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^rankcnvergcr Erzähler ttnterhaltungsbeNage zum Frankenberger Tageblatt Wird jeder Mittwochs«, Freitags« und SonntgZ-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegebe.. Mr. SV Sonntag, der 17. Aeöruar 1918 tlnmSglick Vergeht ihr, was wir nun durch Jahre gelitten? Vergeht ihr, warum wir gedarbt und gestritten? Vergeht ihr die Feuer, die heilig einst lohten? Vergeht ihr die Wunden, die Krüppel, die Toten? Ihr könnt nicht vergessen. — Der Fluch wär' zu schwer, ! Und wolltet ihr sühnen — ihr könntet nicht mehr! Ihr redet vom Hunger. — Schnallt den Burt um den Bauch, Beiht die Zähne zusammen! — Wir müssen's ja auch. Schon reifen die Früchte der blutigen Saaten; Schon winkt uns der Lohn..— Wer will uns verraten? s Ein Deutscher? Unmöglich! Ein Hundsfott allein. „Wer", frag' ich, „will uns der Judas sein?" — Gefreiter Werner Fiehler. ! (Aus dem „Champagne-Kamerad.". Feldztg. d. 3. Armee.) Heilige Zetten Ein Roman aus der Gegenwart Don Anny Wothe. 20 Nachdruck verboten ! Güldane war zuerst mit irrem Blick ganz verständnislos den Ausführungen Wolfgangs gefolgt. Wie unter einem Bann. Jetzt aber kam plötzlich Leben in ihre Gestalt. Mit zellendem Aufschrei stürzte sie Wolfgang v. Diethardtshausen zu Fühen und seine Knie umschlingend, wimmerte sie: „Derlah mich nicht! Ich habe nur dich geliebt! Alles andere war Lüge. Nur du, nur du sollst mein sein, und alles andere mag vergehen. Derlah mich nicht, Wolfgang! Ich bin ja dein Weib, dem du vor Gottes Angesicht Treue gelobtest. Ich kann nicht leben ohne dich! Bleibe bei mir!" Der Ulan sah mit einem Gemisch von Trauer und tiefer Bitterkeit auf die bräutliche Frau zu seinen Fähen. Der Schleier hing zerfetzt um ihre biegsame, blumenzarte Gestalt, und der Kranz von Orangenblüten über ihrer leuch tenden Stirn war zerflattert, als sie Wolfgangs Knie mit bebenden Händen umklammert hielt und das von Tränen überströmte Antlitz bittend zu ihm aufhob. Aber in ihm war etwas zerbrochen in dem Augenblick, als sie so kalt herzig den Mann verleugnete, dem sie einst, wie ihm, die ewige Treue geschworen. Fast wie Grauen war rs jetzt in ihm vor diese'. Frau, 1»:« er so namenlos, so Heitz geliebt. „Es kann nicht sein, Güldane," entgegnet« er fest, aber nicht hart. „Der heutige entsetzliche Tag würde immer zwischen uns stehen. Auf den Knien sollst du deinen Mann anflehen, dah er dir die furchtbare Sünde verzeiht und solltest um diese Verzeihung dienen, damit du einst frei die Augen zu deinem Kinde ausheben kannst." Er zog die Kniende sanft empor und legte sie Marlen« mit einem bittenden Blick in die Arme. Lind strich er zum Abschied über Güldanes tränennasses Gesicht. „Ich habe dich sehr lieb gehabt," sagte er mit zitternder Sltmme, „jetzt aber, Güldane, bleibt mir nur^ioch der Weg der Pflicht: für mein Vaterland zu kämpfen in dieser heiligen und doch so furchtbaren Zeit. Geh auch du den Weg der Pflicht, dann werden meine Gedanken immer segnend bei dir fern." Er beugte sich zu der Sinkenden hernieder und kühle sie leis auf die weihe Stirn. Mit einem kurzen Ruck nahm «r die Hacken zusammen, dann verlieh er sporenklirrend den Ein wilder Schrei gellte ihm nach. Wie eine Wahnsinnige hatte sich Güldane aus Marlenes Arm freigemacht und war Wolfgang nachgestürzt, aber sie erreichte ihn nicht mehr. Mit schwerer Wucht schlug hinter ihm die Tür ins Schloh. „Jetzt verrät er mich, wie ich alle verriet," ächzte Gül- dane, ^nd in lautes Jammern ausbrechend, stürzte sie zu sammen. Joachim, seine Mutter noch immer im Arme, rührte sich nicht. „Schafft das Weib da fort," gebot er rauh. Ein vorwurfsvoller Blick Marlenes traf ihn, da senkte er die Augen zu Boden. Günter aber hastete zur Tür, wie befreit aufatmend, sagte er: „Christa-Maria ist im Vorzimmer, sie wird gern helfen." „Ja," gab Joachim halb spöttisch zurück, „und der Sa nitätsrat desgleichen. Er war der erste, der mich vorbereitet« auf die Heimkehr, die meiner wartete." Christa-Maria kniete schon an Güldanes Seite, die wie rasend um sich schlug, während der Sanitätsrat eiligst ein Rezept schrieb und einen Diener damit zur Stadt jagte. Günter , ah fragend in «Christa-Marias verschlossenes Gesicht. „Eine schwere Nervenkrisis," gab sie ganz leise zurück. „Vater wird nachher genaueres feststellen. Jetzt muh sie sofort ins Bett." Günter fahte selbst mit dem Sanitätsrat zu, die sich heftig Sträubende fortzutragen. Die beiden Mädchen folgten ihnen schweigend. Joachim war mit seiner Mutter, deren bebende Hand sr-noch immer gefaht hielt, allein. Schaudernd überflog fein Auge den Hochzeitssaal. Er fühlte, wie seine Kräfte schwan den, dah auch er kurz vor dem Zusammenbruch war. „Führe mich fort, Mutter," bat er, „nimm mich mit in dein Zimmer, dah ich nichts mehr zu sehen und zu hören brauche von all dem Entsetzlichen hier," und sich fest auf reckend, sagte er kalt: ,Ob Diethardtshausen das ihm nun einmal angetraute Weib will oder nicht, ist ganz gleich. Sorge dafür, dah sie morgen nicht mehr auf Ettersrode zu finden ist, sonst stehe ich für nichts." Gräfin Erdmutes eindringlicher Blick lieh nicht von ihrem Sohn, während sie ihn hinüber in ihr Wohngemach geleitete, dann erwiderte sie, „Du kannst die kranke Frau, die immer ein Kind unseres Hauses war, doch nicht einfach auf die Straße setzen. Ich erkenn« dich ja gar nicht wieder, mein Joachim. Nein, mein s Sohn, die heilige Zeit, in der wir leben, gibt uns andere ' Aufgaben, als zu richten. Der Herr hat Grohes an dir getan, ' wenn er auch mit scharfem Schwert dich da traf, wo du selbst einst sündigtest. Ich, dein« Mutter, muh dir da» sagen. Güldane hat heute eine so furchtbare Strafe erlitten, indem der Mann, den sie mit allen Sinnen begehrte, für i immer von ihr schied, dah wir sie nur tief beklagen können." „Verlangst du etwa, Mutter, dah ich die Frau, die sich ! dem andreen zuwandte, jetzig wo der andere sie nicht will, ! wieder an mein Herz nehme? Ich mühte mich ja vor mir selbst schämen, wenn ich einen so ehrlosen Handel schlösse." j „Ehrlos, Joachim? Du vergibt, dah diese Frau auch ' noch die Mutter deines Kindes ist, dah du sie niemals ganz abtun kannst — der Grund, weshalb auch wir sie immer zu halten suchten — selbst da, als sie uns in unserer Trauer um dich so schwer verletzte." s Joachim schwieg betreten. Die Mutter seines Kindes? ' Dah er auch in seinem Zorn, in seinem Schmerz das hatte. vergessen können. Sein ganzes heihes, liebedurstiges Herz wallte über, als er an seinen sonnigen Knaben dachte. „Man soll mir den Jungen bringen, Mutter," sagte er weich, vielleicht lerne ich, wenn er bei mir ist, mild«r über