür und fürchtete, sie endlich gefunden zu haben. Nach einigen Tagen fragte er sie, ob ^ie ihm noch nicht mitteilen möchte, was Graf Ra- venau Metzt über ihn gesprochen. Da wurde sie sehr ver wirrt und antwortete schließlich stockend und verleben, sie könne 'sich dessen nicht mehr erinnern, habe es in all den Sorgen vergessen. Götz merkte ihr an, daß sie bewußt «ine Unwahrheit sagte und zugleich sich dieser Unwahrheit schämte. Sie ging sofort zu einem geschäftlichen Thema über und war so formell und kühl, daß es ihm weh tat. Alles das erklärte er sich nur dahin, daß Graf Ravenau seinen Wunsch, Jutta mit Götz zu verbinden, ihr in seiner letzten Stunde eröffnet habe und sie diesen Wunsch nicht er füllen wolle. Hatte er sich getäuscht, liebte sie ihn nicht? Sah sie in ihm nur den Freund, und war sie nun durch des Groß vaters Wort« erschreckt worden? Vielleicht hätte er allem Hangen und Bangen ein Ende gemacht und eine offen« Aussprache herbeigeführt, ober die Rücksicht auf Juttas Trauer hielt ihn davon ab. Frau von Eerlachhausen, der gegenüber Jutta unver ändert war, suchte die junge Dame nochmals zu bewegen, wenigstens die nächsten Wochen in Gerlachhausen zu verbringen. Jutta, deren Blick dabei in die erwartungsvollen Augen Götz Eerlachhausens getroffen war, errötet« jäh und ant wortete, sich abwcndend, fast heftig: „Ich bleibe in Ravenau, Tante Anna. Sie werden sehen, dort komme ich am ersten wieder ins Gleichgewicht." Götz' Mutter erfaßte ihre Abwehr viel richttger als er und lächelte über sein betroffenes Gesicht. - „Eie werden aber nicht so einsam in Ravenau Hauken können, lieb« Jutta. Hab«n Sie sich das schon überlegt?" fragte sie mit ruhiger Freundlichkeit, als habe sie Juttas Ab sage gar nicht berührt. „Ja, ich habe schon -darüber nachgedacht, liebe Tante Anna. Ich werde wohl eine Gesellschafterin und Ans.andsdame engagieren müssen." „Sehr richtig, mehr liebes Kind. Eine liebenswürdige Roman von H. Courths-Mahler. 9 Hochdruck verboten So fand sie Götz, als der Morgen bereits graute. Er war so schnell wie möglich von Eerlachhausen abgeritten, nnn ckver nun doch.zu spät. Voll herzlicher Liebe und Teilnahme faßte er Juttas Hände und zog sie sanft von ihrem bleichen Gesicht. Wie rührend kindlich sie aussah mit den hrrabhängenden Flechten! „Jutta — liebe Jutta:" sagte er bewegt. Tiefes Rot färbte ihr Gesicht. Eie gedachte der letzten Worte des Großvaters. „Großpapa hat Sie sehr lieb gehabt, Herr von Gerlach- Hausen. Er erwartete sehnlichst Ihre Ankunft- Nun ist er doch ohne Abschied von Ihnen gegangen." Er küßte zart ihre Hand', die sie darauf mit leisem Druck zurückzog. . „Hat er meiner gedacht — keinen Auftrag — nichts für mich hinterlassen?" Sie erglühte, uckd er fah.es mit unruhigem Herzklopfen. „Einen Auftrag — nein — aber er sprach noch zuletzt von Ihnen. Ich — ich erzähle Ihnen das vielleicht später einmal. Ich bin jetzt so verzagt! Dies schnelle Ende! Nun habe ich den letzten Menschen verloren, der mir gehörte!" „Kommen Sie zu meiner Mutter nach Eerlachhausen, Komtesse Jutta," Kat er dringend. Sie schüttelte den Kopf. „Ich danke Ihnen, aber ich bleibe bei ihm, bis «r in die Gruft getragen wird." „Dann gestatten Sie pur wenigstens, Ihnen alles Stö rende abzunehmen. Es wird jetzt manches Ungewöhnliche an Sie herantreten, denn Sie sind jetzt die Herrin von Ravenau und Schönrode." Sie reichte ihm die Hand und sah mit tränenden Augen zu ihm auf. Es lag schrankenloses Vertrauen in ihrem Blick. „Ich nehme Ihre Hilse unbedenklich an. Sie werden alles in Großpapas Sinns ordnen. And nicht wahr, Sie helfen mir, mich in den neuen schweren Pflichten zurecht- zufinden?" „Sie dürfen unbedingt' auf mich zählen, teure Kom tesse. —" In den nächsten Tagen stürmte soviel Neues und Un gewohntes auf Jutta ein, daß sie nicht zur Ruhe kam. Götz und seine Mutter standen ihr zur Seite und nahmen ihr das Schwerste ab. Ein glänzendes Träuergefolge traf in Ravenau ein. In Vertretung des Herzogs erwies der Erbprinz d«m letzten Ravenau die letzte Ehre. Bei dieser Gelegenheit stattete er auch seinem Freund Götz Eerlachhausen einen Besuch ab. Götz besorgte hauptsächlich die Regelung der geschäft lichen Angelegenheiten. Ravenau und Schönrode wurden von tüchtigen, erprobten Beamten verwaltet, und es hielt nicht schwer, dafür zu sorgen, daß die Geschäfte in Ruhe und Ord nung, wie zu Lebzeiten des Grafen, weitergeführt wurden. Jutta wurde mündig gesprochen, Ms es 'Graf Ravenau m fernem Testament bestimmt hatte. Sie war nun unbeschränkte Gebieterin über Ravenau. und Schönrode. Das Testament bestimmte auch, daß die alten Diener und Beamten ihre Stellungen behalten sollten, und setzte verschiedene Legate aus. Jutta verlebte diese unruhigen Tage wie in einem bangen Traum. Hätte sie Frau von Gerlachhausen nicht zur Sette gehabt, wäre sie außerstande gewesen, gegen di« zahlreichen Frankenberger Ermhier Unterhaltungsbeilage zm» Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs-, Freitags- und Sonntags-Nummer ohne Preiserhöhung des HauvtblatteS beiqegeben.