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8 - S4 — „So sind wir Menschen, Liebster," sagte sie innig. „Aus allen rätselvollen Tiefen unserer Seele bricht die wunderliche Sucht, heute zu beten und morgen zu fluchen, bis für immer das Tor zuschlägt und die ewige Nacht kommt. Möchte sie friedlich Mr die Arme sein, deren Tag verrauscht." „Du hoffst nichts mehr, Christa-Maria?" „Nein, Günter, nur, daß ihr Wunsch und Will- sanft wie «in Traum vergehen." Dann gingen sie Hand in Hand zur Mutter, ui« Christa- Maria innig r» ihre Arme schloß. „Wie fröhlich bin in allem Leid, Thrista-Maria," sagte lie, „daß du meinen Jungen endlich an dein Herz genommen Haft. Auf festen! Grund steht eure Zukunft. Ihr beide ver eint, werdet Schätz« heben, die jeder Schicksalsgewalt Trotz bieten und auch den dunkelsten Erdenwinkel euch gegenseitig ein herrliches Frühlingstal wandeln wird." Da küßte sie bewegt die treuen Mutterhände, die so vertrauend die ihren umschlossen. Sie wußten es ja beide: ihr Weg lag vor ihnen — goldübersonnt. - Wrrder ruhte Güldane, in weiche Kissen gebettet, auf "dem grünumspannirn Söller und ihre Blicke suchten dis aoldüberspannten Täler, die prunkenden Matten, die dunklen Tannen der Harzberg«, die so hoch in den blauen Himmel wuchsen. Marlene war bei ihr. Die ährenblonden Zöpfe über Der weißen Mädchenstirn schimmerten in der Sonne wie ein funkelnder Goldreif und in den grauen Augen spiegelte sich b« Himmel Mit seinem zarten Blau. Immerfort kehrten Die Blicke der Kranken zu der Schwester zurück. Wie anders das zartblasse Gesicht Marlenes geworden war. Wie von innerem Licht durchleuchtet die Züge einer Ueberwinderrn. — Joachim, seinen Knaben an der Hand, trat zu der Kranken. „Holm möchte dir Lebewohl sagen, GüILane, er soll wieder für ein paar Tage ins Doktorhaus. Er ist jetzt hier zu laut und lebhaft und dort kann er jo nett mit Hildes Rindern spielen." Güldane nickte schmerzlich. „Ja, da hat er es gut. Da dürfen die Kinder fröh''ch fein, trotzdem ihnen L:r Krieg den Vater genommen hat, denn sie haben ein« Mutter, die nicht an sich dachte, wie ich " „Güldane?" bat Marlene. Holm kletterte an d«m Ruhebett der Mutter empor und schlang seine kräftigen kleinen Arme um den zarten Nacken der Kranken. „Du bist doch die beste Mutter," lobte er und schmiegte seinen weichen Mund gegen ihre blasse Wang«, „schon weil du bei uns geblieben bist. Ich bade sich ja auch darum ganz furchtbar lieb." Er preßte sie heftig an sich. „Nicht, wahr, Vati," fuhr er sott, „unsere Frau, die kassen wir nicht von uns. Wir pflegen sie gesund und dann haben wir unsere Frau immerzu lieb." Güldane lächelte schmerzlich. Joachim und Marlenes Blicke aber trafen sich — wie ein Abschiedneymen war es — als Joachim antwortete: „Ja, Holm, alles, w>e es Mutti will." Güldane strich ihrem frohen Kinde die Locken aus der heißen Stirn, dann küßte sie es lange, wie zum Abschied. „Werde wie dein Vater, Holm," sagte sie, „und wenn ich nicht mehr bei dir sein kann, dann denke auch r ?.l ar deine arme Mutti, die dich doch lieb gehabt hat, sehr lieb, Holm." Der Junge sah verständnislos von einem zum andern. „Aber Mutti," lachte er dann plötzlich auf, und ein schelmisches Blinzeln trat in seiis nachtschwarzen Augen. „Du mußt nur erst wieder lachen lernen und gesund werden," und, schon an der Tür, rief er mit einem pfiffigen, gleichsam beruhigenden Blick auf seinen Vater, indem er herzhaft mit der kleinen Hand zurückwinkte: „Unsere Frau bleibt, die lassen wir nicht fort, gelt, Vati?" „Nein, Holm, sie "bleibt." Schwer, fqst heiser klang die Stimme. Die Tür fiel hinter dem Knaben ins Schloß. Bald hört« man ihn im Burg hof singen, als er an Friedrichs Hand zur Stadt marschiert«: „Ich halt' einen Kammeraden." Güldane lauschte. Dann wandte sie jäh ihr Haupt Joachim und Marlene zu, die schweigend an der Irüstung des Söllers standen und weithin in das stille Land blickten. „Was ist mit euch?" fragte sie. „Ihr seid so anders." Marlene sah auch bittend zu Joachim auf. Er Zog einen Stuhl an Güldanes Lager und faßte ihre Hand. „Ich möchte dir gern etwas sagen, Güldane". „Ich weiß es, daß du Marlene lieb hast und daß chr, die ich euch «inst feindlich auseinanderriß, zu einander gehört in Zeit und Ewigkeit." " Dunkle Glut färbte die leidenvollen scharf geworden«! Züge Joachims und Purpurglut stieg auch in Marlenes Gesicht, aber Joachim bezwang das heiß aufsteigende Gefühl als er leise sagt«: „Nein, Güldane, das ist es nicht. — Sieh mal, gestern noch sprach ich zu dir von der Hoffnung auf «in künftiges Glück, gestern noch gelobte ich, dir di« Wege zu ebnen, indem ich versuchen wollte, nach dem Kriege zwischen dir und Wolf gang auszugleichen. Wie «in Bruder der Schwester, so wölkte ich dir helfen aus den Trümmern unseres Ledens dir noch ein Glück zu retteü. Sieh, Güldane, als ich zurückkam und dich als di« Frau eines anderen Mannes fand, da war nicht nur mein Mannesstolz auf das Tiefste verletzt, sondern auch mein Herz. Ich hatte auf deine Treue gebaut, wenn auch vielleicht in unserer Ehe nicht immer alles stimmte, wie es sein sollte. Als «in Stück von mir, als di« Mutter meines Kindes warft d» mir heilig, und als ich erkennen mußte, daß ich dir nichts .gewesen, daß der Totgeglaubte schon ausgelöscht war in deinem Herzen, da brach etwas in mir entzwei. Am liebsten hätte ich getobt und Wolfgang zu Boden geschlagen. Ws er aber in dem schrecklichen Augenblick, da unser ganzes Elend offenbart wurde, so einfach und groß zurücktrat, um, wie er gedacht, nicht weiter in meins Rechte «inzugreifen, da lenst, ich in ihm den Feind achten." Güldane hob das durchsichtige, von rotgoldenem Haar umrahmte Antlitz mit einem seltsamen, grübelnden Ausdruck ' zu ihm auf. „Warum sagst du mir das alles so feierlich Gestern noch wolltest du versuchen, auszugleichen: Warum heute nicht mehr? — — „Weil es zu spät ist, Güldane, weil das Schicksal selbst den Ausgleich in die Hand genommen", fuhr er sanft soft, während Marlene, nur mühsam die Tränen zurückdrängend, liebevoll den zitternden Körper der Schwester in die Arme nahm. Ein gellender Aufschrei kam von Güldanes Lippen. ' „Er ist tot! Wolfgang ist gefallen!" „Er starb den Heldentod, Güldane. Ihm ist wohl." Er nahm ein schmales Blättchen aus seinem Notizbuch- „Das fand man bei ihm." Güldane sah starr, mit irren Augen auf die halb ver wischten Schristzeichrn, die Wolfgang in seiner Todesstunde geschrieben. „Süßeste Frau! Die Kanonen haben die ganze Nacht gedonnert. Eine Granate hat es mix angetan — es ist vorbei! Meine Ge danken eilen zu dir, dir, die ich mehr als mein Leben geliebt. Es ist besser so! Mein heißes Herz sehnt sich der Still« zu. Holdeste Frau, die ich verlassen mutzt« und doch nicht lassen kann, leb« wohl! Seele, meine Seele fliege auf! Wolfgang von Diethardshausen." Güldane hielt das Blatt in ihrer zitternden Hand. Tine Tränenflut rann still über ihr blasses Gesicht wie ein Perlen- regen. „Tot?" fragte sie dann leise. „Alles ausgelöscht und ich — ich trag« die Schuld." „Nein, Güldane," wehrte Joachim sanft. „Wo ist die Grenze von Schuld und Wahn, wenn die Liebe spricht." Mit ungewöhnlicher Energie richtet« sich dir Krankt in die Höhe. „Sie ist. immer da, wo die Treue baut. Jetzt erst, verstehe ich, was der Priester damals sagt« von der heiligen^ Zeit. Mit harten Füßen hab« ich dieses Heiligtum ge schändet, indem ich es achtlos zertrat. Ich vermaß mich, di« Hände nach einem neuen Glück auszustrecken in der Zeit, w» der Mann, der meines Kindes Vater war, sein Blut für uns und sein Vaterland vergossen. Ich dachte nur an mich in der Zeit des furchtbaren Sterbens, ich wollte Glück, wo alles um uns her verblutete." Nun trage ich die Strafe und es ist still in mir — ganz still." i Joachim und Marlene verharrten in tiefem Schweigen.