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— 76 — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg i-S. — Druck und Verlag von E. G. Roßb erg in Frankenberg i.S Künstlertruppe hinter der Front der Andrang der Besucher keine wir Kenntnis von dem Briefe Heimat. Darin heißt es: „In das Auftreten einer kleinen zu ermöglichen, dann kennt Grenzen. Vor kurzem erhielten Vie ÄsMMttpNege im feMeer Die Wohlfahrtspflege bildet heute einen Hauptbestand teil des vaterländischen Unterrichts im Heere. Darunter ver steht man die Einrichtung von Soldatenheimen, Leseräumen, Bibliotheken, Kinos, Badeanstalten usw. Ferner die Ver anstaltung von Theateraufführungen, Konzerten, bunten Aben den und ähnlichem. Der Zweck ist, den Truppen nach Kampf- und Stellungstagen neben der körperlichen auch eine geistige Erholung zu bieten. Die Mannschaften bedürfen nach dem jahrelangen Stellungskriege,. dem ständigen Aufenthalt in Waldlagern, verödeten, zerschossenen Dörfern eine Anregung, die ihnen die Verbindung mit allem Schönen der Heimat aufrecht erhält, diese Verbindung erst vielfach richtig knüpft. Der aufs höchste gespannten körperlichen Anstrengung des Frontdienstes, dem öden Einerlei eines Lebens in weltabge schiedener, zur Wildnis gewordenen Fremde folgt sicher eine geistige Abstumpfung, eine trostlose innere Leere des Gefühls- i lebens, wenn nicht äußere Eindrücke des Behagens, der Freude ! am Schönen in Kunst, Literatur, zumindest aber die Möglich- ! keit gemütlichen Beisammenseins in anheimelnd anmutenden i Räumen, diese naturgemäße Entwicklung hemmen. Davon ! zeugt die starke Inanspruchnahme der Büchereien, der gute ! Besuch der Soldatenheime und Leseräume. Die zahlreich in i den letzten Monaten errichteten Front-Kinos sind allabendlich i überfüllt. Und ist gar eine Theatervorstellung oder auch nur banden die Polen auf den Rücken seines Rosses, das ihn zu Len Saporogern trug. Wo sein Haus gestanden hat, mit „ge wölbten Torbögen und niedrigem Dache", da schluchzt jetzt die Nachtigall in der Kirschblüte, die wie frisch gefallener Weih nachtsschnee leuchtet; in den zauberisch schönen Mondnächten geben die Dorfmädchen einander die Hände zum bunten Rei gen, die Burschen aber greifen nach der „Bandura", der volks tümlichen Laute, und dann sind es sticht Kriegsgesänge, die der Wind der Ukraine auf seine Schwingen nimmt, um sie bis zur Schwarzmeerküste zu tragen, sondern Liebeslieder voller Glut und Leidenschaft, wie der Ukrainer sie kennt. ' Vorstellung einer Künstlertruppe zu besuchen. Es war uns ' gesagt worden: Es sind auch Damen dabei! Wir zweifelten stark, ob wirklich Künstlerinnen es wagen sollten, bis in unser unweit der Stellungen befindliches Lager zu kommen. Aber es stimmte! Wie war uns zumute, als wir in dem festlich geschmückten Raume saßen und plötzlich nach dem Takt der Musik ein weibliches Wesen auf der kleinen Bühne erschien und tanzte. Tanzte? Mir kam es vor, als hätte der Wind eine Blume hereingeweht! So flog das da oben hin und her, i so-leicht und lieb, daß mir ganz eigen zumute wurde. Ich j dachte an zu Hause, an all das Schöne, das es in der Heimat gibt. Und mir wurde klar, daß wir Leute an der Front doch eine große, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen haben: Die Heimat vor Verwüstung zu schützen, Deutschland mit seiner hohen Kultur in seiner ganzen Größe zu erhalten. Diese Ge danken verließen mich während der Vorstellung, die noch i viel Schönes brachte, nicht mehr. Ein Humorist stellte mit i überwältigender Komik Charaktertypen von Versammlungs rednern dar. Zwei musikalische Clowns unterhielten uns mit ihren ulkigen Einfällen, daß wir alles um uns herum ver gaßen, und zum Schluß zeigte ein Schnellmaler seine schöne i Kunst in einigen wie aus Zauberhand hervorgegargenen Bil dern. Möchten doch mehr Künstler aus Deutschland zu uns kommen, die Strapazen eines Aufenthalts an der Front nicht scheuen und uns mit ihrer Kunst erfreuen. Die Anerkennung und der Dank, der aus Tausenden freudigen Augen ihnen entgegenleuchtet, der Beifall der Feldgrauen, denen sie Er holung und Aufheiterung gewährten, wird ihnen lange in Erinnerung fortleben." Ist der Eindruck, den eine mit wenig Mitteln ermöglichte Künstlerveranstaltung auf einen (und sicher auf die meisten) Frontsoldaten erzielte, nicht wert, daß man ihn zu ver vielfältigen und auf das ganze Heer zu übertragen versucht? eines .Frontsoldaten in die , unsrer'Kompagnie erhielten diSser Tage zehn Mann Erlaub nis, eine im Landwehr-Kino unsers Waldlagers veranstaltete jedoch noch zum Teil aus Schaszüchtern, zum anderen Teil . allerdings aus Zuckerproduzenten. Diese Industrie ist in der Ukraine hoch entwickelt. Sie nimmt 83 v. H. der gesamten Erzeugung Rußlands ein. In Kiew entfällt die Hälfte der ganzen Industrie auf den Zuckerrübenbau. Doch auch Tabak wird viel angebaut, er erreicht 70 v. H. der großrussischen s Erzeugung, und Mühlen und Branntweinbrennereien stehen i in lebhaftem Betrieb. Als Absatzplätze für den Binnenhandel i mit Holz gelten.in erster Reihe Cherson am Dnjepr, das 1778 i vom Fürsten Potemkin angelegt wurde, Jekaterinoslaw und s Kremntschug, ebenfalls am Dnjepr. Früher war Cherson eine befestigte Stadt, jetzt zeugen nur noch ein paar Wälle da von; sie umschließen außer Kasernen auch eine Kirche mit dem Grabmal Potemkins. 1787 kamen in Cherson Kaiser Jo seph II. und Katharina II. zusammen. Das war damals, als Potemkin, Ler Günstling der Zarin, seine sprichwörtlich ge- ! wordenen „Dörfer" entstehen ließ. Kulissen, die dem Auge der Herrscherin auf ihrer Reise in dis Krim blühende Wohn stätten vortäuschen sollten. i k Die Ukraine blickt auf eine große,' jedoch blutige Der- ! gangenheit zurück. Um das Jahr 882 war die Stadt' Kiew, i Lie sich malerisch auf dem bewaldeten Ufer des Dnjepr auf- bautz Lie Hauptstadt des russischen Reiches, und als 988 Wladimir der Heilige dort das Christentum einführte, wurde sie auch zum. geistlichen Mittelpunkt Rußlands. Der Sage nach soll Kiew bereits vor Christi Geburt von den Griechen und Skythen gegründet worden sein; jedenfalls war es in altersgrauer Vorzeit die Hauvtstätte des slawischen Götzen dienstes. Schon bald nach Einzug des Christentums muß Kiew die „Stadt der Kirchen und Klöster" gewesen sein — heute besitzt es über 81 orthodore Kirchen, —, denn, wie die Chronik meldet, sind bei einer gewaltigen Feuersbrunst 1124 allein 600 Kirchen Len Flammen zum Raube gefallen. 1320 wurde Kiew von den Litauern erobert, 1569 fiel es an das König reich Polen, 1684 wurde es förmlich an Rußland abgetreten. Dieser Kampf um den Besitz der Ukraine ist durch die Fruchtbarkeit des Landes und seiner Schlüssellage zum Bal kan, Kleinasien und dem Mittelmeer leicht zu verstehen. Heute haben die Ukrainer in den Verhandlungen zu Brest- Litowsk ihre Selbständigkeit durchgesetzt und durch einen Frie- Lensschluß mit den Mittelmächten gefestigt. Kiew ist eine der interessantesten Städte der Ukraine, berühmt durch sein uraltes Höhlenkloster, in dem die Krypten mit den Gebeinen der heiligen Märtyrer sich befinden. Als Wallfahrtsort ist es das Ziel vieler Tausende, die aus alben Gebieten Rußlands dort zusammenströmen. Wunderbar schön ist das flache Land der Ukraine, die weiten Steppen, über denen der Heidewind von den Helden taten der alten 'Saporoger raunt. Das sind die Bewohner hinter den Stromschnellen den Dnjepr. Und mit dem Winde ziehen die „DuiMlieder" klagend, schwermütig über das Land. So singt das Volk seine Lieder, die sich durch Geschlechter vererbt haben. Hell wie blitzende Schwerter klirren sie und erzählen von wilden, kühnen Ritten gegen die Türken und Tataren, die Polen und Großrussen. Und noch eine beson dere Reihe von Gesängen klingt über das ukrainische Land, die wehmütigen Lieder der „Tschumaken" und „Burlaken", d. h. der kleinrussischen SchiErarbeiter, der Lastfuhrleuts und Barkenzieher, der Holzflößer, die stromabwärts zum Schwar zen Meere fahren. Das bittere Los eines solchen Burlaken schildert der größte Dichter der Ukraine, Taras Schewtschenko, in einem seiner Gedichte. Zu schwer wird ihm, dessen Tage immer nur Arbeit, schwere Arbeit sind, das Leben, und ver- zwrifelt fragt er seins Mutter, warum sie ihn für solch «in Schicksal zur Welt gebracht? Sie aber antwortet ihm mit der Lanzen trostlosen Demut einer russischen Bäuerin: „Ach, ich hab' dich zur Plage, Dem Herrn zum Diener geboren . . ." So ruhelos und schwer auch das Dasein eines klein- russischen Tschumaken ist, in seinen Liedern findet er Ruhe und Kraft. Seine Seele strömt er in den Liedern aus. Der „Kobsar", der ukrainische Volkssänger, zieht von Dorf zu Dorf, kehrt auf dem einsamen „Chtor", dem Gehöft der Steppe, . ein, und um ihn schart sich jung und alt, freudig ihn be grüßend. Von den Ufern der Ströme schauen Ruinen ehemaliger Fürstenschlösser auf die eilenden Wellen, die schon viel Blut getrunken haben. Der Schatten des Kosakenhstmanns Ma- zeppa, des Byronschen Helden, huscht über die Steppe. Ihn «WM» -asb oaos