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98 — Eroßvarer aufwachsen? — Weil sie nicht nur das Kind ! Ravenau und Schönrode lag, seines Sohnes, sondern auch das der Frau war, die Schuld Freund, obwohl «r fast zehn Z L äugen erstaunt zu dem großen Jungen aufsah. Er war viel älter und Netz das niedliche Komtehchen seine 'jungherrliche Üeberlegenheit fühlen. lieber vier Jahre schleppte Hans-Georg ft in Leben noch hin. Als er starb, stützte ihn die langjährige, treue Haus hälterin, die ihm herzlich ergeben gewesen. Am Bett saß sein Väter und Fritz von Gerlachhausen und hielten seine erkaltenden Hände. Als er den letzten Seufzer aushauchte, trippelten brausten in der langen Gallrrie leichte Kinderfüstchen an der Tür vorbei. Das sechsjährige Komtetzchen spielte mit seinem Dackel und jauchzte vor Vergnügen über seine possierlichen Sprünge. Dieses Jauchzen durchschnitt Graf Rudolfs Herz. Mit fin sterer Miene starrte er nach der Tür — dann drückte er die gebrochenen Augen seines Sohnes zu und wandte seinen Blick nicht mehr von den geliebten Zügen. Graf Rudolf verfiel fortan in eine finstere Schwermut. Die kleine Jutta, die noch zu jüng war, um zu begreifen, was ihr der Tod genommen, durfte ihm nicht vor Augen kommen. Vergebens suchte Fritz von Eerlachhausen zwischen dem verbitterten Mann und seiner unschuldigen Enkelin zu vermitteln. Voll Liebe nahm sich Frau Henriette Wohl- gemut, die brave.Haushälterin des Grafen, der kleinen Kom tesse an. Wußte sie doch manches, was das übrige Personal nicht erfuhr. Fritz von Eerlachhausen wollte Jutta seiner Frau zur Erziehung überbringen. Graf Rudolf aber lehnte das An erbieten ab. Er schickte die Kleine, wenige Wochen nach dem Tode des Vaters, in die schon erwähnte Genfer Pension. Nun lebte Graf Rudolf von Ravenau während der letzten 'Jahre fast ganz verlassen in seinem großen Schlosse. Er sprach nur mit seinen Beamten und hin und wieder ein paar Worte mit der Haushälterin. Hans-Eeorgs Kammer diener Joseph war Kastellan im Schönroder Schloß geworden. Er schwieg wie das Grab über die Tage in Nizza. Ganz allein saß Graf Rudolf bei seinen Mahlzeiten in dem großen Speisesaal an der reichgedeckten Tafel mit den, herrlichen Silbergeschirr. Hinter ihm, am Kredenzschrank, pflegte dann Herr Franz Seidelmann zu stehen und mit den , Augen die Diener zu dirigieren. Franz Seidelmann war i eine Art Vertrauensmann des Grafen. Halb Kammerdiener, halb Haushofmeister, nahm er die erste Stelle unter den - männlichen Dienern ein, während Jettchen Wohlgemut über i die weiblichen Dienstboien regierte. Gelegentlich bekriegten i sich diese beiden Machthaber ein wenig, im ganzen kamen > sie aber gut miteinander aus. i Nie hatte Graf Ravenau eine der Photographien Juttas ! angesehen, dir er geschickt bekam. Auch von der Gräfin . Gwendoline existierte kein Bild mehr in Ravenau. Und nun, nachdem Komtesse Jutta fast dreizehn Jahre ft in der Genfer Pension verbracht, schrieben diese Inhaber desselben, Lie Geschwister Leportier, daß feine Enkelin ge- ! wisscrmcßen ihrem Institut entwachsen sei. Nun ging es ! wohl nicht mehr an, die Heimkehr seiner Enkelin zu ver- j zögern. Er würde sie Heimrufen müssen, das sah er ein. Eine lejse Hoffnung regte sich in ihm, daß Jutta ihrem ! Vater ähnlich sehen möge, daß sie eine echte Ravenau sein ! könne und ihn nicht- an ihre verhaßte Mutter erinnere. 1 Wenn das möglich wäre — wenn er sie lieben könnte — i wenn sein einsames After durch ihre Gegenwart erwärmt i und erhellt würdet— Aber wie dem äuch sei — Heimrufen mutzte er sie, dir Erbin von Ravenau-Schönrode, die künftige Herrin des mrs- gedehnten Besitzes. Ihr Platz war nun, da sie erwachsen, an seiner Seite. Auch galt es, einen passenden Gatten für sie zu wählen. Das fiel ihm nicht schwer. Im Grunde hatte er ihn längst gefunden. Ravenau und Schönrode sollten wenigstens einen Besitzer nach seinem Wunsche erhalten: Götz von Eerlachhausen sollte sein würdiger Nachfolger sein. Er war seines Vaters echter Sohn, ehrlich, rechtschaffen, klar und ! wahr. An diesem Gedanken hielt der Graf mit der Lanzen ! Zähigkeit seines Willens fest. Er wußte, daß schon Fritz Eerlachhausen schwer um seinen Besitz gekämpft hatte. In Eerlachhausen fehlte es Warum aber mußte Jutta in der Verbannung, fern vom ' aufzuheitern. Fritz von Eerlachhausen, dessen Gut zwischen —e—- -- -— —... war Hans-Eeorgs bester Freund, obwohl er fast zehn Jahr« mehr zählte als dieser. Fritz von Gerlachhausen kgm öfter nach Ravenau. Zu weilen Machte er seinen Sohn Götz mit, und dieser spielte dann mit der kleinen Jutta, die mit ihren großen Kinder- trug am Tod« seines Sohnes, die ihm Schmach und Schände gebracht und seihe Lebenskraft gebrochen batte. Hans-Georg hatte gegen den Willen feines Vaters ein« Schauspielerin ge heiratet, die Tochter eines verarmten polnischen Edelmannes, die er in Paris kennen gelernt. Ur war der koketten Sirene mit den schwarzen Augen und dem rotgoldenen Haar ins Netz gegangen. Sein Vater hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diese' Heirat zu verhindern, aoer es war nutzlos. Und so mußte Graf Ravenau, wenn er sich nicht flir- immer mit feinem Sohne entzweien wollt«, dessen im Ausland« ge schlossene Ehe sanktionieren. Zwei Jahr« ungetrübten Glückes verlebte Hans-Georg mit seiner schönen Gattin. Sie wohnten im Schloß Schönrode, und dar! wurde nach einem Jahre Jutta gebor-m. Daß das Kind kein Knabe war, verstimm: den alten Graf Ravenau ^ehr. Er blieb üHerh rpt gegen Gwendoline fremd und Miückhältend. Nachdem diese zwei Jahre in Schön rode die Schlotzherrin gespielt, wurde ihr das stille Leben langweilig. Sie bestimmte ihren Gatten, den Winter mit ihr in Nizza zu verbringen. Dort traf sie mit einem entfernten Verwandten, Henry de Clavingy, zusammen, der die Zuneigung der schönen Ewen- doline ausbeutete. Sw verpfändete heimlich die Familien- Liamanten, um Clavingy ein« große Summe einhändigen zu können. Hans-Georg wurde zum ersten Male mißtrauisch gegen seine Frau, als er sah, wie sie Clavingy bevorzugte, und eines Abends glaubte er Grund zur Eifersucht zu haben. Er griff zur Waffe, um im Zorn Clavingy zu züchtigen. Dieser kam ihm jedoch zuvor und Hans-Georg fiel, durch die Brust geschossen, zu Bod«n. Der alte Graf Ravenau eilte an Las Lager seines schwer- verwundeten Sohnes. Nach einer häßlichen Szene, die Gwen doline dem alten Grafen gemacht, zwang er sie, abzureisen. Die Ehe wurde geschieden. Claoigny war rechtzeitig ge flohen, und Gwendoline sah ihn nicht wieder. — Hans-Georg sollte nie wieder ganz genesen. Als er im nächsten Sommer mit seinem Vater nach Ravenau zurückkehrte, ein kränklicher, gebrochener Mann, da war di« Scheidung bereits rechtskräftig geworden und Gwendolin« aus seinem Leben gestrichen. Ob auch aus seiner Erinnerung, wußte niemand. Ihr Name ward nie mehr erwähnt, aber in Hans-Georgs eingesunkenen Augen lag oft ein Ausdruck furchtbarer Seelenqual. Der alte Graf wich auch jetzt nicht von der Seite seines Sohnes, dem er rührende Sorgfalt angedeihen ließ. Ihn selbst hatte dieser Schicksalsschlag innerlich zermalmt. Ein un versöhnlicher Haß gegen die Derd-erberin seines Sohnes erfüllt seine Seele und machte ihn hart und finster. Die kleine Jutta war inzwischen fröhlich herangcblüht. Wäre es nach Graf Rudolf gegangen, so hätte sie Schönrode auch jetzt nicht verlassen. Aber Hans-Georg sehnte sich nach seinem Kinde, dem einzigen, was ihm von seinem trügerischen Glück geblieben. Graf Rudolf wich der Kleinen aus, so viel er konnte. Er sah sie kaum an. Sein Hatz gegen die Mutter übertrug sich auch auf das schuldlose Kind. Wäre cs wenigstens ein Sohn gewesen! Er sah das Leben seines Sohnes langsam verlöschen. Keine Macht der Erde konnte ihm Frische und Gesundheit wiedergeben. Was der alte Herr in diesen Jahren erduldete, als er einsame Sommer in Ravenau und einsame Winter im Süden mit seinem kranken Sohn« verlebte, davon sprachen nur die gramvollen Augen. Nie kam ein Wort d«'' Klage über seine Lippen, aber in jenen Tagen stellten sich zuerst die Vorboten einer Herzkrankheit ein. Die Nachbarn und Freunde des Grafen Ravenau er fuhren nie recht, was eigentlich geschehen. Durch die Diener schaft wurdez verbreitet, Graf Hans-Georg sei mit feiner Gemahlin bei einer Wagensahrt verunglückt und Gräfin Gwen doline gestorben. Dieser Auslegung widersprachen Vater und Sohn nicht, zumal Hans-Georg wünschte, daß Jutta an den Tod ihrer Mutter glaube. Die wenigen Besucher, die sich in der ersten Zeit nach der Rückkehr der beiden Grafen in Ravenau ein- sanden, blieben später allmählich aus. Nur einer kam immer wieder und suchte in treuer Freundschaft die beiden Einsamen